Maschinist Hopkins
Max Brand (1929)
Kraftvolles Beispiel einer »Zeitoper«, die dem Ungeist der Zeit zum Opfer fiel.
Maschinist Hopkins ist ein legendärer Opern-Titel, doch das Werk hat kaum jemand gehört, geschweige denn gesehen. Eine konzertante Aufführung im Wiener Konzerthaus in den Achtzigerjahren war die rare Ausnahme von der Regel. Im übrigen ranken sich Mythen um das Stück, das bei seiner Uraufführung als eines der stärksten Werke des Genres »Zeitoper« galt - Sozialkritik und schonungslose Darstellung des gnadenlosen Lebens im Maschinen-Zeitalter, der Korrumpierbarkeit und Skrupellosigkeit der Mächtigen, der Verderbtheit der Vergnügungs-Gesellschaft mischen sich hier zum perfekten Musiktheater-Cocktail.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte Brand als Jude und Sympathisant der Kommunisten keine Chance mehr - schon gar nicht mit einem solchen Opernsujet. Die Arbeit an einer Oper Kleopatra mußte Brand unvollendet liegen lassen, als er nach Amerika flüchtete. In den USA fand er keine Anerkennung - und obwohl er seinen Lebensabend in Langenzersdorf in der Nähe von Wien verbrachte, durfte er keine Versuche einer Wiedergutmachung oder einer Eingliederung seiner Werke in die Spielpläne erleben. Nur der Titel seiner erfolgreichsten Oper blieb Kennern im Gedächtnis - das mußte doch etwas gewesen sein mit diesem Maschinist Hopkins...
Die Handlung
Prolog
Der Fabrikarbeiter Bill ist wütend. Die Betriebsratsversammlung, von Jim geleitet, ist nicht nach seinen Vorstellungen abgelaufen. Bill ist der Geliebte von Jims Ehefrau Nell. Mit ihr schmiedet er ein Komplott: Nell ist im Besitz des Schlüssels zum Tresorraum der Fabrik. Gemeinsam beschließt das Pärchen, geheime Dokumente der Firmenleitung zu entwenden. Doch Jim überrascht die beiden, er kann Bill überwältigen, wird aber vom Schwungrad einer Maschine getötet, die Nell angeworfen hat.
Erster Akt
Bill und Nell sind nun offiziell ein Paar. Er kann die Informationen der gestohlenen Dokumente dazu nutzen, ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. Das schlechte Gewissen diktiert ihm aber eine Verzweiflungstat: Er möchte die Fabrik, in der Jim starb, stillzulegen und dem Erdboden gleich machen. Der Maschinist Hopkins will ihn im Interesse der Belegschaft von der Wahnsinnstat abbringen, wird aber vom wütenden Bill gefeuert.
Nell hat sic in den Kopf gesetzt, einen Bühnenkarriere zu starten. Sie will als Revuegirl engagiert werden und absolviert mit Bill einen »Kontrollbesuch« im örtlichen Kabarett. Während die Show läuft, schwören die beiden einander ewige Liebe.
Zweiter Akt
In der Fabrik sprechen Arbeiter Bill auf den Tod Jims an: Einige der älteren unter ihnen meinen, in ihm den Mörder zu erkennen. Hopkins wird hellhörig: Vielleicht könnte er Bill auf diese Weise erpressen, die Fabrik nicht zu schließen. Er dringt in Nells Garderobe im Kabarett ein und zwingt sie zu einem Geständnis.
Dritter Akt
Nell ist in die Prostitution abgeglitten. Als Arbeiter verkleidet, muß Bill mitanhören, wie Besucher eines heruntergekommenen Etablissements die rassige »Blonde Nell« hochleben lassen -- und er hört, wie Nell einen Freier zu sich nach Hause bittet. Er dringt wütend in Nells Apartment ein und tötet sie. Völlig außer Rand und Band dringt er nach dem Mord in die Fabrik ein, um die Maschinen zu zerstören: Nur die Maschinen seien für alles Leid verantwortlich. Aber Hopkins erscheint. Er tötet Bill mit dem gleichen Schwungrad, das einst Jim erschlagen hat. Zufrieden blickt er danach auf den Sonnenaufgang und die Arbeiter, die in Fabrik strömen.
Die Musik
Anders als Zeitgenossen wie Hindemith oder auch Schönberg (Von Heute auf Morgen) versucht Brand in keinem Moment, sich über die Zeiten, die er schildert, lustig zu machen. Er bindet wie Krenek in seinen Jonny spielt auf oder etliche andere Komponisten jener Ära, die Modetänze und Liedformen der Unterhaltungsmusik in seine Musik ein, aber er baut sie ein in ein gigantisches Klangmosaik, in dem die brutalen, futuristischen Rhythmusorgien die Macht der Maschinen malen wie die Schlagermelodien das Umfeld der Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes »unter die Räder geraten«. Brand läßt auch die Anleihen an Populärmusik sich totlaufen, zwingt sie in einen maschinellen Kontext, der die Klänge deformiert, wie die handelnden Personen deformiert werden.
Immer wieder ist diese Oper mit Fritz langs bahnbrechendem filmischen Zeitdokument Metropolis verglichen worden. Die Qualität der Partitur ließe einen szenischen Wiederbelebungsversuch durchaus zu - derzeit hat die Aussge, Brands Maschinist Hopkins sei eine der originellsten, aussagekräftigsten Opern der Zwanzigerjahre lediglich Buchwert...
Die Verdienstvolle konzertante Aufführung von 1991 durch das ORF-Orchester unter Peter Keuschnig wurde mitgeschnitten und liegt auf CD vor.