Hugo von Hofmannsthal (1926)
→ Erster Aufzug
ERSTER AUFZUG
Gemach in Aithras Palast. Ein Ausgang ins Freie, nicht in der Mitte des Hintergrundes, sondern seitlich rechts. Zur Linken ein Tisch, schön gedeckt für zwei, zwei thronartige Stühle dabei. In der Mitte auf einem Dreifuss die alleswissende Muschel. An der rechten Seitenwand ein Thronsessel, auf dem Aithra sitzt - vor ihr auf einem niedrigen schemelartigen Stuhl die Dienerin, auf einer Harfe spielend. Draussen ist Nacht. Das Gemach ist schön erleuchtet
AITHRA
steht auf
Das Mahl ist gerichtet,
die Nacht schwebt nieder,
wo ist mein Geliebter?
Er lässt mich allein.
Ich laure: er kommt nicht -
Ich traure: wo. bist du?
O lass nicht so lange
die junge, die bange
Geliebte allein!
Die Nacht sinkt nieder,
lass heute nicht wieder,
Poseidon, die Freundin allein!
Wo bist du, Poseidon,
zart
wo bist du?
ungeduldig
Wo ist er denn?
MUSCHEL
Drei Tauben schweben
glänzend wie Perlen
fern überm Meer.
Sie grüssen dich
von Poseidon
und versichern
mit sanftem Girren
seine Liebe,
seine Treue,
seine Sehnsucht
immer auf s neue!
AITHRA
O du Lügnerin! Einmal sind es Reisende, einmal Delphine, einmal Tauben!
MUSCHEL
Seine Liebe, seine Treue
immer aufs neue!
AITHRA
heftig
Antworte mir ohne Umschweife: wo ist Poseidon?
MUSCHEL
sehr feierlich
Bei den Äthiopen!
AITHRA
zornig
Bei den Äthiopen?
DIENERIN
Ich laufe um das Fläschchen mit dem Lotossaft.
AITHRA
traurig
Ach, eine Zauberin sein und so ohnmächtig gegen den stärkeren Zaubrer!
DIENERIN
Ich laufe und hole das Fläschchen!
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
Du brauchst es!
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
Es wird dich beruhigen.
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
Du brauchst es!
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
Dann wühlet
kein Schmerz durch die Adern!
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
Dann stillet
sich innen das Hadern!
AITHRA
Ich will nicht!
DIENERIN
leise und sehr deutlich
Ein halbes Vergessen
wird sanftes Erinnern;
du fühlest im Innern
dir wiedergegeben
den göttlichen Mann!
Aithra setzt sich zu Tisch, kindhaft junge Mädchen schweben auf den Fussspitzen herein und bedienen sie
AITHRA
Ich will nicht betäubt sein, ich will mich zerstreuen!
Ich will Gesellschaft haben!
Für was ist mir denn Gewalt gegeben, jeden Sturm zu entfesseln,
jedes Schiff an die Klippen zu reissen!
MUSCHEL
Der Mann steht auf, er ist der einzige an Bord, der nicht schläft.
DIENERIN
kopfschüttelnd
"Der Mann steht auf!"" Sie sieht ein Schiff mit schlafenden Leuten.
MUSCHEL
Er weckt einen von den Schläfern auf -
DIENERIN
"von den Schläfern"
MUSCHEL
und gibt dem das Steuer in die Hand -
DIENERIN
"gibt dem das Steuer in die Hand"
MUSCHEL
Er selber steigt hinunter in den Schiffsraum.
DIENERIN
"Er steigt hinunter in den Schiffsraum."
AITHRA
hält im Essen inne
Von wem erzählt sie?
DIENERIN
Sie sieht ein Schiff mit schlafenden Leuten.
MUSCHEL
Jetzt ist er unten. Die Schlafende regt sich. Die Schlafende ist von allen Frauen der Welt die Schönste!
AITHRA
Warum gleich die Schönste! Wer kann das entscheiden?
MUSCHEL
Er beugt,sich zu ihr, er will sie küssen!
AITHRA
Eine schöne Frau, gut!
DIENERIN
Der Mann auf dem Schiff will die Schlafende, die seine Frau ist, küssen.
AITHRA
Und das ist alles?
MUSCHEL
Nein! Jetzt holt er -
AITHRA
nicht sehr gespannt
Was holt er?
MUSCHEL
Er greift mit der Linken ein Tuch -
DIENERIN
"ein Tuch,"
MUSCHEL
das will er über ihr Gesicht werfen -
DIENERIN
"über ihr Gesicht"
MUSCHEL
denn in der Rechten hält er einen Dolch - er will sie töten.
DIENERIN
Er greift mit der Linken ein Tuch -
MUSCHEL
Aithra, hilf doch! Der Mann ermordet die Frau!
DIENERIN
Aithra, hilf doch: der Mann auf dem Schiff ermordet seine Frau!
AITHRA
aufspringend
Wie denn? Was soll ich? Wer sind denn die Leute?
MUSCHEL
Helena ist es! Helena von Troja! Und er ist Menelas! Schnell! Er schleicht sich näher! Verdeckt er ihr mit dem Tuch das Gesicht, so ist sie verloren!
DIENERIN
Schnell! Er schleicht sich näher. Gleich ist sie verloren!
AITHRA
Sause hin, Sturm! Flieg hin wie der Blitz! Wirf dich auf das Schiff! Rede, was siehst du?
MUSCHEL
Der Sturm hat das Schiff! Er hat es! Er hat es!
Die Masten splittern! Die Schlafenden taumeln drunter und drüber. Weh! Sie scheitern.
DIENERIN
Sie scheitern!
AITHRA
Und die Frau? Und der Mann? Hat er sie ermordet, der Teufel?
MUSCHEL
Sie schwimmen! Da - er trägt sie. Befiehl doch Ruhe, lass alle sich retten!
AITHRA
Wer trägt wen? Legt euch, Wellen!
MUSCHEL
Menelas trägt Helena hoch in den Armen! Die brandenden Wellen machen ihm Platz und er schwingt sich ans Land.
AITHRA
Leg dich, Sturm, zu meinen Füssen! Hier ganz still!
- Eine Fackel, ihnen den Weg zu zeigen.
Die Dienerin packt eine Fackel, läuft hinaus. Der Sturm legt sich gänzlich
Ist es wirklich Helena? Die berühmte? So ist denn Troja gefallen! Und ich soll hier sie empfangen? In meinem Haus? Mit ihr reden? Mit Helena von Troja! Mit der berühmtesten, der gefährlichsten, der herrlichsten Frau der Welt.
Was wir sahen, da wir sehnten
träumend uns aus uns hinaus,
einmal kommt es, nächtig prächtig,
unversehens uns ins Haus!
Aithra zieht sich langsam zurück in ein Seitengemach nach rechts, wo sie aber dem Zuschauer sichtbar bleibt. Das Gemach bleibt einen Augenblick leer, dann kommt die Dienerin gelaufen, voran leuchtend, hinter ihr ein leicht gewappneter schöner Mann, der einen gekrümmten Dolch im Munde trägt und an der Hand eine sehr schöne Frau mehr hinter sich dreinreisst als führt, deren üppiges goldblondes Haar aufgegangen ist. Die Dienerin verschwindet.
