Dido und Aeneas
Henry Pucell
London, um 1688
PERSONEN
Karthago nach Ende des Trojanischen Krieges
HANDLUNG
1. Akt
Der Trojaner-Fürst Aeneas macht auf der Flucht aus seiner zerstörten Heimatstadt Halt in Karthago. Seine Erzählungen bezaubern den Hofstaat - vor allem aber Königin Dido, deren Hofdame Belinda ihr zurät, ihre Liebe zu offenbaren.
2. Akt
Auch Aeneas ist verliebt - und vergißt seinen göttlichen Auftrag, von Troja aufzubrechen, um an den Gestaden Italiens zu landen und ein neues Reich zu gründen. Die Hexen nehmen das zum Anlaß, das Jagdglück von Dido und Aeneas empfindlich zu stören, in dem sie ein Gewitter heraufziehen lassen.
Indessen erscheint der Geist Merkurs und gemahnt Aeneas an seine Sendung.
Der Held ist verzweifelt, Dido zurücklassen zu müssen.
3. Akt
Dido glaubt, in den Tränen des Aeneas pure Heuchelei zu erkennen. Als er beschließt, doch in Karthago zu bleiben, erinnert sie ihn in einer impulsiven Auseinandersetzung an seine von den Göttern auferlegten Pflichten.
Nachdem die Flotte in See gestochen ist, nimmt sich die Königin das Leben.
SINKOPHON
Daß die verbriefte Aufführung in einem Mädchenpensionat in Chelsea in der Saison 1688/89 tatsächlich die Uraufführung dieses bedeutendsten englischen Musiktheaterwerks des Barock vor der Landnahme Georg Friedrich Händels gewesen sein soll, ist höchst fraglich. Tatsächlich steht Dido und Aeneas musikhistorisch und vermutlich auch aufführungsgeschichtlich in engem Konnex zu → John Blows Venus and Adonis, zu einem Werk also, das nachweislich 1681 in Oxford uraufgeführt wurde und das in seiner Faktur starke Ähnlichkeiten zu Purcells Meisterwerk aufweist.
Wie Purcells »Masque« ist auch Dido und Aeneas eher an der französischen Musiktheatermode jener Zeit orientiert als an der italienischen: Kurze ariose Momente wechseln mit Rezitativen, Chor- und Ballettszenen in bunter Reihung.
Didos Abschluß-Lamento ist einer der schönsten barocken Klagegesänge über dem allseits für diese Zwecke verwendeten, absteigenden chromatischen Baß, die je komponiert worden sind. Die Hexen-Chöre sind von zündender Dramatik, das Abschieds-Duett zwischen Dido und Aeneas ein bemerkenswerter Dialog zweier starker Persönlichkeite:. Hier wird Purcell ganz zum musikalischen Psychologen, der die Formensprache ganz aus der dramatgurgischen Notwendgkeit heraus erfindet. hat.
Eine Deutung der Partitur, die Originalklang-Erkenntnisse mit den überkommenen Ausdrucksmitteln der großen Oper versöhnt, wenn auch letztere durchaus zu dominieren scheinen, gelang Raymond Leppard mit Jessye Norman und Thomas Allen.
Barocke Musiktheater-Meisterschaft auch für »Einsteiger« genießbar. (Philips)