Der Roland von Berlin

Ruggero Leoncavallo (Berlin, 1904)

Text vom Komponisten

PERSONEN DER HANDLUNG Friedrich, Kurfürst von Brandenburg (Baß) _ Konrad von Kniprode, sein Begleiter (Baß) - Johannes Rathenow, Bürgermeister (Bariton) - Elsbeth, seine Tochter (Sopran) - Henning Molnar, Tuchwirker (Tenor) - Gertrud, Elsabeths Tante (Alt) - Bartholomäus Schumm, Ratsherr (Baß) - Eva und Melchior, seine Kinder (Sopran, Bariton) - Thomas Wintz, Ratsherr (Bariton) - Riecke, Ratsherr - Ein Ausrufer - Ferbirth, Barbier (Baß) - Matthäus, Diener (Bariton) - Markensprung, Hausierer (Baß) - Baruch, Jude (Tenor) -


Wenn der Meister des Bajazzo in die Schatzkiste der deutschen Operntradition greift und Musik schreibt, die mehr als einmal nach unverhohlenem Wagner-Epigonentum klingt, sein Werk aber andererseits an manchen Stelle dem Operettenstil annähert, dann hat das handfeste Gründe: Der Roland von Berlin entstand über direkten Auftrag des deutschen Kaisers Wilhelm II.
Und das kam so:
Wilhelm hatte Leoncavallos Oper Die Medici anläßlich ihrer Berliner Erstaufführung erlebt, ein ehrgeiziges, musikalisch wie szenisch dick aufgetragenes Bühnen-Portrait der florentinischen Herrscher-Familie. Leoncavallo wollte diese Oper zum ersten Teil einer Trilogie machen, deren weitere Versatzstücke über das Skizzenstadium nicht hinauskamen: Savonarola und Cesare Borgia wurden nie vollendet. Und auch die Medici waren auf Dauer nicht erfolgreich.

Kaiser Wilhelm aber war beeindruckt: Das war der Stil, in dem er sich eine Verherrlichung seines Hohenzollern-Geschlechts erträumte. Im Sprechtheater hatte mit Joseph von Lauffs 1897 in Köln uraugeführtem Stück Der Burggraf auch schon ein erster Versuch stattgefunden. Der Roland von Berlin nach der Novelle von Willibald Alexis sollte nun den Lobpreis Friedrichs II. singen - und Leoncavallo sollte die Musik dazu komponieren. Der Kaiser ließ sogar Alexis' Original ins Italienische übersetzen und dem Komponisten übersenden.

Der imperiale Wille war Leoncavallo Befehl: Nicht Savonarola sondern Roland folgte in seinem Werk-Katalog den Medici nach. Das Libretto schrieb er selbst. Die Uraufführung der Oper - in einer allgemein als mißlungen bezeichneten deutschen Übersetzung - in der Lindenoper war gläzend besetzt, Emmy Destinn sang die weibliche Hauptrolle der Berliner Bürgermeisterstochter Elisbeth. Geraldine Farrar, Wilhelm Grüning und Baptist Hoffmann waren mit von der Partie.

Die italienischsprachige Originalfassung erklang erstmals in Neapel, konnte sich aber nicht auf den Spielplänen durchsetzen, obwohl Leoncavallo diese Partitur für seine beste hielt. Die Berliner Erstproduktion stand aber immerhin mehr als drei Dutzend Male auf dem Programm.

Die Handlung der Oper steht einer dauerhaften Wirksamkeit mehr im Wege als Leoncavallos eklektische Musik, die teilweise höchst wirkungsvoll ist. Aber das an die Meistersinger erinnernde Gewirr der Honoratioren und Handwerker inklusive eines sich inkognito unters Volk mischenden Landesherrn macht den ersten Akt höchst unübersichtlich und allzu vollgepfropft mit Episoden. Und das Happy End der Geschichte besteht in diesem Fall aus dem Kniefall widerspenstiger Ratsherren vor dem rechtmäßigen Hohenzollern-Fürsten. Der jugendliche Held aber, der dieses Ende durch seinen mutigen Einsatz herbeigeführt hat, ist - notabene hinter der Szene - aus Versehen von den Truppen des Kurfüsten erschlagen worden. Die Bürgermeisters-Tochter, die sehnsüchtig seine Heimkehr erwartet, muß inmitten des allgemeinen Siegesjubels traurig zurückbleiben.

Aufnahme

In Berlin hat man sich des einstigen Auftrags an einen der erfolgreichsten Komponisten des Verismo in den Sechzigerjahren noch einmal besonnen und eine konzertante Aufführung gewagt, die mitgeschnitten wurde.


↑DA CAPO