Helena erblickt einen Spiegel, geht hin und steckt unbefangen ihr Haar auf. Menelas sieht sich um, befangen wie ein Mensch, der aus Finsternis ans Licht und aus Todesgefahr in ein schön erleuchtetes Zimmer kommt; dann legt er den Dolch, der schon nicht mehr zwischen den Zähnen, sondern in seiner Hand ist, auf den Dreifuss nächst der Muschel hin
MENELAS
Wo bin ich? Was ist das für ein Haus?
HELENA
sofort Herrin der Lage
Ein Feuer brennt. Ein Tisch ist gedeckt.
Will nicht mein Gemahl mit mir sitzen und essen?
MENELAS
leise und beklommen
Was haben die Götter mir zubereitet?
HELENA
Schön glänzt der Saal, zwei Throne stehen.
Ein König und eine Königin
sind hier erwartet. Setzen wir uns!
MENELAS
für sich
Nie werden wir beide zusammen essen.
HELENA
Der Mann und die Frau - so ward ich gelehrt,
teilen den Tisch und teilen das Lager.
MENELAS
Dein Lager war zuunterst im Schiff,
meines war droben unter den Sternen
zehn Nächte lang.
HELENA
lächelnd
Doch heute nacht war dir das zur Last.
Du kamst herab mit leisen Tritten -
MENELAS
erstaunt
Du schliefest nicht?
HELENA
leidenschaftlich
War ich's nicht, die dich nicht schlafen liess?
MENELAS
schmerzlich
Du warst es!
beiseite
Ahnt sie, was ich ihr antat
ohne den Sturm?
Oder ist sie ganz arglos?
Er tritt von ihr weg
AITHRA
Ein gräulicher Mann!
Wie er sich bitten lässt
zu etwas Schönem!
HELENA
Wohin trittst du?
Willst du noch einmal von mir weggehn?
Lieber, das fruchtet doch nichts.
AITHRA
Es ist nicht zu begreifen!
HELENA
Dir ist auferlegt,
mich nicht zu verlassen,
und mir ist verhängt,
zurückzukehren
in deine Arme,
und so ist es geschehn!
Sag doch, ob je
in all diesen Jahren
dein Wünschen gelassen hat von mir
nur für eine Stunde?
Menelas sieht zu Boden
Du schweigest. Siehst du?
MENELAS
qualvoll
Helena!
HELENA
mit voller Liebe
Menelas!
Sie tritt ihm entgegen, er weicht fast schaudernd zurück Helena ist dem Tisch näher getreten. Eine zarte, kindhafte Mädchengestalt schwebt auf Fussspitzen hinter dem Tisch hervor, füllt aus einem Mischkrug eine flache Trinkschale, bietet sie Helena dar
HELENA
ergreift die Schale, tritt mit ihr auf Menelas zu
Bei jener Nacht, der keuschen einzig einen,
die einmal kam, auf ewig uns zu einen;
bei jenen fürchterlichen Nächten,
da du im Zelte dich nach mir verzehrtest;
bei jener Flammennacht, da du mich zu dir rissest
und mich zu küssen doch dir hart verwehrtest,
und bei der heutigen endlich, da du kamest,
mich jäh und zart aus allem Schrecknis nahmest:
bei ihr, die mich aufs neu dir schenkt,
trink hier, wo meine Lippe sich getränkt!
Sie berührt mit den Lippen den Rand der Schale, reicht diese dann Menelas
MENELAS
finster
Ein Becher war
süsser als dieser,
herrlich gebildet,
aus dem trank Paris,
und nach seinem Tod
seiner Brüder viele.
sehr bitter
Du warst eine Schwägerin ohnegleichen!
HELENA
Aber du bist der Beglückte,
denn sie alle sind tot - und du bist mein Herr!
So nimm die Feige,
darein ich drücke
die Spur meiner Lippen,
und freue dich!
Das kleine Mädchen, das die Früchte gereicht hat, tanzt ab
MENELAS
grausam bitter
Zu viele, Helena, haben gekostet
von der herrlichen Frucht,
die du anbietest!
HELENA
Hast du aber von einem gehört,
der ihrer satt ward?
MENELAS
Heute nacht
trat ich zu dir,
dort, wo du schliefest,
um dich zu itöten!
HELENA
lächelnd und bezaubernd
Weil du nur so
und nicht anders glaubst zu empf angen
mein letztes Geheimnis:
darum meine Züge
willst du gewahren
zauberisch zärtlich im Tode verzerrt?
O Liebender, du ohne Mass und Grenzen!
MENELAS
ergreift den gekrümmten Dolch und bringt ihn ihr vor die Augen
Kennst du die gekrümmte Waffe?
HELENA
sehr ruhig
Als Paris vor dir lag
und fleht` um sein Leben,
entrissest du ihm
den krummen Dolch -
ich kenn` ihn recht wohl -
ausbrechend
und mit der eignen Waffe
durchschnittest du ihm die lebendige Kehle!
leise
Als Paris starb unter deinem Stahl,
den Tag wusstest du wieder,
dass du mir gehörtest,
und ich - ich gehöre dir!
MENELAS
nun fest entschlossen zur Tat
Helena! Merke zuletzt meine Rede!
Merke: Einem gehört ein Weib -
und ich will meine Tochter so aufziehn -
HELENA
unerschüttert
Deine? Ich denke, sie ist auch die meine!
MENELAS
ohne sich beirren zu lassen
So auf ziehn will ich meine Tochter
dass sie sich der Mutter
nicht braucht zu schämen!
Denn für eine Tote errötet man nicht.
HELENA
mit unbesiegbarer Kraft
Menelas, merke zuletzt meine Rede!
Einem gehört ein Weib
und so bin ich die deine!
Dich hab-' ich gewählt
aus dreissig Freiern,
mutigen, schönen!
HELENA
Sieh mir ins Gesicht -
und lass alles, was war,
alles, alles, ausser diesem,
dass ich dein bin!
MENELAS
Ich war nicht der erste der Helden
und nicht der zweite -
HELENA
Vergiss den bösen Traum,
wach auf bei deiner Frau!
MENELAS
Warum hast du mich gewählt
zu solchem Leiden?
Hab' ich im Traum Troj a verbrannt?
HELENA
Lasse, was war, und küsse mich wieder!
MENELAS
für sich
Nimmer darf das Kind sie sehn!
HELENA
In deinen Armen bring mich heim!
MENELAS
Bewahret mich rein, ihr oberen Götter!
HELENA
Helfet dem Weibe, ihr unteren dunklen!
MENELAS
Helfet, was sein muss, mir zu vollenden!
HELENA
Erde und Nacht,
Mond und Meer,
helf et mir jetzt!
MENELAS
Erde und Nacht,
Mond und Meer,
weichet hinweg!
HELENA und MENELAS
Erde und Nacht,
Mond und Meer,
MENELAS
helfet, was sein muss,
mir zu vollenden!
Bewahret mich rein,
ihr oberen Götter!
Helfet, was sein muss,
mir zu vollenden!
HELENA
Helfet dem Weibe, ihr
unteren dunklen!
Wach auf bei deiner Frau!
In deinen Armen bringe mich heim!
HELENA und MENELAS
Erde und Nacht,
Mond und Meer,
HELENA
helfet mir jetzt!
