Sergiu Celibidache
Ein Stachel im Herzen
Sergiu Celibidaches Leben war zwischen Extremen aufgespannt: Liebe und Haß.
Liebe und Haß - wüste Beschimpfungen, Beifallsorkane, leidenschaftliche Kritiker-Verrisse, Blumenregen, Skandale, Liebesbeweise: Wo Sergiu Celibidache war, brauchte für Erregung nicht gesorgt werden. Sie war durch seine bloße Anwesenheit vorprogrammiert.
Kaum ein Dirigent hat die Gemüter so erhitzt.
In jeder Hinsicht.
Celibidache im Interview: Das bedeutete aggressive Tiraden gegen Kollegen. Wenn er auch den vielzitierten Ausspruch "Karajan ist wie Coca Cola" nie getan hat - er meinte damals lediglich, der Konkurrent begeistere zwar die Massen, das täte aber Coca Cola ebenso. Auch andere Dirigenten waren nicht sicher vor seinen unbarmherzigen Attacken: Der sei nicht mehr wert als "ein leerer Erdäpfelsack", dieser "untalentiert", der dritte "lähmend".
Die Feindschaft mit Karajan freilich, die hatte ihre eigene Geschichte, und sie war nicht, wie andere, künstlerisch motiviert. Celibidache war nach 1945 jener Dirigent der Berliner Philharmoniker, der den Wiederaufbau wesentlich mitbestimmte und dann an der Seite Furtwänglers zu dessen potentiellem Erben heranwuchs.
So dachte man.
Eine singuläre Karriere des jungen, 1912 geborenen rumänischen Einwanderers wäre das gewesen, in jener Stadt, in der er als Student groß geworden war.
Als er Anfang der neunziger Jahre, lang nach Karajans Tod, doch wieder ans Pult der Berliner Philharmoniker zurückkehrte, bereiteten ihm Orchester und Zuhörer immerhin einen triumphalen Empfang.
Natürlich stand Bruckner auf dem Programm. Denn als Bruckner-Interpret war "Celi", wie ihn die Verehrer zärtlich genannt haben, in Furtwänglers Fußstapfen getreten, wagte seine extrem langsamen Tempi, um alles, jede Fiber der kompositorischen Textur bloßzulegen. Daß es ihm gelang, sie auch vibrieren zu lassen, war sein Geheimnis.
Schon die frühen Aufnahmen, die von Celibidaches Bruckner-Aufführungen überliefert sind, zeichnen sich durch enorme Innenspannung, staunenerregende Durchhaltekraft in extrem weit angelegten Steigerungsbögen aus. Ganz abgesehen von der feinen Binnendifferenzierung, die der Orchestererzieher in der ihm eigenen, zuweilen tyrannischen Manier von seinen Musikern forderte.
Er war gewiß der letzte Despot auf dem Podium. Und seine Musiker erfüllten ihm dennoch auch den kleinsten Wunsch. Bis zuletzt, als seine Tempovorgaben immer noch langsamer wurden, die Zerreißprobe zuweilen überdehnten.
Bei alledem bleibt in der Erinnerung wenig "nachhörbare" Musik, denn Celibidache, der Strenge, hat niemals (außer im Fall seiner eigenen Komposition) Schallplattenaufnahmen gemacht, nur einige Videoaufzeichnungen zugelassen.
Bei alledem bleibt jedenfalls die Erinnerung an einen der's verstand, die Menschen zu heftigen Diskussionen anzuregen - und zwar letztlich immer über das, was seinem Leben Inhalt und bis zuletzt Kraft gab.
Das waren nicht die Skandale. Das war die Musik.
Und nichts als diese.
Liebe und Haß - wüste Beschimpfungen, Beifallsorkane, leidenschaftliche Kritiker-Verrisse, Blumenregen, Skandale, Liebesbeweise: Wo Sergiu Celibidache war, brauchte für Erregung nicht gesorgt werden. Sie war durch seine bloße Anwesenheit vorprogrammiert.
Kaum ein Dirigent hat die Gemüter so erhitzt.
In jeder Hinsicht.
