Gerald Pachinger

Ein »Ständchen« im Frühling

21. April 1992

»Frühling in Wien« ist mittlerweile ein Stück guter musikalischer Tradition unserer Stadt.

Das alljährliche beschwingte Konzert der Wiener Symphoniker darf auch als tönende Leistungsschau des Orchesters gelten, die via TV in die halbe Welt übertragen wird. Auch unter dem neuen Chef, Rafael Frühbeck de Burgos, erwiesen die Musiker heuer wieder, daß ihnen international allererster Rang zukommt.

Pachingers Solo

Pars pro toto stand diesmal der erste Klarinettist, Gerald Pachinger, an der Rampe. Er absolvierte ein herrliches Solo - Franz Schuberts »Ständchen« - als charmante Referenz für die geradezu idealen Verhältnisse in der jungen Bläserriege der Symphoniker. Pachinger blies mit einer Hingabe und Phrasierungskultur, die jeden, auch den berühmtesten, Tenor vor Neid erblassen lassen müßte.

Die Kollegen nahmen die Herausforderung an: Das antwortende Pianissimo-Duett der beiden Trompeten erklang so ausdrucksvoll, als gelte es dem Tod des Marquis Posa. Warum das bei Schubert so sein muß, kann nur der Orchestrator Jacques Offenbach beantworten. Daß es so war, nahm für die Musiker ein, die da so wunderbar aufspielten.

Die Frage nach dem Geschmack in der Musik darf bei solchen Anläßen nicht gestellt werden. Bei »Frühling in Wien« ist alles erlaubt, was gefällt. Von Strawinskys karikierender »Circus Polka« bis zum rituellen Feuertanz aus de Fallas »Liebeszauber«.

Die Achse Spanien-Wien war dank der Herkunft des neuen Chefdirigenten diesmal bestimmend. Die Intensität der koloristischen Farbgebung nahm im Laufe des Programms ebenso zu wie die dynamische Kraftentfaltung.

Frühbeck de Burgos und die Symphoniker hatten Lust, anläßlich dieses unterhaltenden Abends all ihre Kunstfertigkeiten auszuspielen - vom sanft beschwingten, behutsam abgetönten »Moment musical« bis zum zündenden Effekt eines Zarzuela-Intermezzos, dessen stampfender Rhythmus die Musiker wohl zu recht heftigen Ausbrüchen, nie aber zu derber, unausgewogener Klangbalance verführte.

So läßt sich Musik schon feiertäglich unbeschwert über die Grenzen schicken: Tönende Leichtfertigkeit, klanglich höchst anspruchsvoll absolviert. Auch wenn hierzulande, im Goldenen Musikvereinssaal zumal, für Johann Strauß'sche »Grüße aus Österreich« vielleicht schon ganz andere Nuancierungen und Verzögerungen gefunden worden sein mögen - die von Frühbeck und den Symphonikern waren diesmal doch in sich alle stimmig.

Viel schöner kann ein Orchester also kaum Werbung machen. Nicht nur für sich selbst.





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