Costanza e Fortezza
Johann Joseph Fux (1723)
Festa teatrale per musica
Libretto von Pietro Pariati
Das Werk
1723 wurde Karl VI. zum König von Böhmen gekrönt. Das Land war gebeutelt von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges und dem darauffolgenden »dunklen Zeitalter« in der böhmischen Geschichte. Anfang des XVIII. Jahrhunderts begann freilich ein neues, bessere Zeitalter für Böhmen und Mähren. So war es möglich, in Prag ein prunkvolles Krönungsfest auszurichten, zu dem
Antonio Cesti die Festoper Il pomo d’oro beisteuerte, eines der aufwendigsten Beispiele für ein typisch barockes Musiktheater-Spektakel. Ein eigens dafür errichtetes Freilichttheater auf dem Gelände der Prager Burg bot den Rahmen für die einzige Aufführung der Novität am Namenstag der Kaiserin. Der Architekt und Bühnenbildner Giuseppe Galli-Bibiena (1696-1757) entwarf nicht nur die Dekorationen für die Oper, sondern gleich auch das gesamte Theater, dessen Bühne 20 Metern breit und 70 Meter tief war - für damalige Verhätnisse enorme Ausmaße). Das Bühnenportal bildeten zwei Türme mit bizarren Kuppeln. Aus den Loggien bliesen zwei Trompetenchöre stereophon ihre Fanfaren.
Der Wiener Hofpoet Pietro Pariati (1665-1733), Vorgänger des später so berühmten Pietro Metastasio, dichtete des Libretto. und wählte den persönlichen Wahlspruch des Kaisers, Costanza e fortezza, gleich zum Titel.
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Die Kulissen konnte man wie Buchseiten auf- und zuklappen. Die allegorischen Figuren schwebten nicht - wie in den barocken Theatern gewohnt, vom Schnürboden herab - den es nicht ab - sondern stiegen durch Falltür-Konstruktionen aus dem Boden herauf. Die kaiserlichen Handwerker leisteten ganze Arbeit: Die Verwandlungen ereigneten sich rasch beinah völlig geräuschlos.
Nur Johann Joseph Fux, der renommierteste Komponist des Habsburger-Reichs kam als Komponist für ein derart aufwendiges Spektakel in Frage.
Costanza e Fortezza wurde denn auch zum prachtvollsten von dessen 19 Musiktheater-Werken. Fünfeinhalb Stunden dauerte die Vorstellung, 200 Instrumentalisten und 100 Sänger waren beteiligt. Jeder der drei Akte sschloß nach französischem Vorbild mit einem großen Ballett zur Musik des kaiserlichen Ballettkomponisten Nicolò Matheis. Die kasierliche Hofkapelle wurde durch berühmte Musiker aus ganz Europa verstärkt, darunter die musizierenden Komponisten Gottlieb Muffat, Johann Joachim Quantz (Flöte), Carl Heinrich Graun (Cello) und Sylvius Leopold Weiss (Laute). Quantz überliefert in seinen Erinnerungen seinen Eindruck von der Musik des
alten, berühmten Fux - sie war mehr kirchenmäßig als theatralisch eingerichtet; dabey aber sehr prächtig. Das Concertiren und Binden der Violinen gegen einander, welches in den Ritornel- len vorkam, ob es gleich größtentheils aus Sätzen bestand, die auf dem Papiere öfters steif und trocken genug aussehen mochten, that dennoch hier im Großen, und bey so wahlreicher Besetzung, eine sehr gute, ja viel bessere Wirkung, als ein galanterer, und mit vielen kleinen Figuren, und geschwinden Noten gezierter Gesang in diesem Falle gethan haben würde. […] Die vielen Chöre in der Prager Oper, dieneten, nach französischer Art, zugleich zu Balletten. Die Scenen waren alle durchscheinend erleuchtet. Wegen der Menge der Ausführer gab der Kayserliche Capellmeister [Antonio] Caldara den Takt. Der alte Fux selbst aber, welchen, weil er mit dem Podagra beschweret war, der Kayser in einer Sänfte von Wien nach Prag hatte tragen lassen, hatte das Vergnügen, diese so ungewöhnlich prächtigen Aufführung seiner Arbeit, ohnweit des Kaysers, sitzend anzuhören. [...] Die Chöre waren mit Schülern und Kirchensängern aus der Stadt besetzt. Weil nun wegen Menge der anwesenden Menschen, vielen, auch sogar Personen von vornehmen Stande, der Eingang in der Oper versperret war, so ließen meine beiden Gefährten und ich uns auch mit zum Orchester anwerben.
