Karel Ančerl

1908 - 1973

Karel Ančerl absolvierte die Meisterklassen für Komposition (bei Alois Hába) und Dirigieren (bei Vaclav Tálich und Hermann Scherchen) in Prag und war ab 1933 viel beschäftigter Dirigent von Rundfunkkonzerten in der tschechischen Hauptstadt. Während des Zweiten Weltkriegs und des deutschen »Protektorats« war Ančerl er in Konzentrationslagern inhaftiert. Ein erstes Filmdokument in einem der zynischen Propagandafilme des Deutschen Reichs zeigt ihn als Dirigenten des Orchesters in Theresienstadt. Den Transport nach Auschwitz hat Karel Ančerl als einziger seiner Familie überlebt.

Wieder in Freiheit engagierte ihn das Prager Opernhaus als Dramaturg und Kapellmeister. Rafael Kubelik ersetzte in dieser Zeit Ančerls Lehrer Tálich, der während der nationalsozialistischen Dominanz Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie geblieben war und sich deshalb 1945 zurückziehen mußte.
Als Kubelik im Zug der Machtübernahme der Kommunistischen Partei das Land verließ, wurde Ančerl sein Nachfolger.
Er prägte die Geschicke des Orchesters bis in die Sechzigerjahre.
1969 ernannte ihn das Toronto Symphony Orchestra zum Nachfolger Seiji Ozawas als Chefdirigent. Ančerl ging nach Kanada, wo er 1973 starb.

Aufnahmen

Als Chefdirigent in Prag hat Karel Ančerl ein reiches Erbe an Schallplattenaufnahmen für das Label Supraphon hinterlassen, das im Rahmen einer »Ančerl Gold« auf mehr als 40 CDs dokumentiert wurde.

Nicht zueletzt seine Interpretationen von Klassikern der Moderne sind unter Sammlern hoch geschätzt.
Von Strawinskys Petruschka und Le Sacre du printemps gibt es nicht viele ähnlich scharfkantig klare, geschliffene Wiedergaben.

Außerordentlich ist auch Ančerls ausgefeilte Durchgestaltung des Orchesterparts in Alban Bergs Violinkonzert in der Aufnahme mit dem musikantisch-unverkrampft aufspielenden Josef Suk und der Tschechischen Philharmonie. Auch in den Passagen geballter Energie bleibt das Tongewebe hier durchhörbar bis auf den Grund. (Die Aufnahme ist greifbar auf diversen Onlineplattformen.)

In der kurzen Zeit in Toronto konnte Ančerl auch mit Glenn Gould zusammenarbeiten, mit dem er eine bemerkenswerte Aufnahme von Beethovens Fünftem Klavierkonzert machte: Ančerls Klarheit und Transparenz war Goulds Ästhetik durchaus verwandt.

↑DA CAPO