MENELAS
Weichet hinweg!
Die Lichter verdunkeln sich, nur der Mond fällt von draussen herein. Ein Strahl trifft Helenas Antlitz. Menelas - den Dolch erhoben, sie in die Kehle zu treffen, steht wie gebannt vor ihrer Schönheit. Sein Arm mit der Waffe sinkt
AITHRA
beschwörend
Ihr, grünen Augen
im weissen Gesicht,
die ihr lauernd listig
euch pappelnd vermummt,
Nachtelf en ihr,
lüstern Lebendiges
zu euch zu ziehn,
ich hab' hier im Haus
einen heissen Kerl,
einen rechten Raufbold,
den schafft mir vom Leib!
Vor Aithra erscheint flüchtig ein und der andre Elf, gleichsam um ihre Befehle entgegenzunehmen, und verschwindet ebenso rasch
Mit Lärm einer Schlacht
bestürmt ihm den Kopf,
narret ihn fest!
Lasst ihn anlaufen
an zwanzig Bäume,
sein Schwert in der Hand.
Dreht ihn! Drillt ihn!
Zwinkert und zwitschert!
Dreht ihn! Drillt ihn!
Belfert und balzt,
schnattert und schnaubt,
drommetet und trommelt!
Hudelt ihn! Hetzt ihn!
Flitz, flitz, flitz 1
Die Rückwand des Hauses wird durchsichtig, man erblickt das Treiben der Elfen, von denen einzelne sich als Krieger verkleiden, Helme aufsetzen, Schilde und Speere schwingen
HELENA
Ohne Zaudern
töte mich denn!
MENELAS
Wie liebliches Weh
noch in dieser Gebärde
die süsse Kehle
gedehnt wie dürstend
dem Eisen entgegen!
Abermals anspringend, hält er abermals inne
HELENA
Nimm mich ins Messer!
Nimm mich, Liebster!
DIE ELFEN
teilweise unsichtbar
Mit Lärm einer Schlacht
bestürmt seinen Kopf!
MENELAS
Wie ist mir?
DIE ELFEN
Drommetet und trommelt!
MENELAS
Was hör' ich?
DIE ELFEN
Paris hier!
Mit Lärm einer Schlacht
bestürmt seinen Kopf!
Haltet ihn fest.
MENELAS
Wer ruft? Was für Waffen?
DIE ELFEN
Paris hier! Hier steht Paris!
MENELAS
Paris hier?
HELENA
dringender
Was dein Herz begehrt,
tu endlich mit mir!
MENELAS
verwirrt
Auch ins Messer fällst du noch so?
Auch der Stich in den Hals
wird zärtlich sein?
DIE ELFEN
Paris!
MENELAS
Paris?
DIE ELFEN
Hier steht Paris!
MENELAS
Hier steht Paris?
Den Feldruf hör' ich!
Gehn die Toten hier um und rufen
und wollen noch einmal erschlagen sein?
DIE ELFEN
ganz nahe
Helena will ich wieder gewinnen!
MENELAS
Hier steht Menelas
und dein Tod!
Steh mir, Gespenst!
Er stürzt ab ins Freie
DIE ELFEN
Hahahahahahaha,hahahaha!
Paris hier!
Hahahahahahaha,hahahaha!
verschwindend
Paris hier!
Hahahahahahaha,hahahaha!
Helena wankt nun todmüde auf den Thron der Aithra und fällt dort mehr zusammen, als dass sie sich setzt. Aithra tritt hervor. Helena, bei ihrem Anblick, will aufstehen
AITHRA
Bleib sitzen! Schone dich!
Sie setzt sich auf den niedrigen Sessel
HELENA
Wer bist du? Wem ist dies Haus?
AITHRA
Du bist in Poseidons Haus, Helena, und bist mein Gast!
Doch lass uns keine Minute verlieren!
Ich werde dich retten, ich bin deine Freundin!
In wenigen Augenblicken kehrt der Fürchterliche zurück.
Oh, wie ich ihn hasse!
HELENA
steht auf, späht hinaus
Oh, wie ich ihn liebe!
MUSCHEL
lacht
Menelas! Jetzt läuft er wie ein Toller einem Nebelschwaden nach, den er für Helena hält!
HELENA
Troja ist dahin - und jetzt gehöre ich ihm!
DIE ELFEN
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!
Hetzt ihn auf s neu!
Jagt ihn im Kreis um sich selber herum!
Helena hier! Paris da!
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!
AITHRA
Du bist durchnässt,
meinst du zu trocknen
bedarf es des Feuers?
Ich trockne dich
mit meinen Augen!
HELENA
sieht Aithra lächelnd an
Wie sanfte Wärme mich durchdringt!
AITHRA
Die lieblichen Wangen
so entstellt
vom Salz des Meeres!
Sie streicht ihr die Wange
HELENA
Wie du mich anrührst!
AITHRA
Ohne Glanz die Haare!
Meinst du, ich brauche
Salben und Öl,
damit sie dir leuchten?
Sie streift leicht über Helenas Haar
HELENA
vor dem Spiegel, den auf Aithras Wink die Mädchen herangebracht haben
Wie ich erglänze!
AITHRA
entzückt
Allerschönste!
HELENA
Beste! Was hast du aus mir gemacht?
AITHRA
Dein herrliches Wesen zurück dir gebracht.
HELENA
nachdem sie sich abermals an dem eigenen Spiegelbild geweidet
Was machst du aus mir?
So sah die aus, die Menelas
in seine Brautkammer trug.
Bin ich so jung und soll sterben?
AITHRA
mit der Trinkschale
Nicht sterben! Leben! Leben!
Schnell! Trinke!
HELENA
nimmt die Schale
Wer bist du?
DIENERIN
ganz leise, nur hauchend
Ein halbes Vergessen
bringt sanftes Erinnern.
HELENA
Was ist das für ein Trank?
DIENERIN
leise
Du fühlest im Innern
dir wiedergegeben
dein unschuldig Leben -
HELENA
für sich, leise
Wie ist mir auf einmal?
Wohin schwindet meine Angst?
DIENERIN
und wie du dich fühlest,
so bist du fortan!
AITHRA
Wie die Nacht aus deinen Augen schwindet!
HELENA
Wer bist du?
AITHRA
Deine unbedeutende Freundin Aithra!
HELENA
Zauberin!
AITHRA
Schönste!
Sie fassen einander bei den Händen
AITHRA und HELENA
Stärker als Krieger, reicher als Könige
sind zwei Frauen, die sich vertrauen!
HELENA
tritt noch einmal vor den Spiegel, dann wendet sie sich beseligt
Wer tötet Helena, wenn er sie ansieht?
Aithra betrachtet sie voller Bewunderung
Wie leicht wird alles!
AITHRA
Recht so! Trinke! Und vergiss deine Angst!
Sie reicht ihr abermals die Schale
HELENA
nachdem sie getrunken, fröhlich wie ein Kind
Menelas! Warum denn mich töten?
Sie schwankt wie schlaftrunken, die kleinen Mädchen drücken sich an sie und stützen sie
Schlafen! - Mich schläfert - Schläfst du neben mir, Liebster?
AITHRA
Wie stell' ich‘s an, sie zu retten?
Muschel, wo ist er?
MUSCHEL
Ganz nahe!