Die Aufführung ging jedenfalls in die Geschichte ein - wie sooft in solchen Fällen blieb es bei einer einzigen Aufführung.
Die Partitur landete im kaiserlichen Hofarchiv in in Wien und wurde erst zwei Jahrhunderte später von der Musikwissenschaft wieder aufgespürt.
Egon Wellesz edierte das Werk für den Band 17 der Reihe Denkmäler der Tonkunst in Österreich (1910) und schrieb das wertvolle Vorwort zu der Ausgabe. Das Originalmanuskript ist mittlerweile nicht mehr auffindbar. Wellesz‘ Ausgabe ist die einzige Quelle, die wir heute besitzen.
Von einer Wiederbelebung des Werks sind wie angesichts der enormen Anforderungen weit entfernt. Howard Arman leitete im Oktober 1991 eine konzertante Wiedergabe der Oper im Wiener Musikverein, von der ein Livemitschnitt kursiert und zeitweilig auch auf youtube zu finden war. An einen szenischen Versuch mit diesem - so Wellesz » Markstein auf dem Wege der Wiener Oper, der vom ‚Pomo d’oro’ zum ‚Orfeo’ von Gluck führt« muß sich erst ein Originalklang-Apostel wagen.
Die Handlung
Personen der Handlung
Publio Valerio, römischer Konsul - Baß
Porsenna, König der Ertrusker, liebt Valeria - Alt
Tito Tarquinio, Sohn des Lucius Tarquinius Superbus, liebt Clelia - Sopran
Valeria, Tochter des Publio Valerio, Verlobte Muzios - Sopran
Clelia, adlige römische Jungfrau, Geliebte Orazios - Alt
Muzio, Verlobter Valerias - Alt
Orazio, Geliebter Clelias - Tenor
Erminio, Sohn des Publio Valerio, liebt Clelia - Sopran
Der Fluß Tiber und der Genius Roms, Allegorien - Tenor
Rom, um 500 v. Chr.
I. Akt
Die angreifenden Etrusker und ihre römischen Gefangenen räsonieren über die miltiärische Lage. Da steigt aus dem Tiber eine Fontäne auf: An der Spitze thront der Flußgott, der Rom seinen Beistand verheißt.
Porsenna verhandelt mit Publio Valerio und macht ein Friedensangebot, das abgelehnt wird, obwohl Porsenna anbietet, Publios Kinder freizulassen, die in Geiselhaft. Den neuerlichen Angriff der Etrusker kann Orazio zurückschlagen, der sich den Feinden heldenhaft entgegenstellt, während hinter seinem Rücken die Subliciusbrücke abgebrochen wird.
II. Akt
Muzio, der vergeblich versucht, Valeria zur Flucht zu überreden, unternimmt einen erfolglosen Mordanschlag auf Porsenna. Gefangen, hält er zum Zeichen seines Mutes eine Hand ins Feuer, um sie zu versengen. Porsenna schenkt ihm daraufhin die Freiheit. Orazio, Tarquinio und Erminio geraten in heftige Auseinandersetzungen um Clelia; Porsennas Einschreiten verhindert einen offenen Kamp.
III. Akt
Erminio kann Clelia daran hindern, den zudringlichen Tarquinio mit dessen eigenem Schwert zu töten. Valeria weist Porsenna zurück, der ihre Hand als Preis für den Frieden begehrt. Tarquinio schmäht die Römer und beschuldigt Orazio an, Clelia zur Flucht verholfen zu haben. Doch Publio bringt die Entflohene zurück, die nun Tarquinio anklagt. Porsenna gibt daraufhin seinen kriegsmüden Etruskern nach und gewährt seinen von den Göttern beschützten Feinden den Frieden.