Celibidache im Interview: Das bedeutete aggressive Tiraden gegen Kollegen. Wenn er auch den vielzitierten Ausspruch "Karajan ist wie Coca Cola" nie getan hat - er meinte damals lediglich, der Konkurrent begeistere zwar die Massen, das täte aber Coca Cola ebenso. Auch andere Dirigenten waren nicht sicher vor seinen unbarmherzigen Attacken: Der sei nicht mehr wert als "ein leerer Erdäpfelsack", dieser "untalentiert", der dritte "lähmend".
Die Feindschaft mit Karajan freilich, die hatte ihre eigene Geschichte, und sie war nicht, wie andere, künstlerisch motiviert. Celibidache war nach 1945 jener Dirigent der Berliner Philharmoniker, der den Wiederaufbau wesentlich mitbestimmte und dann an der Seite Furtwänglers zu dessen potentiellem Erben heranwuchs.
So dachte man.
Eine singuläre Karriere des jungen, 1912 geborenen rumänischen Einwanderers wäre das gewesen, in jener Stadt, in der er als Student groß geworden war.
Berliner wählten Karajan
Das Orchester dachte anders: Es wählte Karajan. Daß das nicht zum Schaden der Musiker war, dürfte der schmerzhafteste, nie entfernte Stachel in Celibidaches Herzen gewesen sein.Als er Anfang der neunziger Jahre, lang nach Karajans Tod, doch wieder ans Pult der Berliner Philharmoniker zurückkehrte, bereiteten ihm Orchester und Zuhörer immerhin einen triumphalen Empfang.
Natürlich stand Bruckner auf dem Programm. Denn als Bruckner-Interpret war "Celi", wie ihn die Verehrer zärtlich genannt haben, in Furtwänglers Fußstapfen getreten, wagte seine extrem langsamen Tempi, um alles, jede Fiber der kompositorischen Textur bloßzulegen. Daß es ihm gelang, sie auch vibrieren zu lassen, war sein Geheimnis.
Schon die frühen Aufnahmen, die von Celibidaches Bruckner-Aufführungen überliefert sind, zeichnen sich durch enorme Innenspannung, staunenerregende Durchhaltekraft in extrem weit angelegten Steigerungsbögen aus. Ganz abgesehen von der feinen Binnendifferenzierung, die der Orchestererzieher in der ihm eigenen, zuweilen tyrannischen Manier von seinen Musikern forderte.
Er war gewiß der letzte Despot auf dem Podium. Und seine Musiker erfüllten ihm dennoch auch den kleinsten Wunsch. Bis zuletzt, als seine Tempovorgaben immer noch langsamer wurden, die Zerreißprobe zuweilen überdehnten.
Feind aller Musikkonserven
Wiener Musikfreunde erinnern sich an Gastspiele mit dem Orchester seiner altersweisen Phase, den Münchner Philharmonikern, wo eine Verdi-Ouvertüre zum Stillstand zu kommen drohte, wo in Strauss' "Don Juan" tatsächlich der Faden riß. Sie erinnern sich freilich auch an eine Achte Bruckner, deren Intensität dem fortwährenden Adagio zum Trotz in jene Bereiche anwuchs, die denkwürdigen Status annehmen. Was zwischen Berlin und München war, die "Wanderjahre", wie sie einer der blind ergebenen "Celi"-Biographen nannte, nährten die "Legende Celibidache", die imstande war, aus drittklassigen Orchestern wahre Präzisionsinstrumente zu formen. Aus solchem Stoff ist hingebungsvolle Verehrung, wie sie dem Chefdirigenten der Münchner dann ebenso zuteil wurde wie heftige Kritik, die ihre Energien nicht zuletzt aus der maßlosen Übertreibung der Verehrergemeinde schöpfte, die in Celibidache den "einzig wahren Musikanten" vis a vis den dirigierenden Technokraten zu sehen meinten.Bei alledem bleibt in der Erinnerung wenig "nachhörbare" Musik, denn Celibidache, der Strenge, hat niemals (außer im Fall seiner eigenen Komposition) Schallplattenaufnahmen gemacht, nur einige Videoaufzeichnungen zugelassen.
