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6. April 2011

Der Star an der neuen Orgel

Olivier Latry ist eine Art »Orgel-Netrebko«: Wenn er seines Amtes waltet, gerät das Publikum in Ekstase. Ein Organisten-Phänomen.

Vor zwei Wochen haben noch die wenigsten Musikfreunde in Wien seinen Namen gekannt, heute ist er ein Star: Olivier Latry, Organist von Notre Dame de Paris, hat schon anlässlich der Segnung der neuen Orgel im Goldenen Musikvereins-Saal Ovationen geerntet; nun brillierte er an der Seite des RSO Wien unter Cornelius Meister in der Reihe der Orchesterkonzerte zum Einstand des Prachtinstruments.

Die festlichen Konzerte zur Orgelpräsentation haben es in sich. Gestern musizierte Ludger Lohmann, begleitet von der Wiener Akademie unter Martin Haselböck, der seinen Platz, den er am Abend der Orgelweihe noch als einer der prominentesten österreichischen Organisten einnahm, mit dem Dirigentenpult vertauschte.

Am Montag überzeugte der virtuose Olivier Latry die Wiener, dass Joseph Jongen (1873-1953) eine hörenswerte »konzertante Symphonie« für Orgel und Orchester komponiert hat, ein Stück, das wie vergleichbare Kompositionen der Zeitgenossen Debussy oder Respighi gekonnt die Dur-Moll-Skalen um kirchentonale Reihen erweitert und mit ungemein raffinierten koloristischen Instrumentationseffekten aufwartet. Neues und ein »renovierter« Janacek Die Musiker des ORF-Orchesters nahmen den Dialog mit dem im wahrsten Sinne des Wortes alle Register ziehenden Solisten willig auf und bescherten rauschhafte Klangbäder. Umso schärfer geschnitten war nach der Pause zu agieren. Denn da stand Janaceks "Glagolitische Messe" auf dem Program, in einer editorisch gereinigten Version, die manchen lieb gewordenen rhythmischen Akzent und sogar Solopassagen vermissen lässt, dafür mit komplizierten metrischen Aufgaben gespickt ist.

Vielleicht lag es am enormen Zählaufwand, dass sich die gewohnte pulsierende Energie erst einstellte, als der intensiv und mit Verve agierende Singverein im Gloria seine »Amen«-Rufe in die Schlacht warf. Olivier Latrys energetische Orgelsoli trugen das Ihrige zum veritablen Janacek-Effekt bei. Und das Soloquartett darf festspielwürdig genannt werden: Ljuba Orgonasovas leuchtende Sopranhöhen, Robert Holls gewaltige Basstöne umrahmten die Respekt gebietenden Alt-Phrasen der Iris Vermillion und die hinreißend frei und sicher gesetzten Tenorattacken Michael Schades souverän.

↑DA CAPO