Der Ring des Nibelungen
Vorwort zur ersten Ausgabe von Richard Wagner
Vorwort
zur Herausgabe der Dichtung des Bühnenfestspieles
»Der Ring des Nibelungen«.
Wien 1862
Meinen näheren Freunden, denen ich bereits vor längerer Zeit die Dichtung meines Bühnenfestspieles mittheilte, blieb zugleich nicht unbekannt, welche Vorstellung ich mir von der Möglichkeit |einer vollständigen musikalisch-dramatischen Aufführung derselben machte. Da ich sie noch fest halte, und ein wirkliches Gelingen des Unternehmens, sobald es durch ausreichende materielle Unterstützung in das Werk zu setzen wäre, zu bezweifeln noch nicht gelernt habe, sei mein Plan, mit der Veröffentlichung des Gedichtes, nun auch weiteren Kreisen mitgetheilt. –Es kam hierbei vor Allem mir darauf an, eine solche Aufführung, als frei von den Einwirkungen des Repertoirganges unserer stehenden Theater mir zu denken. Demnach hatte ich eine der minder großen Städte Deutschlands, günstig gelegen, und zur Aufnahme außerordentlicher Gäste geeignet, anzunehmen, namentlich eine solche, in welcher mit einem größeren stehenden Theater nicht zu kollidiren, somit auch einem großstädtischen eigentlichen Theaterpublikum und seinen Gewohnheiten nicht gegenüber zu treten wäre. Hier sollte nun ein provisorisches Theater, so einfach wie möglich, vielleicht bloß aus Holz, und nur auf künstlerische Zweckmäßigkeit des Inneren berechnet, aufgerichtet werden; einen Plan hierzu, mit amphitheatralischer Einrichtung für das Publikum, und dem großen Vortheile der Unsichtbarmachung des Orchesters, hatte ich mit einem erfahrenen, geistvollen Architekten in Besprechung gezogen. –
Hierher sollten nun, etwa in den ersten Frühlingsmonaten, aus den Personalen der deutschen Operntheater ausgewählte, vorzüglichste dramatische Sänger berufen werden, um, ununterbrochen durch jede anderartige künstlerische Beschäftigung, das von mir verfaßte mehrtheilige Bühnenwerk sich einzuüben. – Das deutsche Publikum aber sollte eingeladen werden, zu den festgesetzten Tagen der Aufführungen, von denen ich etwa drei im Ganzen annahm, sich einzufinden, indem diese Aufführungen, wie bereits unsere großen Musikfeste, nicht einem partiellen städtischen Publikum, sondern allen Freunden der Kunst, nah' und fern, geboten sein sollten. Eine vollständige Aufführung des vorliegenden dramatischen Gedichtes sollte, im vollen Sommer, an einem Vorabende das »Rheingold«, und an drei folgenden Abenden die Hauptstücke »Walküre«, »Siegfried« und »Götterdämmerung« zur Darstellung bringen.
