Krutňava

Eugen Suchon, 1941

Eugen Suchons Oper entstand als Beitrag zu den Bestrebungen zur Loslösung der Slowakei von ihrer nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie gepflegten politischen Bindung an die tschechischen Nachbarn. 1940 konfrontierte der Regierungskommissar Úradníček den Komponisten im Rahmen einer Besprechung mit dem Schriftsteller Ján Smrek und dem Literaturprofessor Andrej Mráz mit dem Wunsch nach der Schaffung einer slowakischen Nationaloper. Der Komponisten ging daraufhin auf die Suche nach einer Vorlage, die tauglich sein konnte, einer ersten genuin slowaischen Oper Form zu geben. Die Wahl fiel auf Urbans Novelle Za vyšným mlynom. Während eines Kuraufenthalts skizzierte Suchon bereits erste Szenen - wobei er musikalische Gedanken entwarft, denen erst später der Text des Librettos unterlegt wurde, das er selbst im Verein mit dem Regisseur der Uraufführung, Ján Jamnický, dem Schriftsteller Ján Poničan und nicht zuletzt mit dem auch als Dramatiker bekannten Sänger Štefan Hoz erarbeitete, der anläßlich der Premiere den Ondrej Zimoň sang.

Die Handlung

I

Mädchen finden den toten Ján Štelina am Waldesrand. Jans Geliebte Katrena gesteht, die Nacht bei Jano verbracht zu haben. Die alte Stelina beschuldigt das Mädchen, ihren Sohnes in en Tod getrieben zu haben.

II
Die Polizei untersucht den Todesfall, kommt aber zu keinem Ergebnis. Katrenas Familie bedrängt das Mädchen, Ondrej Zimoň, der seit langem um sie wirbt, das Jawort zu geben. Nur die alte Štelina besteht darauf, Katrena müsse in Trauer um ihren Jan unverheiratet bleiben. Den Mörder ihres Sohnes will sie selbst finden.

III
Katrena muß gegen ihren Willen den reichen Ondrej Zimoň heiraten. Die prachtvolle Hochzeit wird von Stelina unterbrichen, die die Braut des Meineids bezichtigt. Ondrej weist sie wütend zurück.

IV
Ein jahr später. Katrena singt ihrem kleinen Buben ein Wiegenlied. Ihren Freunden klagt sie, von Ondrej schlecht behandelt zu werden. Der alte Štelina gesteht sie, nur Jan geliebt zu haben. Die Mädchen stellen Ondrej zur Rede. Allein mit Katrena, empört er sich über die Anschuldigungen und die Behauptungen, sein Kind ähnle dem toten Jan.

V
Auf dem Heimweg vom Wirtshaus erreicht der betrunkene Ondrej jenen Waldweg, auf dem er einst Jan getötet hat. Der Tote erscheint ihm in einer Wahnvorstellung. Ein frommer Gesang, der von Ferne zu hören ist, läutert ihn. Er will die Tat gestehen.

VI
Ostern. Das Dorf feiert. Ein Schuß ertönt. Während man nach der Ursache forscht erscheint Ondrej und gesteht den Eifersuctsmord an Jan. Als er abgeführt wird, gesteht ihm Katrena, ihr Sohn sei sein, Ondrejs Kind. Es bleibt in Schwebe, ob sie die Wahrheit sagt oder Ondrej den Abschied leichter machen möchte. Štelina aber verzweifelt: Ihre Hoffnung, der Bub sei ihr Enkel, ist zunichte gemacht worden.
Der Schlußchor feiert den Sieg der Wahrheit und die Versöhnung des Menschen mit der Natur.

Das Werk

Das Werk, musikalisch eine gekonnte Mixtur aus expressionistisch-veristischer Klangsprache und folkloristischen Elementen, war 1941 beendet. Doch konnte die Uraufführung erst 1949 stattfinden. Der Erfolg war durchschlagend. Die slowakische Publizistik nutzte die Chance zur Abgrenzung in Richtung Prag. Unter anderem hieß es in einer Rezension:

Endlich hat die slowakische Kunst ihren ernsthaftesten Ausdruck gefunden hat. Suchons Musik zu »Krutňava« beleuchtete die psychologischer Ereignisse mit feurig-emotionalem Tiefgang. ... Fest verwurzelt in der heimischen Tradition, erstrahlt das Volksleben in reinsten Farben, poetisch und kraftvoll. ... Die slowakischen Musik wird feste Gestalt annehmen und »Krútňava« wird einer der wichtigsten Meilensteine bleiben ...

Die Kulturpolitik des neuen, wieder vereinigten tschechoslowakischen Staates sah das ganz anders. Man zwang Suchon zu weitreichenden Änderungen im Libretto und sogar zu einem Neuarrangement der zwischenmenschlichen Beziehungen. Jedenfalls sollten alle christlichen Elemente getilgt werden.

In dieserart entstellter Form kam Krutňava Anfang der Fünfzigerjahre heraus. Erst ein Jahrzehnt später wagte man sich wieder an eine Version, die dem Original näherstand. Erst lange nach Ende der kommnistischen Diktatur und der Trennung der Wiedergründung einer eigenständigen Slowakei durfte die alte Štelina wieder ihre Gebete an den Lieben Gott singen.



Aufnahmen

Von der Uraufführungs-Produktion des Jahres 1949 gibt es einen Mitschnitt, der als historisches Tondokument im slowakischen Rundfunk aufbewahrt wird. Die wiederhergestellte Originalfassung wurde im Digitalzeitalter mit Gabriela Beňačková in der Hauptrolle für CD aufgenommen.





↑DA CAPO