Christophe Colombe
Darius Milhaud
Berlin, 1930
Milhaud war
begeistert über „Die große Vielfalt der Szenen und den enormen rhythmischen Elan,
der dieses Drama vorantreibt“. Von Max Reinhardts Gigantomanie blieb die
Forderung nach Zuspielung von mehr als vierzig Minuten an Filmsequenzen und
hunderten von Dias. Die Lust der Opern-Intendanten, ein solch aufwendiges
Spektakel zu produzieren hielt sich daher stets in Grenzen. Obwohl die
Uraufführung in Berlin - unter der Leitung von Erich Kleiber - ein eminenter
Erfolg war. Dieser Premiere waren über 100 Chorproben vorangegangen - die
Anforderungen an die Chorsänger sind enorm, ein weiterer Grund für die
zögerliche Akzeptanz des höchst effektvollen Stücks.
Die Großform der
„Christophe Colombe“ ist auf den ersten Blick dagegen vergleichsweise simpel.
Das Werk ist in viele kleine Szenen aufgeteilt, die durch gesprochene Dialoge
und - ganz im Stil der Ära Bert Brechts -
kommentierende Moderationen verbunden werden.
Bemerkenswerterweise
haben wenig später auch Werner Egk (1932) und Arthur
Honegger die Figur des Columbus in ähnlich strukturierten Rundfunk-Opern in den
Fokus gerückt. Doch keiner von beiden Komponisten treibt die Ansprüche an den
Chor auch nur annähernd in so heikle Regionen wie Milhaud - der ursprüngliche
Plan, das Werk in Paris herauszubringen, scheiterte daran!
Die Effekte die
Milhaud, immer ausgehend von einfachen Grundmustern erzielt, sind enorm: Oft
verwirren sich die zunächst simplen motivischen Strukturen im Zuge der
dramatischen Situation heillos - Schlüsselszenen wie die Meuterei, in deren Tohuwabohu ein jäh hereinbrechender B-Dur-Akkord
den Aufschrei: „Land in Sicht!“ begleitet ist so eindrucksvoll wie die
harmonisch ausschweifende Schilderung des tosenden Meers, das von den
heidnischen Gottheiten zur Vernichtung der christlichen Seefahrer aufgewühlt
wird. Vergebens, versteht sich, denn Columbus führt das Zeichen des rechten
Glaubens voran.
Da die einzelnen Szenen nicht musikalisch miteinander verbunden sind, konnte der Komponist in späteren Bearbeitungen Umstellungen vornehmen, die neue dramaturgische Überlegungen widerspiegeln. Für die Premiere in Buenos Aires, 1952, fertigte Milhaud eine Fassung seines Werks an, die nicht mit dem Tod des Titelhelden, sondern mit der Entdeckung Amerikas schließt. Claudel hatte eine Rahmenhandlung vorgesehen, um Columbus’ Lebensweg an seinem Totenbett als Vision noch einmal Revue passieren zu lassen.
Im Mai 1956 kam es - spät, aber doch - zur Erstaufführung des Werks (in der Fassung von 1952) in Paris, konzertant durch die Kräfte des französischen Rundfunks unter der Leitung von Manuel Rosenthal. Robert Massard sang den Columbus, Janine Micheau die Königin Isabella. Das Rundfunkband diente 50 Jahre später als Grundlage für die erste CD-Edition. (ina)