Lohengrin
Richard Wagner
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Die Handlung
Vorspiel (A-Dur)
Vom
Vorspiel meinte Friedrich Nietzsche es klinge
blau, von opiatischer, narkotischer Wirkung.
Tatsächlich stellt es einen virtuosen kompositorischen Akt dar, ein in jener Zeit avantgardistisches Spiel mit Klangfarben und dynammischen Prozessen: Aus höchsten Höhen - vielfach geteilte Violinen - entfaltet sich der A-Dur-Dreiklang in immer neuen Facetten -- das erste Beispiel einer Kompositionsmethode, die bei Arnold Schönberg ein halbes Jahrhundert später als »Klangfarbenmelodie« in die Musikgeschichte eingehen wird; auch das Vorspiel des chronologisch nächsten Wagner-Dramas, Das Rheingold, gehört hierher. Hier ist es der changierende A-Dur-Akkord, der durch Umspielung langsam auch melodische Kontur annimmt und in ein breites Strömen übergeht, das in einem unausgesetzten Steigerungsbogen einem Fortissimo-Höhepunkt zustrebt, um dann wieder in den ätherisch schwebenden Anfangszustand zurückzukehren.
König Heinrich der Vogler ist nach Brabant gekommen, um Gerichtstag zu halten. Ein Krieg gegen die Ungarn steht bevor.
Ob Ost, ob West, das gelte allen gleich.
Was deutsches Land ist, stelle Kampfesscharen.
Dann schmäht wohl niemand mehr das deutsche Reich.
Friedrich von Telramund muß Rede und Antwot stehen. Ihm war das Schicksal Gottfrieds anvertraut, des Sohnes des verstorbenen Herzogs von Brabant. Doch Gottfried ist bei einem Spaziergang mit seiner Schwester Elsa verschwunden. Telramund klagt das Mädchen des Brudermordes an. Sie war Telramund als Braut versprochen worden, doch er hat sich mit Ortrud, der Erbin des Friesenfürsten Radbod vermählt. Nun beansprucht Telramund die brabantische Fürstenwürde.
Elsa wird gerufen, sich zu rechtfertigen, kann aber als Zeugen für ihre Unschuld lediglich einen unbekannten Ritter benennen, der ihr im Traum erschienen sei.
Traumerzählung - Einsam in trüben Tagen
Höhnisch fordert Telramund diesen unbekannten Ritter zum Gottesgericht. Auf einen zweimaligen Ruf des Heerrufers erscheint in wundersamem Glanz tatsächlich, von einem Schwan gezogen, in einem Nachen auf der Schelde der strahlende Ritter Lohengrin.
Er fordert von Elsa ein Treuegeöbnis und das Versprechen, nie nach seinem Namen zu fragen.
Dann stellt er sich dem Zweikampf.
Königsgebet - Mein Herr und Gott
Telramund unterliegt, doch Lohengrin schenkt ihm sein Leben.
Zweiter Aufzug
Im Morgengrauen hadert Telramund mit Ortrud, die ihn verführt hat, Elsa anzuklagen. Ortrud nennt ihn feig und hetzt ihn gegen den offenkundig durch Zauberkraft gestärkten fremden Ritter auf. Elsa muß verleitet werden, die verboetne Frage nach der Herkunft ihres künftigen Gemahls zu stellen.
Elsa erscheint auf dem Söller. Während Telramund sich verbirgt, gibt sich Ortrud reuevoll. Es gelingt ihr, Elsa dazu zu bewegen, sie in den Palast einzulassen. Während sie kurz unbeobachtet ist, ruft Ortrud triumphierend die alten germanischen Götter an.
Elsa holt Ortrud durch die Pforte in den Palast - und weist allen Zweifel an des fremden Ritters »dunklem Geschick« von sich.
Nach Tagesanbruch wird der Bann über Telramund verkündet. Die Hochzeit Elsas mit dem fremden Ritter, der von nun an »Schützer von Brabant« heißen möchte, wird vorbereitet.
Telramund und einige brabantische Edle verschwören sich gegen den geplanten Kriegszug des Königs gegen die Ungarn. Brautzug - Gesegnet sollst du schreiten
Die Auseinandersetzung zwischen Elsa und Ortrud hat Wagner dem Streit zwischen Kriemhild und Brünnhilde aus dem Nibelungenlied nachgebildet.
Als der Brautzug sich dem Münster nähert, begehrt Ortrud angesichts ihrer edlen Abkunft den Vortritt vor Elsa. Die Auseinandersetzung der beiden Frauen erreicht ihren Höhepunkt, als der König mit dem Fremden erscheint, den Telramund der Zauberei anklagt. Elsa versucht er zu überreden, die verbotene Frage zu stellen. Sie bleibt standhaft, zieht aber verunsichert ins Münster ein.
Dritter AufzugVorspiel und Hochzeitsmarsch - Treulich geführt
In der Hochzeitsnacht versichert Elsa ihrem Gatten, sie würde auch zu ihm stehen, wenn Ortruds Vorwurf der »Zauberei« zuträfe. Doch würde es sie beruhigen, wenn sie um seine Identität wüßte. Trotz seiner Warnungen, bittet sie ihn, seinen Namen zu nennen. In diesem Moment stürzt Telramund herin. Der fremde Ritter erschlägt ihn und klagt am folgenden Morgen vor dem König und dem Telramund und Elsa der Untreue an. Er müsse nun die Frage beantworten, könne daher aber nicht als Heerführer gegen die Ungarn ziehen.
