Mignon
Ambroise Thomas nach Goethe
1866 Paris
PERSONEN DER HANDLUNG
Wilhelm Meister (Tenor) – Friedrich (Tenor oder Sopran) – Philine, Sängerin (Sopran) – Laertes, Schauspieler (Tenor) – Lothario (Baß) – Mignon (Sopran oder Mezzosopran) – Jarno, Führer einer Zigeunerbande (Baß) – Antonio, Diener (Baß)
Deutschland und Italien um 1790
Die Librettisten Barbier und Carré haben Elemente aus Goethes Bildungsroman (1795/96) melodramatisch adaptiert und die Gegensätze zwischen den beiden Frauengestalten herausmodelliert.
1. Akt
Wilhelm Meister, auf Bildungsreise, muß mitansehen, wie der brutale Zigeuner-Primas Jarno die junge Migon zwingt, für Schaulustige zu tanzen. Er zwingt sie, aufzuhören und erfährt, daß Mignon einst in Italien geraubt und an fahrende Schausteller verkauft worden ist.
Romanze: Connais-tu le pays
Er kauft Mignon frei, schließt sich aber selbst den Schauspielern Philine und Laertes an: Als Dichter will er sie begleiten, denn die kokette Philipe hat ihm den Kopf verdreht. Philines Verehrer Friedrich ist wenig begeistert, läßt sich aber überreden, der Gruppe zu Folgen. Mignon, die mit dem alten, verwirrten Harfner Lothario weiterziehen wollte, folgt den Schauspielern - in Männerkleidern.2. Akt
Mignon verfolgt mitleidig, wie sich Philine Wilhelm geefügig macht. Sie zieht heimlich ein Kleid Philines an und macht sich zurecht.
Styrienne: Je connais un pauvre enfant
Als hübsche junge Dame stürzt sie sich zwischen Friedrich und Wilhelm, die sich Philines wegen duellieren. Schweren Herzens gibt Wilhelm ihr zu verstehen, daß sie sich trennen müssen.Adieu, Mignon, courage
Lothario kann verhindern, daß sich die verzweifelte Mignon in den Teich stürzt.Währenddessen klatscht das Publikum im nahen Theater Philine frenetisch Beifall. Mignon wünscht, ein Brand mögen das Haus in Schutt und Asche legen. Lothario erfüllt ihr den Traum: Als die Vorstellung zu Ende geht, steht das Gebäude in Flammen. Philine schickt Mignon noch, Wilhelms Blumenstrauß zu holen.
Polonaise: Je suis Titania
Wilhelm kann das Mädchen noch aus dem Feuer retten.3. Akt
Wilhelm hat Mignon und Lothario nach Italien gebracht. Im verfallenden Stammsitz der Familie Cypriani, der versteigert werden soll, finden sie Unterschlupf. Wilhelm spiegelt der totkranken Mignon vor, Philine nie geliebt zu haben.
Romanze: Elle ne me croyait pas
Lothario, der seine geistige Klarheit wieder erlangt hat, erklärt den beiden, er selbst sei der Graf Cypriani. Nun errät Mignon die Wahrheit: Sie ist seine einst geraubte Tochter Sperata.Als sie die Stimme der herannahenden Philine vernimmt, schreit sie auf und stirbt.
»Fröhliche« Varianten
Das von Thomas komponierte, getreu Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre gestaltete Finale wurde entsprechend den Gesetzen der Opéra Comique bald durch ein Happy End ersetzt. In diesem bittet Philine Mignon um Vergebung.Forlane: Paysanne ou Signora
Wilhelm und Mignon finden ebenso zueinander wie Philine und Friedrich.Für die Londoner Premiere von 1870 verwandelte Thomas die Partie des Friedrich in eine Hosenrolle und ersetzte die Melodramen und Dialoge durch Rezitative.
Von den insgesamt vier verschiedenen Final-Kompositionen ist jene am beliebtesten geworden, in der Mignon, Wilhelm und Lothario zu einem versöhnlichen Schluß-Terzett ansetzen.
Mignon! Wilhelm! Salut à vous!
Die diskographische Situation bei diesem Meisterwerk ist deplorabel.
Die Studio-Gesamtaufnahme (Sony) mit Marilyn Horne und Alain Vanzo unter Antonio de Almeida ist vokal allzu ungleichgewichtig.
Der New Yorker Livemitschnitt mit Rise Stevens und Ezio Pinza als Lothario ist schwer aufzutreiben.
Am besten gesungen wird auf dem Querschnitt mit Irmgard Seefried in der Titelpartie Catherine Gayer (Philine), Keith Engen als Harfner und Ernst Haefliger als Wilhelm. (DG)
Daß hier in deutscher Sprache gesungen wird, gemahnt ein wenig an den Bannfluch, mit dem Richard Strauss einst alle französischen und italienischen Vertonungen deutscher literarischer Vorlagen belegt hat. Thomas' Musik ist von höchster Eleganz und Sensibilität. Für die Aufnahmegesellschaften hat sich das noch nicht als lohnend erwiesen.