HELENA
Ich hab's gehört - schon in halben Schlaf hinein -
wie ein Schlummerliedchen
Ganz nahe
schon schwebt mir
ein unschuldig Glück.
Gebt acht: ich entschwinde!
Nein, lasset: ich finde
schon wieder zurück!
Sie schliesst, auf die Kleinen gestützt, die Augen.
DIENERIN
an der Tür hinausspähend
Der Nebelstreif flattert vor ihm!
Hierher zu! Auf das Haus!
Er mit dem Schwert hinterdrein!
Er kommt!
DIE ELFEN
Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha,
Narret ihn fest,
Ha, ha, ha, ha,
jagt ihn im Kreis um sich selber herum!
AITHRA
Leget sie auf mein Bett! Und kleidet sie im Schlaf in mein schönstes Kleid! In das blaue! Fort! Alle fort!
Die Kinder schweben mit Helena ab ins linke Gemach. Menelas, den Dolch in der Faust, kommt von aussen hereingestürzt als ein Verfolgender. Aithra springt ihm aus dem Weg, birgt sich in den Vorhängen und schreit
Ai!
DIE ELFEN
Ai!
MENELAS
verstört vor sich hin
Im weissen Gewand - zerrüttet das Haar -
und doch schöner als je
flüchtete sie in Angst - und warf
zwei herrliche Arme - um eine verfluchte Gestalt,
die im Mondlicht aussah wie Paris!
Mit einem Streich doch traf ich die beiden!
Ich Verfluchter!
Auch mein Kind seh' ich nicht wieder -
O Waise ohne Vater und Mutter!
AITHRA
tritt hervor
Fürst von Sparta, du bist mein Gast!
MENELAS
völlig verstört, sucht eilig den, wie er meint, blutigen Dolch unter dem Vorhang zu verbergen. Dumpf und vor sich hin
Fremdes Weib - Insel der Schrecken!
Mörderisch Haus! - Graues Geschick!
AITHRA
leise zu den Dienerinnen
Das Lotosfläschchen! Er hat es nötig! Schnelles Vergessen grässlichen Übels!
Die Dienerinnen bringen den Becher und den Mischkrug, giessen ein, träufeln aus dem Fläschchen in den Trank.
Aithra winkt Menelas, den niedrigen Sitz einzunehmen
MENELAS
Hier sitzen bei dir als ein friedlicher Gast?
So weisst du nicht, wer deine Schwelle betrat?
AITHRA
winkt ihm nochmals, er setzt sich
Leise! Nicht störe den lieblichen Schlummer der schönsten Frau:
sie schläft da innen
ermüdet von einer langen Reise!
MENELAS
Wer?
AITHRA
Deine Frau.
MENELAS
Du redest von wem?
AITHRA
Von Helena doch! Von wem denn sonst?
MENELAS
Die schliefe?
Er springt auf
AITHRA
Da innen auf meinem Lager!
MENELAS
für sich
Zerspalten das Herz!
Zerrüttet der Sinn!
Weh in den Adern,
weh eurer Pfeile
lernäisches Gift!
Ach nur für Stunden,
für wenige Augenblicke
ziehet die Spitzen
der Pfeile zurück!
Gebt mir mich selber,
mein einig Wesen
der unzerspaltenen
Mannheit Glück!
O gebt, ihr Götter,
o gebt mir mich selber,
gebet mir Armen
mich selber zurück!
AITHRA
zögernd einsetzend
Menelas - gedenkst du des Tages
vor dreimal drei Jahren,
da du sie verliessest - und zogest zur Jagd?
MENELAS
sie völlig verstehend, mit zornig verfinsterter Miene
Du! Sprich nicht von Paris und jenem Tage!
AITHRA
Höre! Seit jenem verwunschenen Tage
hast du deine Frau mit Augen nicht wieder gesehn!
Menelas hebt jäh die Hände über seinen Kopf
AITHRA
steht auch auf, tritt dicht vor ihn
Merke! Als jener frech und verwegen
ausreckte die Hand nach deinem Weibe -
heimlich sorgten die Götter um dich -
MENELAS
Hüte dich Weib, dass ich dich nicht strafe!
AITHRA
Furchtbar sind deine Blicke, Fürst!
Trinke hier aus diesem Becher,
trinke mit mir!
Sie trinken beide, Aithra nur zum Schein
Heimlich sorgten die Götter um dich:
In die Arme legten sie ihm
ein Luftgebild, ein duftig Gespenst,
womit sie narren die sterblichen Männer!
DIE ELFEN
unsichtbar
Ein Luftgebild, ein duftig Gespenst,
womit Götter narren die sterblichen Männer,
ja ja, ja ja, ja ja, ja ja!
AITHRA
Dein Weib indessen, die schuldlose Schöne,
verbargen sie an entlegenem Ort
vor dir und der Welt!
MENELAS
An welcher Stätte? Achte die Worte,
bevor du sie redest!
noch dringender
An welcher Stätte?
AITHRA
Am Hang des Atlas steht eine Burg,
mein Vater sitzt dort: ein gewaltiger Herr
und gefürchteter König!
Drei Töchter wuchsen im Hause auf,
zauberkundig alle drei:
Salome, die stolze,
die schöne Morgana
und Aithra, die junge!
MENELAS
Hüte dich, Weib!
AITHRA
Zu uns ins Haus brachten sie schwebend deine Frau!
MENELAS
Hüte dich, Weib!
AITHRA
Schuldlos schlummernd,
wähnend, sie liege in deinen Armen,
lag sie bei uns
die Jahre im Haus.
Dieweilen thronte
das Luftgespenst
zuoberst unter Priamus Töchtern
und buhlte mit seinen herrlichen Söhnen
und freute sich am Brande der Welt
und am Tc>de der Helden Tag f ür Tag!
MENELAS
Die, welche hier meinem Drohen trotzte?
AITHRA
Ein Luftgebild!
DIE ELFEN
Ein Luftgebild!
AITHRA
Die Wespe die!
DIE ELFEN
Die Wespe,die! Ein Luftgebild! Ein Gespenst!
MENELAS
Hier noch stand sie
unsagbar lieblich!
AITHRA
Ein Luftgebild!
MENELAS
Ein Luftgebild!
AITHRA
Ein Gespenst!
MENELAS
Furchtbares Weib!
Deine Worte sind furchtbar
und stärker als alle trojanischen Waffen!
Du raubst sie mir völlig
mit zitterndem Hauch
aus lächelndem Munde!
weh, nun erblick' ich sie nimmer wieder,
ich ganz unseliger Mann!
AITHRA
leise
Wenn ich sie nun in die Arme dir lege,
die du verloren
vor dreimal drei Jahren und einem Jahre -
Die herrliche Reine,
die Unberührte!
MENELAS
Ich werde sie sehn?
AITHRA
Du wirst sie sehn,
mit diesen Augen!
MENELAS
So ist es wahr: es wohnen in Höhlen
auf einsamer Insel Zauberinnen,
die zeigendem, der zu ihnen dringt,
die Bilder der Toten!
AITHRA
Du wirst sie sehn!
Bereite dich!
MENELAS
in grösster Verwirrung
Was werde ich sehn!
Unseliger Mann!
AITHRA
Was ficht dich an?