Gralserzählung - In fernem Land
Die letzten fünf Strophen hat Wagner noch vor der Urauführung gestrichen. Er fürchtete, sie könnten »erkältend auf das Publikum« wirken.
Die Gesamtversion erklang unter anderem unter Wilhelm Furtwängler in Bayreuth, später unter Daniel Barenboim in Berlin (gesungen von Peter Seiffert) und anläßlich der Staatsopern-Premiere unter Semyon Bychkov mit Johan Botha auch in Wien.
In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Monsalvat genannt;
ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar als auf Erden nichts bekannt;
drin ein Gefäß von wundertät’gem Segen
wird dort als höchstes Heiligtum bewacht.
Es ward, dass sein der Menschen reinste pflegen,
herab von einer Engelschar gebracht.
Alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu stärken seine Wunderkraft:
Es heißt der Gral, und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überirdischer Macht;
an dem ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn ihn er sieht, weicht dem des Todes Nacht;
selbst wer von ihm in ferne Land entsendet,
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt.
So hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthüllt muss er des Laien Auge fliehn;
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn – dann muss er von euch ziehn.
Nun hört, wie ich verbot’ner Frage lohne:
Vom Gral ward ich zu euch daher gesandt:
Mein Vater Parzival trägt seine Krone,
Sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.
Nun höret noch, wie ich zu euch gekommen!
Ein klagend Tönen trug die Luft daher,
daraus im Tempel wir sogleich vernommen,
dass fern wo eine Magd in Drangsal wär’.
Als wir den Gral zu fragen nun beschickten,
wohin ein Streiter zu entsenden sei,
da auf der Flut wir einen Schwan erblickten,
zu uns zog einen Nachen er herbei:
mein Vater, der erkannt des Schwanes Wesen,
nahm ihn in Dienst nach des Grales Spruch,
denn wer ein Jahr nur seinem Dienst erlesen,
dem weicht von dann ab jedes Zaubers Fluch.
Zunächst nun sollt’ er mich dahin geleiten,
woher zu uns der Hilfe Rufen kam,
denn durch den Gral war ich erwählt zu streiten,
darum ich mutig von ihm Abschied nahm.
Durch Flüsse und durch wilde Meereswogen
hat mich der treue Schwan dem Ziel genaht,
bis er zu euch daher ans Ufer mich gezogen,
wo ihr in Gott mich alle landen saht.
Lohengrin, Parzivals Sohn, werde wie die andern Ritter des Heiligen Grals auch weiterhin ausgesandt, um Unrecht zu bekämpfen und den Gerechten beizustehen. Er weissagt, daß der königliche Feldzug auch ohne ihn siegfreich enden wird.
Elsa fleht Lohengrin an, zu bleiben. Doch er nimmt Abschied. Der Schwan kehrt mit dem Nachen zurück - Ortrud erkennt triumphierend Gottfried wieder, den sie mit Hexenkünsten einst in einen Schwan verwandelt habe. Da erhält der Herzogssohn durch ein Gebet Lohengrins seine menschliche Gestalt wieder. Lohengrin übergibt ihm die Insignien der Macht und entschwindet. Ortrud sinkt wütend tot zu Boden, Elsa stirbt an Verzweiflung.
Aufnahmen
Franz Völker war einer der besten Interpreten der Titelpartie, verfügte er doch über das nötige heldische Potential, ohne die vielen Momente, in denen lyrische Qualitäten gefragt sind, ignorieren zu müssen. Ihm zur Seite in der Aufnahme unter Robert Heger aus Berlin, 1942, die wunderbare Maria Müller als Elsa und die dämonische Ortrud von Margarete Klose. Dem Alter zum Trotz eine der besten Einspielungen auf dem Markt. (Preiser)
Das etwas zähflüssige Dirigat Daniel Barenboims macht die Aufnahme mit Peter Seiffert ein wenig mühsam zu hören, doch lohnt es sich, dann Seiffert verfügt wie Völker über die Möglichkeiten, die poetischeren Passagen der Partie eindrucksvoll vielschichtig zu gestalten - und er singt die »verlängerte« Gralserzählung! (Warner)
James King war der führende Lohengrin-Interpret der Siebzigerjahre - und konnte im Studio des Bayerischen Rundfunks unter idealen Bedingungen eine Aufnahme machen, die durch luxuriöse Partner - allen voran die Elsa der Gundula Janowitz und die überwältigende Ortrud von Gwyneth Jones an der Seite von Thomas Stewarts gewaltigem Telramund - und das Dirigat von Rafael Kubelik geadelt wird. Die beste Studio-Produktion, jedenfalls. (DG)
Der Elsa galt das lange erwartete Wagner-Debüt Anna Netrebkos, das die Diva mit Disziplin auch in Sachen Sprachbeherrschung bewältigte. Vokal war dieser von Chirstian Thielemann bravourös dirigerte Lohengrin in Dresden auch dank Piotr Beczalas Interpretation des Titelhelden ein Fest. Der Videomitschnitt empfiehlt sich überdies dank der klugen Inszenierung von Christine Mielitz. Fulminant auch das »böse« Paar mit Evelyn Herlitzius und Tomasz Konieczny (DG)
↑DA CAPO