** O P E R

Pique Dame

Musik von Peter Iljitsch Tschaikowsky (1890)

Entweder erliege ich gerade einem furchtbaren Irrtum, oder diese Pique Dame ist tatsächlich mein bestes Werk...

Tschaikowskys Selbsteinschätzung mochte die Nachwelt nicht teilen - sie zog den lyrischen Eugen Onegin vor. Doch Kenner wissen, daß der Komponist recht hatte. Sie schätzen an Pique Dame, daß hier tatsächlich alle Tugenden von Tschaikowskys Können auf engstem Raum zu finden und an klug geknüpften dramaturgischen Fäden in effektvoller Steigerung mit- und gegegneinander geführt werden.

Puschkins Novelle war schon lange vor dieser Opernversion auf die russischen Bühnen gelangt. Modest Tschaikowsky konnte an erfolgreiche Dramatisierungen anschließen, als er seinem Bruder das gewünschte Libretto schrieb.

In der Oper sind die Charaktere notwendigerweise weniger vielschichtig als in der Erzählung des Dichters - mit wenigen Strichen auf ihre Grundeigenschaften reduziert. Dadurch wird manches, was bei Puschkin distanzier-ironisch gebrochen erscheint, im musikalischen Gewand melodramatisch-direkter. Was vielleicht weniger psychologisch schillert, trifft umso unausweichlicher den Nerv der Dinge: Archetypische Szenen künden von Liebe und Besessenheit.

Vor allem provoziert die Dramaturgie der Tschaikowsky-Brüder das Mitleid mit Lisa, die hier in einer Opferrolle erscheint, während sie sich bei Puschkin durchaus ambivalent und jedenfalls als selbstsicherer Charakter zeigt.

Zwischentöne und Assoziationen kennt die Musik auf ganz anderer Ebene: Das Gewitter, das im ersten Bild unvermittelt losbricht, gibt das naturgewaltige Äquivalent zu den Seelenstürmen, die Hermanns Monolog hörbar werden läßt.

Auch musikhistorische Vexierbilder gibt es: Das Schäferspiel im dritten Bild bildet als romantische Metamorphose eines zierlichen Rokoko-Theaters as Negativbild zu den emotionalen Verstrickungen zwischen den handelnden Personen: Jeletzki - Lisa - Hermann.
Im vierten Bild zitiert Tschaikowsky während der Traumsequenz der Gräfin Musik aus Gretrys Richard Löwenherz (Paris, 1784).

Aufführungs-Probleme

Die Partien der beiden Hauptdarsteller gehören zu den anspruchsvollsten Gesangsrollen im slawischen Repertoire: Hermann muß über heldische Qualitäten ebenso verfügen wie über die Leichtigkeit in den balladesken Nummern wie seinem Lied im letzten Bild, aber auch lyrische Phrasen im Duett mit Lisa ohne Schwierigkeiten meistern.
Lisa wiederum muß in ihrer großen Szene an der Newa intensivsten Ausdruck mit phrasierungstechnisch heiklen Balanceakten im Übergang zum höchsten Register kombinieren.

Demgegenüber haben die Baritone leichtes Spiel: Fürst Jeletki mit seiner gewinnenden Liebeserklärung im dritten Bild und Graf Tomski mit seiner Erzählung von den »Drei Karten« und dem launigen Couplet im Spielsalon.

Nicht selten windet das Publikum bei Aufführungen dieser Oper die Lorbeerkränze dem Sänger des Jeletzki und, so es sich um einen Publikumsliebling im Ausklang der Karriere handelt, der Gräfin...

Die Handlung

I
Promenade - Smalltalk - der Kavallerieoffizier Hermann gesteht seinen Kameraden, sich in Lisa verliebt zu haben, die Verlobte des Fürsten Jeletzki. Graf Tomski weiß Geschichten von Lisas strenger Großmutter zu erzählen: Sie wüßte, munkelt man, als einst leidenschaftliche Spielerin (genannt: »Pique Dame«) um das Geheimnis der drei gewinnbringenden Karten.

Monolog: »Drei Karten«
Ein Gewitter bricht herein, Hermann ist besessen von der Idee, Lisa zu verführen und das Geheimnis der drei Karten zu lüften.

II
Melancholische Atmosphäre in Lisas Zimmer. Polina versucht ihre Freundin mit Liedern aufzuheitern, doch die Gräfin fährt aus dem Nebenzimmer dazwischen: Die Mädchen mögen sich zurückziehen.
Hermann dringt über die Terrasse ins Zimmer ein und bedrängt Lisa, die sich nach kurzem Zögern ihrer Leidenschaft hingibt.

III
Maskenball in den Gemächern der Gräfin.
Jeletzki bemerkt, daß Lisa ihm ausweicht und versichert sie seiner innigen Liebe.
Arie des Jeletzki

Während ein Rokoko-Schäferspiel aufgeführt wird, kann Hermann Lisa überreden, ihm den Schlüssel zum Gemach der alten Gräfin auszuhändigen. Im Trubel um das Erscheinen der Zarin Katharina gelingt es den beiden, unbemerkt u entweichen.

IV
Die Gräfin träumt von ihrer Jugendzeit und den rauschenden Festen in Versailles. Herman erscheint und bestürmt die Gräfin, ihm das Geheimnis der Karten zu verraten. Die Gräfin wird vor Schreck vom Schlag getroffen. Lisa, vom Lärm geweckt, stürzt herein und muß verzweifelt erkennen, daß Hermanns Interesse nicht ihr gegolten hat.

V

Lisa hat Hermann vergeben und bittet ihn in einem Brief um ein Treffen.

Arie der Lisa
Doch Hermann erscheint in einem Alptraum die Gräfin und nennt ihm drei Karten: »Drei, Sieben und das Ass«

VI
Lisa wartet verzweifelt am Treffpunkt am Ufer der Newa. Doch Hermann stürzt an ihr vorbei, besessen vom Gedanken der »Drei Karten«. Lisa sucht im eiskalten Fluß den Tod.

VII
Abend im Casino.
Tomskis Lied mit Chor
Tatsächlich gewinnt Hermann mit der »Drei« und der »Sieben« enorme Summen. Als er nach kurzem, räsonierendem Innehalten
Lied des Hermann
auf das Ass setzt, hält Fürst Jeletzki mit mit. Und die letzte Karte ist nicht das Ass, sondern die Pique Dame. Den Geist der Gräfin vor sich, richtet sich Hermann selbst.



↑DA CAPO