Die Vortheile, welche sich aus einer solchen Veranstaltung erstlich für die Aufführung selbst ergeben würden, schienen mir folgende. – In künstlerisch praktischer Hinsicht dünkte mich zunächst eine wirklich gelingende Aufführung eben nur auf diesem Wege selbst möglich. Bei der vollkommenen Styllosigkeit der deutschen Oper, und der fast grotesken Inkorrektheit ihrer Leistungen, ist die Hoffnung, an einem Haupttheater für höhere Aufgabe geübte Kunstmittel korporativ anzutreffen, nicht zu fassen: der Autor, der auf diesem verwahrlosten öffentlichen Kunstgebiete eine ernstlich gemeinte, höhere Aufgabe zu stellen gedenkt, trifft zu seiner Unterstützung nichts an, als das wirkliche Talent einzelner Sänger, welche in keiner Schule unterrichtet, durch keinen Styl für die Darstellung geleitet, hie und da, selten – denn das Talent der Deutschen hierfür ist im Ganzen gering – und gänzlich sich selbst überlassen, vorkommen. Was daher kein einzelnes Theater bieten kann, vermöchte, glücklichen Falles, nur eine Vereinigung zerstreuter Kräfte, welche für eine gewisse Zeit, auf einen bestimmten Punkt zusammengerufen würden. – Hier würde diesen Künstlern zunächst es von Nutzen sein, daß sie eine Zeitlang nur mit Einer Aufgabe sich zu befassen hätten, deren Eigenthümlichkeit ihnen um so schneller und bestimmter aufgehen würde, als sie durch keine hiervon abziehende Ausübung ihrer gewohnten Opernarbeit in diesem Studium unterbrochen wären. Der Erfolg dieser Zusammenfassung ihrer geistigen Kräfte auf Einen Styl und Eine Aufgabe, ist allein nicht hoch genug anzuschlagen, wenn man erwägt, wie wenig Erfolg von solchem Studium unter den gewöhnlichen Verhältnissen zu erwarten wäre, wo z.B. derselbe Sänger, der Abends zuvor in einer schlecht übersetzten neueren italienischen Oper sang, Tags darauf den »Wotan« oder »Siegfried« sich einüben soll. Außerdem führte diese Methode aber auch zu dem praktischen Ergebnisse, daß auf das Einüben eine verhältnißmäßig weit kürzere Zeit, als dieß im Geleise einer gemeinen Repertoirthätigkeit möglich sein könnte, zu verwenden wäre: was wiederum dem Flusse des Studiums sehr zu Statten käme.
Würde somit auf diese Weise eine ernste charakteristische Wiedergabe der Rollen meines Drama's durch die ausgewählten besten Talente einzig ermöglicht, so würde, eben durch das Isolirte des Studium's und der Aufführung, zugleich auch die scenisch dekorative Darstellung einzig gut und entsprechend zu erzielen sein. Betrachten wir, welch' vollendete Leistungen dieser Art den Pariser und Londoner Theatern gelingen, so erklären |wir uns dieß zunächst, und fast einzig, aus dem günstigen Umstande, daß die Bühne den Malern und Maschinisten längere Zeit allein für das Stück, welches sie auszustatten haben, zu Gebote steht; daß sie somit Einrichtungen gewisser komplizirter Art treffen können, welche da unmöglich sind, wo täglich die Theaterstücke wechseln, von welchen jedes dann eben nur nothdürftig bis zur künstlerischen Unanständigkeit scenisch dargestellt werden kann.
Die von mir gedachte scenische Einrichtung meines »Rheingold« ist z.B. für ein Theater von so wechselndem Repertoir, wie das deutsche, gar nicht zu begreifen, während sie, unter den von mir bezeichneten günstigen Umständen, dem Dekorationsmaler und Maschinisten gerade die erwünschteste Gelegenheit bietet, ihre Kunst als eine wirkliche Kunst zu zeigen.
Zur Vollendung des Eindruckes einer solchermaaßen vorbereiteten Aufführung, würde ich dann noch besonders die Unsichtbarkeit des Orchesters, wie sie durch eine, bei amphitheatralischer Anlage des Zuschauerraumes mögliche, architektonische Täuschung zu bewerkstelligen wäre, von großem Werthe halten. Jedem wird die Wichtigkeit hiervon einleuchten, der mit der Absicht, den wirklichen Eindruck einer dramatischen Kunstleistung zu gewinnen, unseren Operneinführungen beiwohnt, und durch den unerläßlichen Anblick der mechanischen Hilfsbewegungen beim Vortrage der Musiker und ihrer Leitung unwillkürlich zum Augenzeugen technischer Evolutionen gemacht wird, die ihm durchaus verborgen bleiben sollen, fast ebenso sorgsam, als die Fäden, Schnüre, Leisten und Bretter der Theaterdekorationen, welche, aus den Coulissen betrachtet, einen bekanntlich alle Täuschung störenden Eindruck machen. Hat man nun je erfahren, welchen verklärten, reinen, von jeder Beimischung des, zur Hervorbringung des Tones den Instrumentisten unerläßlichen, außermusikalischen Geräusches befreiten Klang ein Orchester bietet, welches man durch eine akustische Schallwand hindurch hört, und vergegenwärtigt man sich nun, in welche vortheilhafte Stellung der Sänger zum Zuhörer tritt, wenn er diesem gleichsam unmittelbar gegenüber steht, so hätten wir hieraus nur noch auf das leichte Verständniß auch seiner Aussprache zu schließen, um zu der vorteilhaftesten Ansicht über den Erfolg der von mir gemeinten akustisch-architektonischen Anordnung zu gelangen. Nur aber in dem von mir gedachten Falle eines eigens hierzu konstruirten provisorischen Theatergebäudes würde diese Vorrichtung zu ermöglichen sein.