Bereite,dich!
MENELAS
O furchtbare Stunde!
AITHRA
Bereite dich!
MENELAS
Vom Reiche der Toten -
AITHRA
Bereite dich!
MENELAS
grässliche Kunde!
AITHRA
Bereiteclich!
MENELAS
Ich höre Becken
dumpf geschlagen,
Nachtgeister bringen
die Tote getragen!
AITHRA
Was horchst du hinunter?
Zärtlich verzaubert dich was denn aufs neue?
Sieh hin, was dir die Götter bereiten!
Sie winkt. Das Hauptgemach verfinstert sich, und nur aus dem Gemach zur Linken dringt eine Helle hervor. Die Vorhänge heben sich, und auf einem breiten Lager wird Helena sichtbar, lieblich entschlummert, in einem strahlend blauen Gewand. Sie öffnet die Augen
ELFEN
1. Hälfte
O Engel, für Elfen
arglistig arme,
die zwinkern im Zwielicht -
allzu herrlich!
ELFEN
2. Hälfte
Hi hi hi hi, hi hi hi hi.
AITHRA
zu den Elfen
Ihr Nachtgesindel
schweigt nun schon!
Schmiegt euch zuFüssen der Herrin!
Helena hebt sich langsam vom Lager, vom Schlaf erquickt, in strahlender Schönheit
MENELAS
der kaum wagt, hinzusehen
Die ich zurückliess auf meinem Berge,
die ich zu denken nie gewagt,
die Jungfrau, die Fürstin, die Gattin, die Freundin!
O Tag aus dem jenseits, der nächtlich mir tagt!
Helena steigt vom Lager herab, mit reizendem Staunen blickt sie um sich. Aithra, die neben Menelas stand, gleitet lautlos zu Helena hinüber; was sie sagt, ist zum Schein zu Menelas gesprochen, in der Tat flüstert sie es Helena ein
AITHRA
Am Hang des Atlas
steht eine Burg,
da lag sie und schlief -
dieweilen thronte
das Luftgespenst,
ihr gleichgebildet,
die Wespe die,
auf Priamus Burg
und sag zu oberst
unter den Töchtern -
drei Schwestern hüteten Helenas Schlaf.
Helena ist währenddem vollends herabgestiegen. Es scheint, als ginge sie auf Menelas zu, aber scheu, mit gesenktem Blick und wie mit gefesselten Füssen. Zu beiden
Nie Erahntes bereiten die Götter ihren erwählten herrlichen Kindern!
MENELAS
bebend
Die zu denken ich mir verwehrte!
HELENA
leise, mit gesenkten Augen
Bin ich noch immer die einstens Begehrte?
AITHRA
triumphierend und halblaut zu Menelas
Sieh doch den Blick zur Erde gesenkt!
Wo ist nun das brennende Auge
jener, die vom Manne gekostet?
Wage doch endlich bezaubert zu sein!
MENELAS
Was tun? Sie reissen
das Herz mir in Stücken!
Mit ihrem Entrücken,
mit ihrem Beglücken
was tun? Sie reissen das Herz mir entzwei!
AITHRA
ihm Helena zuführend
Die Reine!
MENELAS
Was tun?
HELENA
innig scheu
Die Deine!
MENELAS
leidvoll
Was tun?
DIE ELFEN
höhnend
O Schönste der Schönen -
AITHRA
dringender
Empfange!
MENELAS
beklommen
Was tun?
ELFEN
chi chi chi chi
chi chi chi chi
HELENA
zurückweichend
Wie darf ich?
AITHRA
Nicht zage!
MENELAS
Was sagen?
AITHRA
Wir reissen das Herz nicht entzwei!
HELENA
angstvoll
Was sag' ich?
MENELAS
Sie reissen das Herz mir entzwei!
HELENA
Und reisse das Herz ihm entzwei!
DIE ELFEN
O Schönste der Schönen -
so billig willst du
die Götter versöhnen?
chi chi chi chi chi chi
chi chi chi chi
HELENA
zur Seite tretend, sich von Aithra, die ihre Hand ergriffen hat, lösend
Lass ihn! Er will mich nicht!
ELFEN
chi chi chi chi chi
chi chi chi chi chi
MENELAS
Wer bist du, Wesen, das einer ewig
jungen Göttin gleicht - und meiner Frau?
HELENA
Lass ab! Er verschmäht mich.
mit verhohlenem Triumph
Er liebt jene andre!
ELFEN
chi chi chi chi
chi chi chi chi
MENELAS
die Augen zu Helena hebend, mit tiefster Innigkeit
Wie gewänne ich Gunst in deinen Augen -
da ich um jener willen dich verliess?
Helena wirft ihm einen Blick zu und schweigt
AITHRA
Antworte ihm, der so liebt!
HELENA
sehr innig
Ich weiss von keinem, der mich verliess,
nur von einem,
der liebend bei mir war
in meinen Träumen,
indessen ich schlief!
MENELAS
So weisst du von keinem,
der dich verliess -
nur von einem,
der liebend bei dir war,
weil er dich erwählte!
HELENA
drückt ihren Kopf an seine Schulter
Weil er mich erwählte!
AITHRA
Schnell nun rüst' ich das Schiff
und schicke euch heim!
DIE ELFEN
spottend
Nun rüstet das Schiff
und schicket sie heim!
ha ha ha ha, ha ha ha ha!
Das Spiel ist aus!
Nachdem Helena sich von Menelas gelöst hat, geht sie, erschrocken über Aithras Wort, auf diese zu
AITHRA
ihr ins Gesicht sehend
Wie - oder nicht?
DIE ELFEN
sehr gedehnt fragend
Wie - oder nicht?
HELENA
halblaut
Mir bangt vor dem Haus!
Verzaubert im Neuen
mir bangt vor dem Alten!
Lass mich mich freuen,
lass mich ihn halten!
ELFEN
Wie - oder nicht?
HELENA
Wo niemand uns kennt,
wo Helenas Name
ein leerer Hauch
wie Vogellaut,
wo von Troja nie
kein Ohr vernahm,
dort birg uns der Welt
für kurze Frist,
vermagst du das auch?
AITHRA
schnell, halblaut
Zu Füssen des Atlas
liegt eine Oase:
ein zauberisch Zelt
bau' ich euch dort -
HELENA
Und wie die Fahrt?
AITHRA
Auf meinem Bette
ihr legt euch liebend
und schlummert ein -
den Mantel werf 'ich
über euch!
MENELAS
für sich, zwischen Jubel und Beklommenheit
Mit ihrem Entrücken,
mit ihrem Beglücken
sie wenden mit Händen
das Herz in der Brust!
AITHRA
Der Mantel trägt euch,
und ihr erwacht
am erleuchteten Ort
zu zweien allein!
MENELAS
Zu Füssen des Atlas?
Ein zauberisch Zelt?
HELENA
Zauberin! Liebste,
zu zweien allein!
MENELAS
mit den Augen an Helena hängend
Ihr jähen Götter!
nun gebt mir mich selber,
nun gebt mir die Jugend,
schnell gebt sie zurück,
damit ohne Zagen
ich wage zu tragen
dies jähe Glück!
AITHRA
zu Helena
Das Nötigste nur
in eine Truhe,
ich schicke es mit!
leise
Das Fläschchen vor allem,
Lotos, der liebliche
Trank des Vergessens,
dem alles wir danken!
