Wladimir Fedosejew

* 1932

Wladimir Fedosejew dirigiert im Febraur 1999 in Moskau ein Festkonzert aus Anlaß seines 25-Jahr- Jubiläums als Chefdirigent des dortigen Rundfunkorchesters. Ein Unikum in unserer Zeit.

So etwas gibt es heutzutage kaum noch: In der Regel verlassen Dirigenten ihre Chefpositionen schon nach fünf bis sechs Jahren. Besonders hartnäckige halten es mehr als zehn Jahre auf einem Posten aus. Seiji Ozawa aber steuert in Boston auf ein Vierteljahrhundert zu. Wladimir Fedosejew hat dieses für heute beinahe unvorstellbare Datum bereits erreicht: Seit 1974 leitet er ohne Unterbrechung das Symphonieorchester des Moskauer Rundfunks, das seit einiger Zeit "Tschaikowsky Orchester" heißen darf. Ein Rekord, der mit einem großen Fest am 4. Februar in der russischen Hauptstadt gefeiert wird.

Die Situation, in der dieses Jubiläum stattfindet, könnte schwieriger nicht sein. Längst schon hat der russische Rundfunk den Geldhahn zugedreht. Das ehemals gut dotierte Orchester muß sich vor allem durch Gastspielreisen ins Ausland finanzieren.

Österreich war und ist dabei seit langem ein Fixpunkt in der Tournee-Planung. Das erstemal waren Fedosejew und sein Rundfunkorchester in den siebziger Jahren mit Gidon Kremer in Österreich zu hören. Dann brachte ein Jeunesse-Konzert im Musikverein im Jahre 1987 den Durchbruch.

Einzigartige Harmonie

Nach den fulminanten Wiedergaben von Sergej Prokofieffs Suite aus "Romeo und Julia" und Rachmaninows "Symphonischen Tänzen" lud man die Künstler immer wieder ein: zu den Bregenzer Festspielen, nach Salzburg, zum Carinthischen Sommer und immer wieder nach Wien. Das Publikum bewundert die Perfektion und die Leidenschaft, Eigenschaften, die hier in selten schöner Balance zu erleben sind.
Wobei nicht nur die aufregenden Wiedergaben von Tschaikowsky- oder Schostakowitsch- Symphonien, sondern auch idiomatisch bemerkenswert stimmige Aufführungen von Werken Beethovens oder Schuberts für lauten Applaus gesorgt haben.

Beinahe einzigartig in der Welt dürfte die Harmonie sein, die zwischen den Musikern und ihrem Chefdirigenten herrscht. Die Übereinstimmung, die Fedosejew befähigt, mit wenigen Bewegungen vollkommene Höchstleistungen einzufordern, resultiert zweifellos aus der fortwährenden konzentrierten Zusammenarbeit; sie erinnert an Glanzzeiten der St. Petersburger Philharmoniker, die einst mit ihrem Chef Jewgeni Mrawinsky - Fedosejews Lehrer und Mentor - ähnlich stupende Konzerte zu liefern imstande waren.

Fedosejew besteht denn auch unerbittlich auf der hiezu nötigen Proben-Akribie. Auch wenn ein vielgespieltes Werk wie Tschaikowskys Fünfte auf dem Programm steht, wird probiert, als geschähe es das erste Mal.

Nicht nur das ist Mrawinskys Erbe.

Berührend, wie vor einiger Zeit der Chefdirigent am Orchestereingang nach einem besonders gelungenen Konzert seine Gage gerecht auf sämtliche Musiker seines Ensembles verteilte: In Moskau gibt es mehr als einen Kommentator, der meint, ohne Fedosejews Animo und Treue gäbe es dieses Orchester nicht mehr.

Hierzulande hoffen viele Musikfreunde, noch viele Gastspiele dieser Musikergemeinschaft erleben zu dürfen.


↑ DA CAPO