Ebenso wichtig, wie für die Aufführung selbst, müßte, meinem Erachten nach, nun aber der Erfolg einer solchen Aufführung hinsichtlich ihres Eindruckes auf das Publikum sein. – Bisher gewohnt, als Glied des stehenden Opernpublikums einer Stadt in den höchst bedenklichen Vorführungen dieses zweideutigen Kunstgenre's eine gedankenlose Zerstreuung zu suchen, und Dasjenige, was ihm diesen Dienst nicht leistete, anforderungsvoll zurückzuweisen, würde der Zuhörer unserer Festaufführung plötzlich in ein ganz anderes Verhältniß zu dem ihm Gebotenen treten. Klar und bestimmt davon unterrichtet, was es sich dießmal und hier zu erwarten habe, würde unser Publikum aus von näher und ferner her öffentlich Eingeladenen bestehen, welche nach dem gastlichen Ort der Aufführung reisen und hier zusammenkommen, eben um den Eindruck unserer Aufführung zu empfangen. Im vollen Sommer wäre für Jeden dieser Besuch zugleich mit einem erfrischenden Ausfluge verbunden, auf welchem er, mit Recht, zunächst sich von den Sorgen seiner Alltagsgeschäfte zu zerstreuen suchen soll. Statt daß er, wie sonst, nach mühsam am Comptoir, am Büreau, im Arbeitskabinet oder in sonst welcher Berufsthätigkeit, hingequältem Tage, des Abends die einseitig angespannten Geisteskräfte wie aus ihrem Krampfe loszulassen, nämlich sich zu zerstreuen sucht, und deßhalb, je nach Geschmack, eben oberflächliche Unterhaltung ihm wohlthätig dünken muß, wird er dießmal sich am Tage zerstreuen, um nun, bei eintretender Dämmerung, sich zu sammeln: und das Zeichen zum Beginn der Festaufführung wird ihn hierzu einladen. So, mit frischen, leicht anzuregenden Kräften, wird ihn der erste mystische Klang des unsichtbaren Orchesters zu der Andacht stimmen, ohne die kein wirklicher Kunsteindruck möglich ist. In seinem eigenen Begehren erfaßt, wird er willig folgen, und schnell wird ihm ein Verständniß aufgehen, welches ihm bisher fremd bleiben, ja unmöglich sein mußte. Da, wo er sonst mit ermüdetem Hirn, zerstreuungssüchtig angelangt, neue Anspannung, und somit schmerzliche Überspannung finden mußte, wo er deßhalb bald über Länge, bald über zu großen Ernst, und endlich völlige Unverständlichkeit zu klagen hatte, wird er jetzt zu dem wohlthätigen Gefühle der leichten Thätigkeit eines bisher ungekannten Auffassungsvermögens gelangen, welches ihn mit neuer Wärme erfüllt, und ihm das Licht entzündet, in welchem er deutlich Dinge gewahrt, von denen er zuvor keine Ahnung hatte. – Da wir hier zu einem Feste versammelt sind, und dieses heute ein Bühnenfest, nicht ein Eß- oder Trink-Fest ist, so könnte außerdem, wie dort Musik und Rede zur Stärkung der Eß- und Trinklust in Pausen verwendet werden, dießmal in den leicht zu verlängernden Zwischenakten jede mögliche Erfrischung, wie ich annehme – in sommerlich freier Abendluft, füglich mit zur Ökonomie der Geistesthätigkeits-Entwickelung verwendet werden. –
Bezeichnete ich hiermit im Wesentlichen das Charakteristische des Unterschiedes der von mir gemeinten Festaufführung von den gewöhnlichen großstädtischen Opernaufführungen, und konnte ich flüchtig die überraschenden Vortheile der von mir geforderten Veranstaltungen für das auszeichnende Gelingen dieser Aufführung nachweisen, so gestatte ich mir aber noch diejenigen Wirkungen auf das Allgemeine, und auf die musikalisch-theatralische Kunst im Besonderen, anzudeuten, welche unausbleiblich aus solchen Aufführungen sich ergeben würden.