Vielleicht bedarf es
etlicher Tropfen
bedeutungsvoll
von Zeit zu Zeit
in seinem Trank
oder in deinen -
MENELAS
Wie lieblich sie flüstern,
die reizenden Frauen,
wie klug sie blicken!
AITHRA
- damit das Böse
vergessen bleibe
und ruhe unter
der lichten Schwelle
auf ewige Zeit!
HELENA
mit ihr wie ein Gebet
Damit das Böse
darunten bleibe
vergraben unter
der lichten Schwelle
auf ewige Zeit!
MENELAS
für sich
O meine Tochter,
glückliches Kind!
Welch eine Mutter,
welch eine Schwester
bring' ich dir heim!
Helena tritt auf die Schwelle vom Schlafgemach und blickt von dort nach Menelas um. Menelas ist bei ihr, kniet nieder, drüclct den Kopf an ihr Knie. Sie zieht ihn zu sich empor. Der Vorhang zum Schlafgemach entzieht sie den Blicken. Im Hauptgemaah ist lautlos die Dienerin eingetreten. Aithra winkt ihr, die Lichter zu löschen. Sie ergreift den schwarzen Zaubermantel, der vor ihrem Thron liegt. Im Hauptgemach erlöschen die Lichter, so auch im Schlafgemach
DIE ELFEN
unsichtbar, leise, aber boshaft
Auf ewige Zeit!
hahahaha!
Die teuren Seelen!
Das Beste verhehlen,
hahahaha,
das darf nicht sein!
Aithra, den Mantel haltend, scheint noch zu zögern, sie ist vom Mondlicht unsicher beleuchtet. Im Nebengemach rechts wird bei schwachem Licht die Dienerin sichtbar; sie legt Gewänder in eine Truhe, zu oberst Kostbarkeiten, darunter das Fläschchen, das sie in einen goldenen Behälter verschliesst
AITHRA
stampft auf
Wollt ihr jetzt schweigen?
Aithra wartet noch eine Weile, bis alles still ist. Auch die Dienerin hat die Truhe verschlossen und ist auf ihren Armen eingeschlafen. Aithra wendet sich jetzt, den Mantel schwingend, dem Schlafgemach zu
Vorhang
→ Zweiter Aufzug
ZWEITER AUFZUG
Ein Gezelt, weit geöffnet auf einem Palmenhain, hinter dem das Atlasgebirge sichtbar wird. Zur Linken Eingang in den inneren Raum des Gezeltes. Hier steht eine Truhe mit reichen vergoldeten Beschlägen. Helena entnimmt dieser einen goldenen Spiegel und flicht Perlenschnüre in ihr Haar. Menelas schläft zu ihren Füssen auf einem Pfühl
HELENA
indem sie ihr Haar aufsteckt
Zweite Brautnacht!
Zaubernacht,
überlange!
Dort begonnen,
hier beendet:
Götterhände
hielten das Frühlicht
nieder in Klüften;
spät erst jäh
auf flog die Sonne
dort überm Berg!
Perlen des Meeres,
Sterne der Nacht
salbten mit Licht
diesen Leib.
Überblendet
von der Gewalt
wie eines Kindes
bebte das schlachterzogene Herz!
Knabenblicke
aus Heldenaugen
zauberten mich
zum Mädchen um,
zum Wunder ward ich mir selbst,
zum Wunder, der mich umschlang.
Aber im Nahkampf
der liebenden Schwäne
des göttlichen Schwanen Kind
siegte über den sterblichen Mann!
Unter dem Fittich
schlief er mir ein.
Als meinen Schatz
hüte ich ihn
funkelnd im goldnen Gezelt
über der leuchtenden Welt.
MENELAS
erwacht
Wo ist das Haus?
blickt mit Staunen um sich
Die Zauberin wo?
heftig
Wer bist du?
er besinnt sich des jäh Erlebten
Ach! Wüsst' ich das nicht?
Sie wusch mich rein von Helenas Blut,
her führte sie dich und gab dich mir!
immer mit einem Beiklang des erstaunten Nachsinnens
Doch welch ein Trank ward mir gegeben?
Wie sänftigt' jäh er meine Wut?
Wie fand ich Kraft, mich neu zu heben,
dich zu empfangen wie den Mut?
HELENA
Aufs neu von ihm muss ich dich tränken,
er sänftigt wunderbar dein Blut -
nie darfst du sie als Fremde kränken,
die dir auf deinem Lager ruht!
Sie geht gegen die Truhe
MENELAS
immer in der gleichen fragenden Befangenheit
Wie kamest du, dich mir zu neigen
dem einsamen verwaisten Mann?
Von wo sah ich empor dich steigen?
Wie zog ich dich zu mir heran?
HELENA
sich abermals ihm voll zuwendend
Erkenne doch die ewig Deine!
Tritt dir nicht unser Brauttag nah?
Erkenn in seinem sanften Scheine,
erkenne: dies ist Helena!
MENELAS
Der Brauttag rühret
mich geisterhaft an:
Die Nymphe erküret
den sterblichen Mann.
fast angstvoll gequält fragend
Aus welchen Reichen
steigt sie hervor
ein herrlich Gleichen
dem Aug‘ und dem Ohr?
HELENA
O lass zu dir dringen
das köstliche Hier,
der Gattin Umschlingen
im Zauberrevier!
Den Becher zur Hand
Sie wendet sich der Truhe zu, entnimmt ihr ein schönes Gewebe, worin der Becher eingehüllt, indem sie dies emporhebt, gleitet auch Menelas krummes Schwert aus der Hülle und fällt ihr vor die Füsse
ich bring' ihn gleich,
der ewig dich bannt
ins Freudenbereich!
MENELAS
springt hin und fasst das Schwert, sie wegdrängend
Dahin der Becher! Dies ist das Schwert!
Dies ist das Schwert, mit dem ich sie schlug!
Von allen unseligen Wesen der Welt
kam keines ihr nah - wie dies Schwert und ich!
wendet den Blick fast mit Grauen auf Helena
Reizende du -
Spiegelbild,
flötende Stimme,
fliehe vor mir!
Dass der Erwachte dich nicht jage!
Denn die Unglücklichen sind gefährlich,
wenn man sie reizet!
HELENA
Von dir jage die Helena denn,
du Ungeheurer unter der Sonne!
MENELAS
O süsses Gebild
zu trüglicher Wonne
gesponnen aus
der flirrenden Sonne -
Luftsirene!
Nicht nahe dich!
Den Arm nicht dehne!
Nicht fahe mich!
Wem ungeheuer
Grausen tagt,
dem Abenteuer
bleibt er versagt!
Er wendet sich, das Schwert an die Brust gedrückt, als wolle er vor ihr ins Ungewisse fliehen
HELENA
indem sie das goldene Gehäuse, worin das Fläschchen mitsamt dem Becher in die Truhe zurückwirft
Ohnmächtiger Trank, fahre dahin!
Dem Falschen die Falsche hast du vermählt!
Der mich gesucht durch Flammen und Tod,
er flieht vor mir in die Wüste hinaus!
Aus flirrender Stille schlage der Blitz!
Dunkle Gewalt breche herein!
