Josef Krips

(1902 - 1974)

Wiens Retter in der Not, 1945, und Vater des legendären »Mozart-Ensembles«

Er war tiefgläubiger Katholik, doch mußte er - weil jüdischstämmig - 1938 alle Ämter aufgeben und konnte nur als sogenanntes »U-Boot« den Zweiten Weltkrieg in seiner Heimatstadt überleben: Josef Krips, Jahrgang 1902, hatte die musikalischen Selbstverständlichkeiten der wienerischen Musiziertradition quasi mit der Muttermilch aufgesogen und war dank seiner schönen Sopranstimme als Knabe bereits zu den k. u. k. Hofsängerknaben gekommen. Von da an blieb er sein Lebtag in engstem Kontakt mit der philharmonischen Klangkultur, denn das Orchester, das die Gottesdienste in der Hofkapelle begleitete, setzte sich stets aus Musikern des Hofopernorchesters zusammen - und man sang die Ordinarien in den Vertonungen von Haydn, Mozart und Schubert . . .

Während seiner Zeit, da er nur versteckt in Wien überleben konnte, wußte freilich die Wiener Musikwelt, wer Josef Krips war - und wo er sich befand, denn man konnte bei ihm Korrepetitionsstunden nehmen und ließ ihm dafür zukommen, was er zum Überleben benötigte.

Das Kapellmeisterhandwerk hatte er von der Pike auf gelernt, vom Choristen war er zum Geiger im Volksopern-Orchester geworden. Dort fiel er dem Hofopern-Chef Felix Weingartner auf, der ihn zum Korrepetitor und bald auch zum Chorleiter an der Volksoper machte. Mit Verdis Maskenball avancierte Krips zum Dirigenten - und bald rief man ihn in die deutsche Provinz: auf eine Saison in Dortmund folgte 1926 Karlsruhe. Bis die »1000 Jahre« des Hitler-Regimes begannen, die ihn - mit reicher Repertoire-Erfahrung - in seine Heimat zurücktrieben. Bis Österreich zur »Ostmark« wurde, war Krips Professor an der Musik-Akademie und viel beschäftigter Kapellmeister.

Das Mozart-Ensemble

Seine große Stunde schlug nach dem Zusammenbruch des »Dritten Reichs« im April 1945. Die vormals führenden Dirigenten waren bald mit Dirigier-Verbot belegt - und Krips war der Mann der Stunde. Mit den Ensemble-Sängern der Wiener Oper bestens vertraut, ging er daran, das Musikleben wieder aufzubauen. Er dirigierte die auf Anordnung des sowjetischen Besatzungskommandanten - gegen jede Wahrscheinlichkeit - erzwungene, legendäre Vorstellung von Mozarts Hochzeit des Figaro mit den verbliebenen Staatsopern-Sängern im Gebäude der Volksoper, die das Bomben-Inferno überlebt hatte. Dieser 1. Mai 1945 wurde ein Schicksalsdatum in den Annalen der Musikstadt Wien. Unter anderem debütierte Sena Jurinac an diesem Abend mit dem Cherubin im Wiener Ensemble, das in der Folge von Krips zum legendären Mozart-Ensemble geformt wurde. Die viel gerühmte, unvergleichliche Mozart-Spielkultur, die in jener Zeit in Wien erwuchs, basierte auf Krips' Arbeit. Hier konnte ein Karl Böhm anknüpfen, als er 1947 wieder dirigieren durfte, ein Herbert von Karajan, als die englische Firma EMI ihm ermöglichte, in Wien erste Mozart-Gesamtaufnahmen zu machen . . .

Krips war auch der Dirigent der ersten Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker nach dem Krieg. Clemens Krauss, der die Tradition begründet hatte, war »gesperrt« wie Karajan, Böhm und viele andere. Krips, der auch den Löwenanteil der philharmonischen Konzerte während der ersten Nachkriegs-Saison leitete, stand auch zu Neujahr 1946 und 1947 am Pult im Musikverein. Und er führte das Mozart-Ensemble zu ersten Gastspielreisen - legendär die Tournee nach London, bei der es anläßlich einer Don Giovanni-Vorstellung in Covent Garden zu einer Wiederbegegnung mit dem exilierten, schon todkranken Richard Tauber mit seinen früheren Sänger-Kollegen kam.

Wien hat dem Dirigenten seinen Totaleinsatz in jener Zeit nicht wirklich gedankt. Als die Dirigierverbote für die »belasteten« Kollegen wieder aufgehoben wurden, hieß der Neujahrs-Dirigent der Philharmoniker wieder Clemens Krauss, Karl Böhm wurde mit der Wieder-Eröffnung des Hauses an der Ringstraße wieder Operndirektor, Herbert von Karajan folgte ihm nach - und Krips war immer da, dirigierte viel Repertoire, hie und da auch Premieren. Aber er wirkte in der Meinung von Publikum und Kritik in der zweiten Reihe.

Immerhin haben einige Schallplatten-Aufnahmen festgehalten, was dieser Künstler unter besten Studio-Bedingungen erreichen konnte.

Aufnahmen

Die Schallplatten-Karriere von Krips begann mit seiner Berufung zum führenden Dirigenten des London Symphony Orchestra im Jahr 1950. Ein Beethoven-Zyklus entstand in der britischen Metropole für das Label Everest und - für Decca - eine Schumann-Platte mit den Symphonien 1 und 4, die eine Wiedergabe der Frühlingssymphonie enthält, die in ihrer Dichte und Klangschönheit bis heute kaum je übertroffen wurde. Für Sammler ist sie auch insofern von Interesse, als Krips als einer von wenigen Dirigenten am Beginn der Symphonie die originale Version der Blechbläser-Fanfare wiederherstellt, die eine Terz tiefer als in der gedruckten Version liegt.

In Wien entstand mit dem Don Giovanni eine mustergültige Dokumentation des legendären Wiener Mozart-Stils der Fünfzigerjahre. Die Aufnahme mit Cesare Siepi, Hilde Güden, Lisa Della Casa und Anton Dermota ist in ihrer Geschlossenheit und dramaturgischen Konsequenz auch mehr als ein halbes Jahrhundert später noch beeindruckend.

Den Don Giovanni betreute Krips an der Staatsoper noch seinen allerletzten Jahren: Anläßlich der Prmemiere der langlebigen Inszenierung von Franco Zeffirelli mit Hermann Prey in der Titeplpartie stand er am Pult. Zwei Jahre zuvor, 1971, dirigierte Krips die Weihnachtspremiere von Verdis La Traviata der nicht minder langlebigen Otto-Schenk-Produktion mit Ileana Cotrubas und Nicolai Gedda - von diesem Abend hat sich ein Livemitschnitt erhalten (Orfeo)

Auch die bisher letzte Einstudierung von Richard Strauss' Ägyptischer Helena im Wiener Haus am Ring, Anfang der Siebzigerjahre, mit Gwyneth Jones und Jess Thomas betreute Josef Krips. (RCA)







↑DA CAPO

zur SINKOTHEK