Wenn Faust das »im Anfang war das Wort« des Evangelisten schließlich als »im Anfang war die That« festgestellt wissen will, so scheint die giltige Lösung eines Kunstproblem's einzig nur auf diesem Wege der That zu ermitteln zu sein. Den Eindruck eines Bühnenfestspieles in der von mir bezeichneten Aufführungsweise können wir nicht hoch genug anschlagen, wenn wir vergleichsweise von bereits erlebten Wirkungen anderer ausgezeichneter Leistungen weiter schließen. Es ist mir selbst oft die Versicherung gegeben worden, daß z.B. die Anhörung einer vorzüglichen Aufführung meines »Lohengrin« eine gänzliche Umkehr des Geschmackes und der Neigung in Einzelnen hervorgerufen habe, und gewiß ist es, daß der kunstsinnige damalige Direktor des Wiener Hofoperntheaters, der nur mit großer Beschwerde die Aufführung dieser Oper ermöglicht hatte, durch den glücklichen Erfolg derselben sich nun ermuthigt sah, ernstere und inhaltvollere Werke des Operngenre's, welche bereits längst vor dem verweichlichten Geschmacke des Publikums verschwunden waren, mit Aussicht auf Erfolg wieder vorzuführen.
– Wollen wir nun aber in der Schätzung jener beabsichtigten Wirkung (welche ich mir hier durchaus nur als der Vorzüglichkeit und Korrektheit der Aufführung zugeschrieben denke) uns für jetzt nicht in das Weite verlieren, so fassen wir dagegen nur dieses Eine in das Auge, welcher Art die Stimmung und das Urtheil, den früher gewohnten Leistungen gegenüber, nun bei den wieder zurückkehrenden Künstlern, sowie den sie begleitenden Zuhörern, sein werden. Bin ich im Ganzen auch nicht geneigt, mir zu große Erwartungen von der Andauer ungewöhnlich erregter Stimmungen zu machen, so dürfte doch aber wohl mit Sicherheit anzunehmen sein, daß unsere Darsteller nun nicht ganz wieder in das Geleis ihrer vorigen Gewohnheiten zurückfallen könnten, und dieß um so weniger, wenn sie ihre außergewöhnlichen Leistungen auch außergewöhnlich aufgenommen sahen, und wenn wir überhaupt die Annahme festhalten, daß wir uns eben bloß die wirklich strebsamen Talente, denen gerade nur die fördernde Übung und Richtung fehlte, auswählten. Aber wir müssen auch annehmen, daß unseren Festaufführungen die artistischen Vorstände, und viele Künstler selbst, der übrigen deutschen Theater, schon aus bloßer Neugierde, beiwohnten. Alle sahen und hörten nun einmal mit Augen und Ohren, was durch irgend welche Demonstration ihnen nie deutlich zu machen sein würde; sie empfingen unmittelbar den Eindruck einer scenischen Darstellung, in welcher Musik und poetische Handlung, in allen kleinsten Theilen zu einem einheitlichen Ganzen geworden waren. Und eben hiervon erfuhren sie auch die Wirkung auf das Publikum, wie auf sich selbst. Unmöglich könnte diese Erfahrung für ihre weiteren eigenen Leistungen gänzlich ohne Einfluß bleiben. Wahrscheinlich würde man hier und dort, namentlich auf den reicher ausgestatteten Theatern, zu dem Versuche schreiten, anfänglich Theile, endlich das Ganze jener Aufführungen nun bei sich zu wiederholen: selbst die unvollkommenere Reproduktion würde jetzt, mit dem bei jenen großen Originalaufführungen erlangten Verständnisse, sich äußerst vortheilhaft vor den sonst üblichen Leistungen der gleichen Theater auszeichnen.