Was scheinversöhnet entzweie sich neu!
Wir ducken uns nicht unter dem Streich,
entgegen recken wir unser Haupt!
Das Annahen einer Reiterschar, jäh wie ein Sturmwind, wird hörbar
MENELAS
Aus flirrender Stille
was naht heran?
Durch rötlichen Staub
funkeln die Lanzen!
HELENA
Menelas! Her!
Schütze, was dein ist!
Krieger der Wüste in Kettenpanzern eilen heran und nehmen im Hain ausserhalb des Zeltes Stellung. Läufer stürmen herein, werfen sich vor Helena nieder. - Altair, der Fürst der Berge, ein königlicher Mann mit rabenschwarzem Haar, tritt heran, Bannerträger ihm zur Seite. Er lässt sich auf einem Knie vor Helena nieder, indem er mit der Hand die Erde, dann die Stirn berührt. Die Läufer erheben sich und stellen sich im Hintergrund vor die Lanzenträger. Altair erhebt sich auf ein gnädiges Zeichen von Helena und winkt seinem Gefolge. Die Läufer treten auseinander. Zwei schwarze Sklaven laufen hervor und breiten vor Helenas Füssen einen golddurchwirkten Teppich. Helena lächelt und setzt sich auf die Truhe, die mit ihren goldenen Beschlägen einem Thronsitz gleicht. Menelas, das blosse Schwert in der Hand, tritt hinter Helena. Altair steht ausserhalb des Teppichs. Helena winkt ihm mit anmutiger Herablassung, den Teppich zu betreten. Altair tut es, indem er am Rande des Teppichs noch einmal die Knie zur Erde beugt. Helena sieht sich nach Menelas um und winkt ihm, sich neben sie zu setzen. Dann bedeutet sie Altair, indem sie ihr Kinn gegen ihn hebt, zu sprechen
ALTAIR
mit gesenktem Antlitz
Mir ist befohlen:
ich breite dies Land,
o Ungenannte, vor deinen Fuss!
HELENA
lächelt
Wer gab so schönen Befehl?
ALTAIR
So will es Aithra,
so will es Morgana,
und Salome gebietet es so!
Der ich dies Land
zu Lehen trage
von ihnen dreien
Königinnen -
er hebt den Kopf und erblickt Helena
Du Göttin, die schön ist
wie steigende Sonne,
gewaltig gleich
einem Heer, das funkelnd
in heiligen Kampf zieht,
ich neige mich dir in den Staub!
HELENA
Fürst der Berge, wir grüssen und danken!
Das Gefolge tritt auseinander und gibt dem Blick eine Gasse frei. Hinten werden von Schwarzen grosse Truhen vorbeigetragen, so, als nähmen sie die Richtung auf den rückwärtigen Zelteingang. Helena steht auf und tritt auf Altair zu; Menelas ist gleichfalls aufgestanden. Indem sich Helena wendet, stürzen drei bis auf die Augen verhüllte Mädchen zu ihren Füssen. Die Mädchen sind schnell aufgesprungen, und ihre Stelle hat eine kleine Schar von schlanken Jünglingen eingenommen, fast noch Knaben - unter ihnen Da-ud, die sich vor Helena mit gesenkten Häuptern auf die Knie werfen
ALTAIR
dies alles mit gebietender Gebärde beherrschend, aber den Blick leidenschaftlich auf Helena gerichtet
Eilig zusammengeraffte Gaben,
unwert des Hauchs
deiner furchtbaren Lippen!
Befiehl, und im spielenden Kampfe
fliesset das Blut dieser Knaben,
jauchzend vergossen
für einen einzigen Blick
aus deinen goldenen Wimpern!
Er wirft sich auch vor ihr nieder und drückt den Saum ihres Gewandes an die Lippen
MENELAS
auf dies alles hinblickend, leidvoll entrückt
O Spiegelbild!
So stand meine Frau
auf den Zinnen von Troja!
Lodernd so brannten
die Könige auf,
ach! und die Greise
bei ihrem Anblick
und alle riefen:
DIE JÜNGLINGE und ALTAIR
springen auf, und indem sie ihre Schwerter aus der Scheide reissen und gegen Himmel stossen, rufen sie wild
Heisse uns sterben im Sande
für einen einzigen Hauch
von deinen verschlossenen Lippen!
DA-UD
mit höchst gesteigerter Ergriffenheit eines jungen Herzens, einen Schritt hervortretend
Denn es ist recht, dass wir kämpfen
und dass wir sterben im Blachfeld
um dieser willen -
denn sie ist die Schönste auf Erden!
Er verhüllt sich und tritt hinweg
MENELAS
aus seinen Gedanken auffahrend und Da-ud anstarrend
Paris ist da! Paris aufs neue!
Frech und verwegen reckt er die Arme
nach meiner Frau! - Wo ist mein Schwert?
Altair winkt, und die Jünglinge, ihre blanken Schwerter gehoben, treten nach rückwärts und sind verschwunden
HELENA
sucht mit dem Blick Menelas und tritt zu ihm
Liebster, was ist dir? Bleib mir zur Seite!
Mich ängstigt dein Blick!
MENELAS
Mich ängstigt der deine, schöne Göttin!
Er ist mir zu jung und zu wenig umnachtet.
HELENA
Du willst mir fliehn!
sie umschlingt ihn
Du willst mich lassen?
ALTAIR
für sich
Vermessene Gunst dem schönen Begleiter!
MENELAS
löst sich von ihr
Was bedarf st du des armen Begleiters!
Der Namenlosen, der Fremdlingin, die über Nacht kam,
knien sie hin und zücken die Schwerter und rufen -
Die STIMMEN der JÜNGLINGE
ausserhalb, unsichtbar
Heisse in spielendem Kampfe
fliessen das Blut unserer Adern
für einen funkelnden Blitz
aus deinen furchtbaren Augen!
ALTAIR
für sich, zornig
Unerträgliches Spiel! -
zu Helena
Worüber zürnet dein Günstling?
Auch für ihn sind Geschenke im Zelt!
Jagdhörner hinter der Szene. Er klatscht in die Hände. Zu Menelas
Schöne Waffen! Vielleicht gefällt dirs,
Liebling der Göttin, aus ihnen zu wählen!
Schwarze, Jagd- und Kriegswaffen tragend, treten hervor
MENELAS
misst Altair mit einem hoheitsvollen Blick, nun völlig seiner selbst bewusst, stolz und ernst
Herrliche Waffen hab' ich geführt
auf blachem Feld und in flammenden Gassen.
ALTAIR
mit kaum verhohlener Geringschätzung
Auch die Jagd kann Tapfre ergetzen;
dir zu Ehren stell` ich ein Jagen jetzt an:
Der Jagd zum Begleiter gab ich Da-ud
mit einem wilden Blick auf Helena
und das Wild, ich hoff' es,
wird des Jägers wert sein!
Da-ud tritt auf den Wink Altairs hinter einer Palme hervor und neigt sich vor Menelas, die Hand aufs Herz gelegt
MENELAS
die beiden nicht beachtend, blickt sein Schwert an, das bei der Zeltstange hängt
Das Wild, ich hoff' es,
wird des Jägers wert sein!
