Il matrimonio segreto
Zwei Monate nach Mozarts Tod: Kaiser Leopold II. ließ Domenico Cimarosas gesamte Oper da Capo geben
Uraufführung: Februar 1792 (Wien)
PERSONEN DER HANDLUNG
Geronimo, ein reicher Kaufmann (Baß) – Elisetta, seine ältere Tochter (Sopran) – Carolina, seine jüngere Tochter (Sopran) – Fidalma, seine Schwester, eine reiche Witwe (Mezzosopran) – Graf Robinson (Baß) – Paolino, Handlungsgehilfe (Tenor). Bologna, XVIII. Jahrhundert1. Akt
Geronimo ist als Händler reich geworden und möchte nun, daß seine Töchter adelige Männer finden. Doch die jüngere, Carolina, hat längst Paolino geheiratet – aber klammheimlich, aus Angst vor dem väterlichen Veto. Das junge Paar hofft auf den Segen Geronimos, wenn Elisetta, die ältere der Schwestern, einen Edelmann für sich gewinnen kann. Paolino versucht daher, den verarmten Grafen Robinson, für das Mädchen - und deren reiche Mitgift - zu interessieren. Elisetta sieht sich schon als Gräfin, als sie erfahren muß, daß der Graf versehentlich Carolina für seine Braut gehalten hat und sich sofort in sie verschaut hat - was auch Paolinos in begreifliche Verwirrung stürzt.
Carolina versichert ihrem gräflichen Verehrer zwar, gar keine Neigung für ihn zu verspüren - doch Elisetta wittert Verrat; und die alte Tante Fidalma kokettiert zu allem Überfluß noch mit Paolino, was das Final-Tohuwabohu vollständig macht.
2. Akt
Der Graf hält erneut um Carolinas Hand an und ist sogar bereit auf die Hälfte der Mitgift von 100.000 Scudi zu verzichten. Geronimo willigt freudig ein, während Paolino in Ohnmacht fällt, weil Fidalma ihm ihre Liebe gesteht. Elisetta versucht in Verein mit Fidalma ihre jüngere Schwester, die Konkurrentin um die Gunst des Grafen, ins Kloster zu bringen. Geronimo muß einwilligen. Carolina udn Paolino versuchen zu fliehen, werden aber gestellt - und müssen das Geheimnis ihrer » heimlichen Ehe« lüften. Elisetta bekommt ihren Grafen. Die Witwe Fidalma geht leer aus.
Das Werk
Wie viel später Igor Strawinskys The Rake's Progress geht auch Il matrimonio segreto auf einen Bilderzyklus von William Hogarth zurück: Marriage à la mode (1745) war in Stichen in ganz Europa verbreitet und kam in Paris bereits 1768 mit Musik von Joseph Kohout als Le mariage caché auf die Bühne.Bei Hogarth wird der Sohn des bankrotten Earl Squanderfield mit der Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns verkuppelt.
Zwei Jahre vor Cimarosas Vertonung der Geschichte erlebte die Oper Le mariage clandestin von François Devienne auf ein Libretto des Vicomte de Ségur in Paris ihre Uraufführung.
Cimarosas Librettist Bertati nahm der Vorlage allen Zynismus und näherte das Stück einer von Goldoni inspirierten »mezzo-carattere«-Ästhetik an, die neben Elementen der Karikatur zur Charakterisierung der Personen auch empfindsame Momente zuläßt. Der reiche Kaufmann, der nach einem Adesltitel strebt, wird hingegen nirgends desavouiert.
Cimarosa setzt damit eine Linie fort, deren erste idealtypische Ausprägung mit → Piccinis Buona figliuola (1760) erreicht war. Musikalisch ist Matrimonio deutlich vom Buffo-Stil Mozarts und Haydns beeinflußt, ohne deren psychologischen Tiefgang auch nur annähernd zu erreichen. Eher bildet das Werk mit seinen komischen Staccato- und Repetitions-Effekten (Finale I!) eine Brücke zur Komödiantik Rossinis - es kam wenige Wochen vor dessen Geburtstag zur Uraufführung . . .
Historisch belegt ist die Begeisterung der Wiener Uraufführungs-Gäste und des Hofes. Nach der zweiten Aufführung befahl Kalser Leopold II., die Aufführung nach einer längeren Pause am selben Abend komplett noch einmal zu spielen. wiederholt.
Für eine international beachtete Wiederbelebung des Interesses im XX. Jahrhundert sorgte der Goldoni-Spezialist Giorgio
Strehler, der Il matrimonio segreto zur Eröffnung seiner Piccola Scala 1955 inszenierte.
Sechs Jahre zuvor hatte Mario Rossi das Werk mit dem Ensemble der Mailänder Scala und einer illustren Sängerbesetzung der Vergessenheit entrissen: Der Livemitschnitt beweist trotz katastrophaler Klangqualität, daß da große Stimmen großes Vokaltheater geboten haben, das freilich stilistisch hie und da ein wenig übers Ziel schießt. Überdies geht es bei dieser Aufführung hie und da drunter und drüber. Doch war damit die Bühnentauglichkeit von Cimarosas Musik erwiesen:
Carolina - Alda Noni
Elisetta - Hilde Gueden
Paolino - Tito Schipa
Geronimo - Sesto Bruscantini
Fidalma - Fedora Barbieri
Il conte Robinson - Boris Christoff.
Technisch besser ist die ein Jahrzehnt später entstandene Aufnahme vom Maggio musicale Florenz unter Manno Wolf-Ferrari, wo wiederum Alda Noni zu erleben war, diesmal an der Seite von Giulietta Simionato, Sesto Bruscantini und Cesare Valletti.
Ebenfalls mit vergleichsweise dickem Pinsel malte Jahrzehnte später Daniel Barenboim in den Anfängen seiner Dirigentenkarriere die Partitur mit dem English Chamber Orchestra aus. Die Besetzung dieser ersten technisch ausgefeilten Stereo-Studioaufnahme ist nicht mehr ganz so luxuriös wie die von 1949, liest sich aber immer noch imposant mit Julia Varady, Arlen Auger, Julia Hamari, Dietrich Fischer-Dieskau und Ryland Davies. (DG)