Helmut Walcha

1907 - 1991

Walcha war vielleicht der berühmteste deutsche Organist des XX. Jahrhunderts. Für die Deutsche Grammophon hat er zweimal das Gesamtwerk Johann Sebastian Bachs für sein Instrument aufgenommen, von 1947 bis 1952 in mono, ab Ende der Fünfzigerjahre noch einmal in Stereo.

Walcha war als Sohn eines Postbeamten in Leipzig zur Welt gekommen und erblindete als Sechzehnhjähriger. Dennoch wurde er einer der Meisterschüler Günther Ramins und avancierte zum Organisten der Frankfurter Friedenskirche, ehe er 1938 die Orgelprofessur an der Frankfurter Musikhochschule übernahm, wo er nach 1945 das Institut für Kirchenmusik aufbaute.

Als ausgebildeter Komponist hat Walcha auch eigene Choralvorspiele verfaßt, hat Notenausgaben von Werken Bachs und Händels (die Orgelkonzerte) ediert und eine eigene, vollständige Version des unvollendeten, abschließenden Contrapunctus aus Bachs Kunst der Fuge erarbeitet und auf Schallplatten festgehalten.
Walchas Ausgabe von Bachs Die Kunst der Fuge (»Übertragung für Orgel mit Weiterführung und Beendigung der Schlussfuge«) erschien bei Peters 1967 in Druck.

Die Bach-Aufnahmen

Walchas Stereo-Aufnahme der Orgelwerke Bachs wurde zu einem internationalen Bestseller. Bahnbrechend war freilich bereits seine erste Gesamtaufnahme des Bachschen Orgelwerks. Sie entstand ab 1947 - zunächst in Lübeck unter der Federführung des selbst als Organist ausgebildeten Tontechnikers Erich Thienhaus, der die »Archiv Produktion« der Deutschen Grammophon mitbegründet hatte und nun daran ging, Bachs Oeuvre auf Schallplatten zugänglich zu machen.

Die ersten Aufnahmen dieser Edition erschienen noch auf Schellackplatten. Während der Aufnahmeserie hob die Ära der Langspielplatte an, was die Produzenten vor ungeahnte Probleme stellte, denn ab sofort liefen Schallplatten um vieles ruhiger und plötzlich wurde man beim Abhören der Tatsache gewahr, daß an der Lübcker Jakobi-Kirche der Verkehr mit viel zu hohem Geräuschpegel vorbeirollte. Daher wechselte man den Aufnahmeort: In der Kirche von Cappell am Wattenmeer fand man eine Arp Schnittger Orgel, die ursprünglich im Hamburger Johanniskloster aufgestellt war, von dort aber 1816 in die kleine Ortschaft zwischen Cuxhaven und Bremerhaven überstellt worden war.

Dort entstanden die späteren Einspielungen der legendären ersten Bach-Serie Walchas. 18 Langspielplatten füllte die Edition anläßlich ihrer integralen Erstveröffentlichung. Walchas Interpretationen waren bahnbrechend und markieren einen wichtigen Punkt auf der Strecke, die zur Objektivierung und einem völlig neuen Verständnis barocker Musik führen sollte: Statt subjektivistischem Mystizismus herrscht vollkommene Klarheit: Der »Fanatiker des Staccato, Portato, Leggiero«, wie Walcha von einem Kritiker einmal genannt wurde setzt auch in seiner Registrierungskunst auf differenzierteste Klanggebung, um die kontrapunktischen Strukturen der Musik zu verdeutlichen.



         

↑DA CAPO