Passaggio
Luciano Berio & Edoardo Sanguinetti
Luciano Berios erster großer Musiktheaterversuch ist eine - von Umberto Eco einst freudig begrüßte - Initiative in Sachen »offenes Kunstwerk«. zwei Chöre, einer davon im Zuschauerraum, kommentieren die Geschichte einer einsamen, von der Gesellschaft ausgestoßenen Frau auf der Bühne. Dabei provizieren die Chormitglieder im Auditorium konsequent die Zuschauer, die schon bei der Premiere an der Mailänder Scala, 1962, der Provokation auf den Leim gingen und mit ihren Protesten einen der größten Theaterskandale der Sechzigerjahre heraufbeschworen.
Luciano Berio erläuterte nach der Premiere, warum das so kommen mußte:
Es war mir ziemlich klar, daß das Publikum den Kopf verlieren würde, und ich bereitete den Chor auf die Eventualitäten vor. Ich sagte dem Chor: Sobald das Publikum zu rufen beginnt, solle er mit einsteigen, das letzte Wort übernehmen und improvisieren.
Genau das ist dann passiert. Einige Leute riefen »Buffoni!«. Der Chor nahm dieses Wort sofort auf, beschleunigend, flüsternd, die Silbe »o« verlängernd. Die Improvisation wurde zum Teil der Aufführung. Das Publikum wurde komplett hysterisch, weil es die Möglichkeit zu protestieren verloren hatte.