Pénélope

Gabriel Fauré (1913)

Das Werk

Die Schweizer Wagnerheroine Lucienne Bréval (1869-1935) regte Gabriel Fauré eines Tages dazu an, endlich eine abendfüllende Oper zu komponieren. Auf des Komponisten Replik, er habe noch kein passendes Libretto gefunden, reagierte die Sängerin prompt: Sie stellte den Kontakt zwischen Fauré und dem jungen Dramatiker René Fauchois (1882-1962) her, dessen Boudu sauvé des eaux viel später dank Jean Renoir brillanter Verfilmung Berühmtheit erlangen sollte. Fauchois hatte gerade einige Szenen aus den abschließenden Gesängen von Homers Odyssee zu einem Theatertext geformt. Fauré fing Feuer und begann sofort, den Text aus fünf langatmigen Akten auf drei zu verdichten. Nebenhandlungen fielen fort, Telemachos tritt nicht mehr in Erscheinung.

Fauchois hat noch nicht begriffen, wie die Musik die Worte streckt. Ein Text, den man in wenigen Minuten rezitieren kann, dauert mindestens dreimal so lange, wenn er gesungen wird. ... Viele Verse zu eliminieren, ohne daß der Sinn verloren geht, das ist keine ganz einfache Aufgabe.

Bei alledem wußte Fauré um das dramaturgische Problem, daß die Titelheldin Duette mit ihrem eigenen Ehemann singt, ohne ihn wiederzuerkennen.

Ende
August 1912 setzte Fauré den Schlußstrich hinter die Partitur in Lugano (als Direktor des Pariser Conservatoire nutzte er stets die Ferienmonate für seine kompositorische Arbeit). Die Musik arbeitet durchaus mit leitmotivischen Elementen, webt diese aber in den symphonischen Fluß der Musik unaufdringlich ein. Zu diesen Zwecke skizzierte Fauré akribisch alle Möglichkeiten der motivischen und koloristischen Verwandlung seiner Themen, wie er seiner Frau in einem Brief erläutert. Die auf diese Weise erreichte musikalische Feinabstimmung erlaubte ihm subtile Zeichnungen psychologischer Vorgänge, die oft auf kleinste Veränderungen reagiert. In diesem Zusammenhang sprach Fauré einmal davon, ein musikalische Motiv müsse unter Umständen auch einmal »ein Pfauenrad schlagen« können...
br> Penelope wird denn dank seiner Musik von den Freiern nach allen Regeln der Kunst umworben, was ihre Standhaftigkeit umso heroischer erscheinen läßt.
br>Das Finale des Zweiten Akts und einige Passagen aus der Schlußszene der Oper hat Fauré nicht selbst in Partitur gesetzt, sondern dem jungen Komponisten Fernand Pécoud (1879-1940) überlasen.

Lucienne Bréval, die den Ausschlag zur Komposition gegeben hatte, sang im März 1913 im Opernhaus von Monte Carlo die Titelpartie anläßlich der Uraufführung. Für die Pariser Erstaufführung erweiterte Fauré das zentrale Duett Penelope/Odysseus im Zweiten Akt. Doch das private Théâtre des Champs-Elysées, das Pénélope im Mai 1913 herausbrachte - übrigens kurz nach dem weltweit beachteten Skandal der Uraufführung von Strawinskys Sacre du Printemps, ging kurz darauf bankrott.

Die Pariser Kritik hatte nach den Dissonanz-Eskapaden Strawinskys für Faurés dezente, klassizistische Kunst der leisen Töne kaum noch ein Ohr. Das Werk wurde international hie und da wieder aufgenommen, konnte aber keinen Platz im großen Repertoirekanon erobern - und das, obwohl sich Interpretinnen wie Régine Crespin oder Jessye Norman bereit erklärten, die Pénélope zu singen. Über den frankophonen Raum ist das Werk nie wirklich hinausgedrungen.



Personen der Handlung
Ulysse, König von Ithaka - Tenor
Eumée, ein alter Hirt - Bariton
Antinous - Tenor
Eurymaque - Bariton
Léodès - Tenor
Ctésippe - Tenor
Pisandre - Tenor
Ein Schäfer - Tenor
Pénélope, Königin von Ithaka - Sopran
Euryclée, die Amme - Mezzosopran
Cléone - Alt
Mélantho - Sopran
Alkandre - Alt
Phylo - Sopran
Lydie - Sopran
Eurynome, Gouvernante - Mezzosopran

Im antiken Griechenland

Die Handlung

I. Akt

Die Mägde unterhalten sich über ihre Herrin, die kein Ohr hat für die Anträge ihrer zudringlichen Freier, die gerade wieder lärmend in den Palast eindringen, um die Königin zu sehen. Penelope weist sie erneut zurück: Sie fühlt sich verpflichtet, das Leichentuch für Laertes zu weben, ehe sie an Wiederverheiratung denken kann.

In Wahrheit trennt sie die Fäden des Tuches Nacht für Nacht wieder auf, um ihrem Gatten Odysseus nicht untreu zu werden. Sie allein glaubt, daß er noch am Leben sein könnte. Ein Bettler, von allen verspottet, erscheint. Nur die alte Amme Euryclée erkennt Odysseus an einer Narbe am Bein, doch verbietet er ihr, Penelope die Botschaft zu überbringen.

Penelope wird dabei ertappt, daß sie das Leichentuch heimlich wieder auftrennt. Eine Heirat wird für den kommenden Tag anbefohlen. Odysseus, nach wie vor im Gewand des Bettlers, verkündet ihr, der Gemahl werde zurückkehren. Penelope will einen Hügel ersteigen, um nach dem Schiff Ausschau zu halten.

II. Akt

Odysseus folgt ihr und gibt ihr den Rat, am folgenden Morgen jenem Freier ihre Hand zu versprechen, der imstande sei, den Bogen des Odysseus zu spannen. Als Penelope gegangen ist, feiert Odysseus mit den Hirten der Gegend seine Wiederkehr.

III. Akt

Anderntags versteckt er im großen Saal sein Schwert unter dem Thronsessel. Nach Musik und Tanz versuchen die Brautwerber den Bogen zu spannen. Sie scheitern alle. Nur der verkleidete Odysseus vollbringt das Werk - um danach mithilfe der treuen Hirten die Freier zu töten. Mit Penelope freut sich der wiedergefundene König auf eine blühende Zukunft - und singt einen Lobgesang auf Göttervater Zeus.

↑DA CAPO