Der arme Matrose

Le pauvre matelot

Darius Milhaud

Paris, 1927
PERSONENDer Matrose (Tenor) – Seine Frau (Sopran) – Sein Schwiegervater (Baß) – Sein Freund (Bariton).

Eine französische Hafenstadt um 1900


Ein Klagelied in drei Bildern nennen der Komponist Darius Milhaud und sein Textdichter Jean Cocteau ihre Kurz-Oper, die im Dezember 1927 in der Pariser Opéra Comique uraufgeführt wurde. Milhaud schuf mit dem Werk ein musikdramatisches Pendant zu seinen Kammersymphonien, in denen er die klassische Form auf kleinstem Raum verdichtet hatte.

DIE HANDLUNG

Seit 15 Jahren wartet die Frau auf die Rückkehr ihres Mannes, der als Matrose auf See verschollen ist. Alle Werbungen des Freundes ihres Mannes weist sie ab.
Eines Tages kehrt der Mann zurück, nimmt als erstes jedoch mit seinem Freund Kontakt auf. Er erzählt ihm, zu großem Reichtum gekommen zu sein. Seine Frau möchte er aber zunächst nur unerkannt wiedersehen. Der Freund lädt ihn ein, die Nacht bei ihm zu verbringen. – Am nächsten Morgen gibt sich der Matrose als Kamerad ihres Mannes aus, der bald zurückkehren werde, leider als armer Schlucker, während er es zu Reichtum gebracht habe. Eine kostbare Perlenkette soll Zeugnis davon ablegen. - Die Frau und ihr Vater bieten dem Fremden ein Lager für die Nacht. - In der Nacht erschlägt die Frau den Matrosen mit einem Hammer, um ihm die Kette zu rauben. Dem Vater gesteht sie: Sie hatte davon geträumt, ohne Geldsorgen mit ihrem Mann zu leben. Als der Freund an der Tür klopft, erhält er keine Antwort. Er glaubt, der Matrose schlafe noch und geht wieder davon. Verstohlen versenken Vater und Tochter die Leiche des Matrosen in der nahen Zisterne.

Der arme Matrose ist ein Schwesterstück der Kammeroper Les malheurs d'Orphée von 1925, mit denen Milhaud seine Serie von Kammeropern eröffnet hat. Das Werk basiert auf einer wahren Begebenheit. Jean Cocteau schrieb den Text im Ton alter Seefahrer-Erzählungen wie Alfred Lord Tennysons Enoch Arden, den Richard Strauss zu einem Melodram gemacht hatte und mit dem der arme Matrose eine gewisse Verwandtschaft aufweist. Milhauds holzschnittartig einfache, dissonanzgeschwängerte Musik beschwört durch die Einarbeitung von Tanzmusik, wie sie in billigen Spelunken gespielt wird, die Atmosphäre von Hafenstädten wie Marseille, doch konstatierte etwa der Musikschriftsteller Hans H. Stuckenschmidt bei aller Anlehnung an die Populär-Musik an dem knapp und klar ausgearbeiteten Sujet einen Zug zur antiken Tragödie.

Für die deutschsprachige Erstaufführung, 1929, erarbeitete übrigens die Textdichterin von Arnold Schönbergs Erwartung, Marie Pappenheim, die Übersetzung. Gustav Gründgens inszenierte an diesem Abend in der Berliner Kroll-Oper (an dem außerdem Ravels L'heure espagnole und Jacques Iberts Angélique gegeben wurden, sein Debüt als Opernregisseur.



↑DA CAPO