Schon hieraus könnten sich die Ansätze zu einem wirklich deutschen Styl für musikalisch-dramatische Aufführungen bilden, von denen gegenwärtig noch keine Spur vorhanden ist.
Diese glücklichen, anfänglich aber doch wohl nur noch schwächlichen, oft vielleicht verwirrten und unklaren Wirkungen |zu kräftigen und vor allmählichem gänzlichem Verlöschen zu behüten, wäre dann das sicherste Mittel, Wiederholungen der großen Originalaufführungen selbst zu veranstalten. Sie müßten zunächst, je nach Umständen, ein-, zwei- oder auch dreijährig etwa wiederholt werden, und die ausschlaggebende Veranlassung hierzu würde sein, wenn ein neues Originalwerk ähnlichen Styles, oder überhaupt der Auszeichnung solcher Aufführung werth erscheinend, geschaffen worden wäre. – Hiermit hinge demnach eine Preisausschreibung für das beste musikalisch-dramatische Werk zusammen, und der Preis würde in nichts Anderem bestehen, als in der Bestimmung zu der auszeichnenden Aufführung an den Festtagen. Die Form des Werkes würde die jedesmalige Norm der Aufführung bestimmen: ein Werk, welches an einem Abende allein aufgeführt werden kann, würde, seiner geringeren Darstellungskosten wegen, etwa für jährlich wiederkehrende Feste genügen, während ausgedehntere, wie mein gegenwärtiges Bühnenfestspiel, für seltener wiederkehrende Perioden bestimmt blieben.
Die deutsche Nation rühmt sich so viel Ernst, Tiefe und Ursprünglichkeit nach, daß ihr nach dieser einen Seite hin, wo sie, wie eben in Musik und Poesie, sich wirklich an die Spitze des europäischen Völkerreigens gestellt hat, nur eine formgebende Institution zu geben nöthig erscheint, um zu erkennen, ob sie wirklich jenen Ruhm verdiene. Eine Institution, wie ich sie für die Pflege der bezeichneten Musikaufführungen im Sinne habe, wäre aber an sich schon vollkommen dem deutschen Wesen entsprechend, welches sich gern in seine Bestandtheile scheidet, um den Genuß der Wiedervereinigung sich als Hochgefühl seiner selbst periodisch zu verschaffen. Besser als unfruchtbare, gänzlich undeutsche akademische Institutionen, könnte sie mit allem Bestehenden füglich Hand in Hand gehen; aus den besten Kräften desselben würde sie sich eben nur ernähren, um diese Kräfte selbst andauernd zu veredeln und zu wahrem Selbstgefühle zu stählen.
Endlich aber hätten wir so die Aussicht, das Eigenthümlichste und Gelungenste des deutschen Geistes jährlich in einem – wenn möglich – neuen Werke besonderer, uns wesentlich angehörender Gattung, hervorgebracht zu sehen; und endlich träte so der Zeitpunkt ein, wo, wenigstens in einem höchst bedeutungsvollen Kunstzweige, der Deutsche dadurch anfinge national zu sein, daß er zunächst original würde, – ein Vorzug, den leider der Italiener und Franzose längst vor ihm voraus hat. –
Ein so bedeutendes und erfolgreiches Ergebniß habe ich fürwahr im Auge, wenn ich zunächst an die Beschaffung der Mittel zu einer ersten Aufführung des vorliegenden »Bühnenfestspieles« denke. Da ich Erfahrung und Fähigkeit genug besitze, um den artistischen Theil einer solchen Aufführung zum Gelingen zu bringen, so könnte es sich nur um die Beschaffung der materiellen Mittel dazu handeln.
