Die Tragödie der Hässlichkeit

Alexander Zemlinskys »Der Zwerg«


Packende Aufnahme aus der Deutschen Oper Berlin unter Donald Runnicles

(Naxos)

Zemlinskys Zwerg nach Oscar Wilde erfuhr an der Deutschen Oper Berlin eine musikalisch packende, szenisch logische Neudeutung.

Die Deutsche Oper Berlin dokumentiert ihre Aufarbeitung des vernachlässigten Opern-Repertoires der Zwischenkriegszeit auf DVD. Das ist verdienstvoll, auch wenn kaum ein Stück so auf die Bühne kommt, wie's im Libretto vorgesehen ist. Im Vorjahr ist der Mitschnitt einer musikalisch beachtlichen Produktion von Erich Wolfgang Korngolds "Wunder der Heliane" in der Regie von Christof Loy herausgekommen.

Eben erschien Alexander von Zemlinskys "Zwerg", das "Drama des hässlichen Menschen" - auch von Franz Schreker damals in "Die Gezeichneten" behandelt - in Anlehnung an Oscar Wildes "Geburtstag der Infantin". Mit Korngolds vielschichtigem Werk kam auch diese Zemlinsky-Oper - wie alle anderen Werke dieses Komponisten - unter die Räder der Zeitläufte; als "entartet" verboten in Hitlers "Reich", danach aber, die zweite Perfidie, von den Vordenkern der Avantgarde unter der Führung Theodor Adornos als "rückschrittlich" verdammt und damit von der Rückkehr in die Spielpläne ausgeschlossen.

Umso wichtiger die Landnahme in Zeiten der sogenannten Postmoderne. Anders als im Falle der verrätselten Dramaturgie von Korngolds "Heliane" kann der "Zwerg", den eine verzogene Königstochter mit eitlen, unmenschlichen Spielen in den Tod treibt, unmittelbar berühren. Auch wenn die Regie (Tobias Kratzer) die Handlung in einen modernen Konzertsaal verlegt.

Der Bezug zu Zemlinskys eigener Geschichte - zu Schönberg-Musik zeigt man einleitend seine unglückliche Liebe zur jugendlichen Alma Schindler - scheint sinnvoll. Die tragische Geschichte des missgestalteten Zwergs, der an seinem Spiegelbild sein Schicksal zu begreifen lernt, wird im szenischen Doppelspiel zwischen dem Tenor (David Butt Philip) und einem Schauspieler (Mick Moris Mehnert) sinnfällig. Elena Tsallagova gibt die kalte Donna Clara, Emily Magee ihre mitfühlende Zofe - und das Orchester spielt unter Donald Runnicles die leidenschaftlichen Klänge Zemlinskys ebenso leidenschaftlich aus.





Der Zwerg - in einer bemerkenswerten Produktion in Paris.

(Februar 2013)



↑DA CAPO