Hamlet

Ambroise Thomas nach Shakespeare

1868 Paris
PERSONEN DER HANDLUNG
Hamlet (Bariton) – Claudius, König von Dänemark (Bass) – Laertes, Sohn des Polonius (Tenor) – Der Geist des verstorbenen Königs, Hamlets Vater (Baß) – Marcellus (Tenor) und Horatio (Bass), Freunde Hamlets – Polonius, Großkammerherr (Baß) – Zwei Totengräber (Bariton, Tenor) – Königin Gertrud, Hamlets Mutter (Mezzosopran) – Ophelia, Polonius' Tochter (Sopran)

Helsingör, spätes Mittelalter


1. Akt
Claudius heiratet Gertrud, die Witwe seines verstorbenen Bruders. Nachdem die Festgesellschaft den Saal verlassen hat, klagt Hamlet über den Tod seines Vaters
Vains regrets!
Ophelia klagt über Hamlets mangelnde Zuwendung, doch er versichert sie seiner Liebe. Laertes nimmt Abschied von Ophelia
Pour mon pays
und vertraut sie Hamlets Schutz an. Horatio und Marcellus berichten, der Geist von Hamlets Vater gehe um. – Tatsächlich raunt der Geist nachts auf der Schloßterrasse Hamlet zu, sein Bruder habe ihn vergiftet. Hamlet möge Rache nehmen, aber die Mutter verschonen.

2. Akt
Hamlet bleibt bewegungslos, als Ophelia ihm eine Liebesgeschichte vorliest. DAs Mädchen vertraut daraufhin Gertrud an, in ein Kloster gehen zu wollen. Die Königin beschwört sie, zu bleiben und sich um den schwermütigen Hamlet zu kümmern. Hamlet kündet dem Königspaar eine abendliche Unterhaltung an. Den Komödianten trägt er auf, das Stück »Der Tod des Gonzaga« aufzuführen und stimmt ein Trinklied an
Ô vin, dissipe la tristesse
– Der Hofstaat erscheint, Hamlet erläutert den Inhalt der Pantomime. Als der König bei der Darstellung des Giftmords an Gonzaga zusammenzuckt, beschuldigt Hamlet ihn, seinen Vater auf dieselbe Art ermordet zu haben.

3. Akt
Hamlet sinniert über Leben und Tod.
Être ou ne pas être
Anschließend belauscht er Claudius, der betend den Tod seines Bruders bereut.
Je t'implore, ô mon frère
Polonius entlarvt sich im Dialog mit dem König als Mitwisser der Tat. - Hamlet weist Gertruds Ansinnen zurück, er möge Ophelia heiraten. Vielmehr bezichtigt er die Mutter der Mittäterschaft an der Ermordung seines Vaters. Die Mutter bricht zusammen, als der Geist des toten Königs erscheint, um den Sohn erneut aufzufordern, die Mutter zu schonen.

4. Akt
Bauern beobachten, wie Ophelia, die den Verstand verloren hat, während ihres Frühlingsfestes singend in den See watet und ertrinkt.
Et maintenant écoutez ma chanson! Pâle et blonde

5. Akt
Zwei Totengräber schaufeln ein Grab. Laertes gibt Hamlet die Schuld an Ophelias Wahnsinn. Hamlet glaubt sich schuldlos. Während des Duells nähert sich der Trauerzug mit Ophelias Sarg. Hamlet will sich selbst richten, doch erneut erscheint der Geist seines Vater und erinnert ihn an seinen Auftrag. Hamlet tötet Claudius. Der Geist trägt Gertrud auf, sich ins Kloster zurückzuziehen und inthronisiert Hamlet unter dem Jube des Volks als neuen König.

Basierend auf einem Schauspiel von Dumas und Meurice, arrangierten die Librettisten den dramaturgisch gut aufgebauten Operntext für Thomas, in dem nur einige zentrale Szenen aus Shakespeares Original erhalten blieben. Ophelias Charakter wurde für die Opernversion völlig neu gestaltet. Daß sie vor ihrem Tod eine schwedische Ballade zu singen hat, ist der Uraufführungs-Ophelia zu verdanken: Die Schwedin Christine Nilsson gehörte zu den heftig umworbenen Primadonnen jener Ära - sie »spukt« noch als Christina Daé im Phantom der Oper.

Koloratursopranistinnen waren es auch, die dafür sorgten, daß Hamlet jahrzehntelang in den Spielplänen erhalten blieb. In der jüngeren Vergangenheit haben sich vor allem Baritone des Werks angenommen, denen Thomas eine der seltenen Gelegenheiten geschaffen hat, ohne tenorale Konkurrenz brillieren zu können.

Wie im Falle von Thomas' Mignon ist auch bei Hamlet die diskographische Situation nicht gerade rosig. Immerhin hat Thomas Hampson das Werk an der Seite von June Anderson und Samuel Ramey für EMI aufgenommen.

Vor allem aber gibt es eine exquisite Video-Aufnahme einer Produktion des Gran Teatro Liceo, Barcelona unter Bertrand de Billy mit Natalie Dessay und Simon Keenlyside, die der farbigen, abwechslungsreichen Partitur wirklich gerecht wird.



↑DA CAPO