Mir stellen sich zwei Wege dar.
Eine Vereinigung kunstliebender vermögender Männer und Frauen, zunächst zur Aufbringung der für eine erste Aufführung meines Werkes nöthigen Geldmittel. – Bedenke ich, wie kleinlich die Deutschen gewöhnlich in solchen Dingen verfahren, so habe ich nicht den Muth, von einem hierfür zu erlassenden Aufrufe mir Erfolg zu versprechen.
Sehr leicht fiele es dagegen einem deutschen Fürsten, der hierfür keinen neuen Satz auf seinem Budget zu beschaffen, sondern einfach nur denjenigen zu verwenden hätte, welchen er bisher zur Unterhaltung des schlechtesten öffentlichen Kunstinstitutes, seines, den Musiksinn der Deutschen so tief bloßstellenden und verderbenden Operntheaters bestimmte. Wenn in seiner Residenz die allabendlichen Theaterbesucher durchaus das zerstreuende Labsal einer modernen Opernaufführung sich fortzuerhalten verlangten, so würde der von mir gedachte Fürst gern ihnen diese Unterhaltung zu lassen haben, nur nicht für seine Rechnung: denn Alles möge er glauben bisher durch seine der Oper zugewandte Munifizenz patronisirt zu haben, nur weder die Musik noch das Drama, sondern eben die allen deutschen Sinn für Musik wie Drama gröblich beleidigende – Oper.
Nachdem ich ihm dagegen gezeigt habe, welcher ganz ungemeine Einfluß auf die Moralität eines bisher uns herabwürdigenden Kunstgenre's, welche Schöpfung eigenthümlichster deutscher Art ihm hierdurch ermöglicht werden müßte, würde er von seinem jährlichen Budget nur die auf Unterhaltung der Oper in seiner Residenz verwandte Summe bei Seite legen, und sie, wenn ausreichend, zu alljährlichen, wenn nicht, sie kombinirend, zu zwei- oder dreijährig sich wiederholenden Festaufführungen |der bezeichneten Art bestimmen, und somit eine Stiftung gründen, die ihm einen unberechenbaren Einfluß auf den deutschen Kunstgeschmack, auf die Entwickelung des deutschen Kunstgenie's, auf die Bildung eines wahrhaften, nicht dünkelhaften nationalen Geistes, seinem Namen aber unvergänglichen Ruhm gewinnen müßte. –
Wird dieser Fürst sich finden? –
»Im Anfang war die That.«
In Erwartung dieser That fühlt der Autor sich gedrungen, auf einen Anfang durch das »Wort«, und zwar recht eigentlich durch das Wort, ohne Ton, ja ohne Klang, eben nur das durch Typen hervorgebrachte Wort zu denken, indem er sich entschließt, sein Gedicht, als solches, dem größeren Publikum zu übergeben. Gerathe ich hiermit allerdings in Widerspruch mit meinem früheren Wunsche, nur das vollendete Ganze, wozu die Musik und die scenische Aufführung eben unerläßlich, vorzuführen, so bekenne ich gern, durch Geduld und Erwartung endlich ermüdet zu sein. Ich hoffe nicht mehr, die Aufführung meines Bühnenfestspieles zu erleben: darf ich ja kaum hoffen, noch Muße und Luft zur Vollendung der musikalischen Komposition zu finden. Somit übergebe ich wirklich ein bloßes dramatisches Gedicht, ein poetisches Litteraturprodukt der bücherlesenden Öffentlichkeit. Schon von dieser es beachtet zu sehen, dürfte mir nicht leicht fallen, da es keinen eigentlichen Markt hat. Der Litterat legt den »Operntext« bei Seite, weil er nur den Musiker angehe; der Musiker, weil er nicht begreift, wie dieser Operntext komponirt werden solle. Das eigentliche Publikum, das sich so gern und willig für mich entschied, verlangt die »That«.
Die steht leider nicht in meiner Macht!
Wien, 1862.