Bei alledem bleibt jedenfalls die Erinnerung an einen der's verstand, die Menschen zu heftigen Diskussionen anzuregen - und zwar letztlich immer über das, was seinem Leben Inhalt und bis zuletzt Kraft gab.
Das waren nicht die Skandale. Das war die Musik.
Und nichts als diese.
Die Celibidache-Chronologie
- 1912 geboren in Roman (Rumänien)
- 1916 beginnt am Klavier zu improvisieren
- 1930 Studium der Mathematik und Philosophie, das Musik-Studium bekommt bald Oberhand und wird in Bukarest fortgesetzt.
- 1935 Studium in Paris
- 1936 Studium in Berlin unter anderem bei Distler (Komposition), Sprangher (POhilosophie) und den Musikwissenschaftlern Schering und Schünemann
- Späte Dreißigerjahre: Celibidache begleitet die Tourneen eines Ausdruckstänzers am Klavier
- 1943/44 Einstudierung und Aufführung von Bachs Brandenburgischen Konzerten mit Studenten der Musikhochschule Berlin
- 1945 gewinnt Celibidache den von der russischen Besatzungsmacht arrangierten Dirigentenwettbewerb des Radiosymphonieorchesters Berlin
- 1945 Am 29. August leitet Celibidache erstmals ein Konzert der Berliner Philharmoniker
- 1946 beginnt Unterrichtstätigkeit am Internationalen Musikinstitut in Berlin
- 1946 im Febraur bestimmen die Berliner Philharmoniker Celibidache zum Ständigen Dirigenten bis zur Rückkehr des mit Dirigierverb ot belegten Wilhelm Furtwängler.
- 1946 Am 21. Dezember dirigiert Celibidache die Erstaufführung der Leningrader Symphonie von Dmitri Schostakowitsch.
- Furtwängler votiert nach seiner »Entnazifizierung« für den Verbleib Celibidaches im Dirigentenstamm der Berliner Philharmoniker und zum zweiten Dirigenten anläßlich der für 1948 geplanten England-Tournee.
- 1948/50 Triumphale Gastspiele Celibidaches in aller Welt
- 1954 Letztes der ingsesamt 414 Konzerte mit den Berliner Philharmonikern bis 1992 - Furtwängler stirbt am 30. November, Karajan wird sein Nachfolger.
- Von 1953 bis 1967 dirigiert Celibidache jährlich das erste philharmonische Konzert des Orchesters der Mailänder Scala. Zahlreiche Gastkonzert in Italien
- 1957 Erstes Konzert in Berlin nach dreijähriger Pause - mit dem Radiosymphonieorchester
- 1958/59 Erste Konzert mit dem RSO Stuttgart
- 1960 - 1963 enge Kooperation mit der Königlichen Kapelle Kopenhagen
- 1963 - 1971 Ständiger Gastdirigent des Schwedischen Rundfunkorchesters
- 1972 bis 1977 Ständiger Gast-Dirigent des RSO Stuttgart. Danach Konzerte bis 1982
- 1973/75 Gastdirigent des Orchestre National des französischen Rundfunks in seiner Wahlheimatstadt Paris
- 1979 Am 14. Februar debütiert Celibidache am Pult der Münchner Philharmoniker. Dem Sensationserfolg folgt die Ernennung zum Generalmusikdirektor der Stadt München
- 1984/85 Vertrauenskrise zwischend er Münchner Politik und Celibidache
- 1985 Am 25. Februar kommt es zum triumphalen Comeback in München, am 10. November dirigiert Celibidache das Eröffnungskonzert der Münchner Philharmonie.
- 1989 Legendäre Gastspiele mit Bruckhers Vierter im Wiener Musikverein (Februar) und mit der Achten in St. Florian (September)
- 1992 Am 31. März dirigiert Celibidache erstmals wieder die Berliner Philharmoniker - eine Intervention von Bundespräsident Richard von Weizsäcker ist vorangegangen. Karajan war 1989 gestorben, Claudio Abbado war sein Nachfolger geworden.
- 1993 Celibidache hält Vorlesungen über die Phänomenologie der Musik an der Münchner Musikhochschule
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↑ DA CAPO