Luisa Miller



Musik von Giuseppe Verdi

personen der handlung
  • Graf Walter - Baß
  • Rodolfo, sein Sohn - Tenor
  • Federica, Herzogin von Ostheim, Walters Nichte - Alt
  • Wurm, Walters Castellan (Baß)
  • Miller, Veteran - Bariton
  • Luisa, seine Tochter - Sopran
  • Laura, Bauernmädchen - Mezzosopran
  • Ein Bauer (Tenor)

  • Tirol. Erste Hälfte des XVII. Jahrhunderts





    Luisa Miller sitzt in Verdis Biographie zwischen allen Stühlen. Die viel zitierten »Galeerenjahre« hat der Komponist hinter sich gebracht. Eine entspanntere Zeit liegt vor ihm. Im Laufe einer Aufführung dieser Oper können Musikfreunde förmlich den Übergang aus der Belcanto-Nachfolge in die Ära der fantasievollen musikalisch-dramaturgischen Neuentwicklungen der Trias Rigoletto - Trovatore - Traviata hörend mitvollziehen.

    Der dritte Akt der Luisa Miller steht schon ganz auf der Höhe des reifen, völlig selbstbestimmten Verdi. Entsprechend delikat sind die Anfoderungen an einen Maestro, der dieser Partitur Gerechtigkeit widerfahren lassen will. Versucht er, die ersten beiden Akte auf das Niveau des dritten zu heben, dramatische Momente betonend, Espressivo suchend? Oder bremst er die »modernen« Komponenten des Opern-Schlusses ein wenig ein in ihrem Impetus, um ein stilistisch nicht allzu uneinheitliches Bild zu erzielen?

    Die »klassische« Aufnahme im Katalog bleibt jene, die anläßlich des ersten und einzigen Gastspiels von Lorin Maazel an Londons Covent Garden entstand: Die Deutsche Grammophon hat damals im Studio nachvollzogen, was auf der Bühne erreicht wurde. Oder zumindest beinahe das: Den Rodolfo sang anläßlich der Premiere nämlich Luciano Pavarotti, der in glänzender Form war, was auch die TV-Übertragung nachvollziehen ließ.

    Für die Schallplattenproduktion wurde Pavarotti - nicht zuletzt aufgrund der Firmen-Politik (er war exklusiver Decca-Künstler und ist auf der Aufnahme Peter Maags zu hören) - durch Placido Domingo ersetzt. Anders als in vergleichbaren Fällen - etwa bei der Verfilmung von Herbert von Karajans Puccini-Aufnahme der Madame Butterfly mit Mirelle Freni, wo man aus optischen Gründen den umgekehrten Weg wählte, ergab sich bei Luisa Miller kein allzu starker Qualitätsabfall zwischen den Tenören: Domingo war während der Sitzugen prächtig in Form. Und Maazel entpuppte sich bei allen effektsicheren Gesten - den Auftakt zur Cabaletta Grafen Walter muß man gehört haben! - als stilsicherer musikalischer Seiltänzer, nicht zu schwer, nicht zu leicht formt er ein packendes Drama, das zuletzt wie aus einem Guß etwickelt scheint.

    Sammler lieben diese Aufnahme auch, weil sie die erste Verdi-Gesamtaufnahme des allseits geschätzten Renato Bruson darstllt. Und Katia Ricciarelli, noch im Vollbesitz ihrer stimmlichen Möglichkeiten, gestaltet eine jugendlich-sensible Titelheldin, die auch imstande ist, verzweifelte Zwischentöne in ihr makellos, aber nicht ohne Herbheit phrasierte Gebet »Tu puniscimi« im Mittelakt zu mischen, in dem Moment, als der intrigant Wurm sie gezwungen hat, den buchstäblich todbringenden Brief zu schreiben.

    Auch das Duett im dem Vater, »La tomba e un letto« zeigt die Ricciarelli eines Belcanto-Sinnes mit Bruson. Die Kantilenen stecken voll verzehrender Morbidezza.

    Der Vergleich zur von Peter Maag dirigierten Decca-Aufnahme mit Montserrat Caballé drängt sich auf: Hier dominiert die Diva mit purem Schöngesang - einen Dreh artifizieller als die immer menschliche, also spürbar letztlich »fehlbare« Ricciarelli - klar über den raueren, weniger fleixiblen Miller von Sherill Milnes.

    Domingo hatte damals gerade schon den Otello in sein Repertoire aufgenommen, verfügte aber noch über Geschmeidigkeit genug für die lyrischeren Herausforderungen - etwa von »Quando le sere al placido« - aber mit der nötigen Durschlagskraft in den Szenen heftiger Gefühlsaufwallungen. Daß man in London dennoch Pavarotti nachtrauerte, wird im Vergleich mit der Maag-Aufnahme verständlich: Der Konkurrent phrasiert noch mit etlichen Graden mehr an Klangschönheit und Emotion. Beide aber werden gesangstechnisch übertroffen von Carlo Bergonzi, der in der von Fausto Cleva zündend dirigierten Gesamtaufnahme auf RCA den Rodolfo sang. Allerdings kann dort Anna Moffo den Protagonistinnen von Maazel oder Maag nicht das Wasser reichen. Dafür erwächst ihr in Shirley Verrett die beste Gegenspielerin in der kurzen, aber bedeutsamen Rolle der Herzogin. Insgesamt: Maazel bietet mit seiner luxuriösen Besetzung die konsistenteste Gesamtleistung.

    ↑DA CAPO