Altair wirft Menelas einen Blick der Verachtung zu, gebietet Da-ud durch einen Wink, zu bleiben und geht. Menelas blickt Da-ud an
Was ficht mich an?
Ein fremder Knabe!
Ein fremdes Weib! Ein fremdes Land!
Ein Abenteuer! Ein bunter Traum!
Und Hörner laden zur Jagd.
Die drei Schwarzen treten heran, Jagdspeere und ein Hifthorn, auch einen leichten silbernen Helm darbietend.
Menelas, indem er gegen das Zeltinnere tritt, wo andere Schwarze bereitstehen und sich anschicken, ihm statt des langen Oberkleides ein kurzes zu reichen, tritt ins Zelt und wird für eine kurze Zeit unsichtbar. Helena betrachtet Da-ud
DA-UD
schmilzt unter ihrem Blick und wagt nicht die Augen zu heben. Dann mit plötzlicher Kühnheit
Ich werde neben dir reiten!
Ich allein! jener nicht,
dein Begleiter! Er darf nicht!
HELENA
lacht
Knabe, hüte dich vor dem Feuer,
oder du schmilzest wie Wachs.
DA-UD
den brennenden Blick zu ihr hebend
In den Armen des landlosen Königs,
des Abendländers mit falbem Haar,
hast du das Feuer nicht fürchten gelernt!
Er kennt es selber nicht!
Er kommt aus dem Mondscheinland.
Du aber, du bist geboren zur Herrin
über die Länder der Sonne -
und ich bin geboren
zu deinem Knechte
bis in den Tod!
So steht es geschrieben,
und so wird es geschehn.
Er sinkt vor Helena hin, die Stirn auf ihrem Fuss. Dann erhebt er sich blitzschnell und verschwindet.
Helena wendet sich lachend von ihm. Menelas, zur Jagd gekleidet, aber noch nicht gewaffnet, tritt aus dem Nebenraum des Zeltes. Helena nimmt dem Sklaven den Helm ab und reicht ihn Menelas
MENELAS
So schön bedient,
du reizende Nymphe,
zog ich schon einmal
hinaus zur Jagd!
Helena lächelt
Am nächsten Morgen
dann kam ich nach Haus -
leer das Nest!
Fort war das Weibchen
und kam nicht wieder.
Das ist ein Lied von einer Toten!
Wie ist dein Name, schönes Wesen?
Gestern zur Nacht
war ich verwirrt:
ich hab' ihn nicht richtig gehört.
HELENA
Meinen Namen?
O du Verstörter!
Deiner Seele Seele
hauchst du von dir,
wenn du ihn rufest!
MENELAS
mit zerstreutem Blick
Was du redest, ist lieblich,
schöne Sirene!
Gerne stünd' ich und lauschte
bis an den Abend
der silbernen Stimme!
Aber dies Schwert
will fort auf die Jagd,
und Hörner rufen nach mir!
Er nimmt das Schwert und drückt es an sich
HELENA
Zur Jagd auf Gazellen
die furchtbare Waffe!
sie will ihm das Schwert aus der Hand nehmen
Fort mit ihr! Ins Zelt hinein!
MENELAS
entzieht ihr's
Vergib mir, Göttin: dies Schwert und ich,
wir beide gehören zusammen.
Dein ist dies Zelt
und viele Schätze -
Schiffbrüchig irr' ich,
ein gramvoller König,
in fremdem Bereich.
Dies Schwert ist alles,
das mir geblieben,
nicht rühre daran!
Er küsst das Schwert und steckt es in den Gürtel
HELENA
Mit einem Blick
der sehenden Augen
erkenne mich wieder!
MENELAS
Solche Blicke
kosten zu viel
dem armen Herzen!
Und sie fruchten zu wenig.
Denn wer wegging zur Jagd
und kehrt heim zu seinem Weibe -
er kann nie wissen,
ob er die gleiche wiederfindet!
Die Hörner rufen mit Entschiedenheit. Er eilt weg, nachdem er das Schwert in seinen Gurt gesteckt hat. Die ihm nacheilenden Sklaven bieten ihm Jagdwaffen dar: der eine Bogen und Köcher, der andere leichte Spiesse - von diesen ergreift er zwei und verschwindet
HELENA
Menelas, steh! Er ist dahin!
Und kehrt er zurück - wie ihn entzaubern?
Zu kindlich ist ihm die Miene der Nymphe,
zu jung und arglos des Auges Blick
und zu fremd seinem Herzen!
Drei Sklavinnen, die Gesichter hinter Goldschmuck verborgen wie hinter einem Visier, kommen spähend aus dem Zeltinnern hervor. Helena ohne ihrer zu achten, vor sich hinsinnend
Zaubergerät zieht uns hinüber -
zurückzukehren - dies ist die Kunst!
Aithras Becher war zu stark -
und nicht stark genug für Menelas Herz!
Die drei Frauen haben in Helenas Rücken die andere Seite der Bühne gewonnen. Auf einen Wink der Mittelsten eilen die beiden anderen zur Truhe hin, öffnen sie und suchen nach etwas. Die Mittelste, Aithra, schiebt das goldene Visier auseinander und enthüllt sich
HELENA
freudig
Aithra! Liebe Herrliche!
O Zauberin! Schnellhörende!
AITHRA
Schweig! Dich zu retten flog ich her!
Sie blickt mit Spannung auf die beiden, welche die Truhe durchwühlen
ERSTE DIENERIN
das goldene Gehäuse emporhebend
Die Fläschchen beide unberührt!
AITHRA
freudig
O unberührt! Nun küss' ich dich
vor Freude - du Gerettete!
O hör, was mich in wilder Hast
herjagt zu dir!
HELENA
dunklen Tones
Nicht um den Trank
bedarf es, dass du fliegend eilst!
Ich will ihn nicht! Ich brauch' ihn nicht!
AITHRA
Versteh mich doch, du Liebliche!
Die Dirne dort, die lässige,
ihr schläferte, so legte sie
das Goldgehäuse in die Truh-'-
zwei Fläschchen hält es: siehe die,
wie leicht du die verwechseltest!
HELENA
ernst
Und was enthält das andre dann?
AITHRA
Erinnerung! Die grässliche,
von der mit meinem letzten Hauch
ich deine Lippen wahren will!
HELENA
feierlich
Erinnerung!
AITHRA
ohne ihren Ton zu achten
Der Höllentrank,
vor dem wie Gift des Tartarus
die Götter fliehn, die Seligen!
HELENA
greift nach dem Fläschchen
Dies ist -
AITHRA
entzieht ihr's, hebt's hoch empor
O nicht den Duft davon,
solang ich dir es wehren kann!
HELENA
sehr bestimmt
Dies ist der Trank, den ich bedarf!
Erinnerung!
AITHRA
Du rufst das Wort,
du Ahnungslose, silbern hin
und schaffst, wenn dirs die Lippe netzt,
dich zur Lebendig-Toten um!
HELENA
Zur Tot-Lebendigen hat dein Trank
mich umgeschaff en diese Nacht!
AITHRA
Gerettet, Liebste, hat er dich
vom nahen Tode durch sein Schwert!
Besänftigt herrlich schlief er ein
und kannte dich für Helena
und küsste dich für unberührt!
HELENA
Er kennt mich für ein fremdes Weib,
das du zur Nacht ihm zugeführt,
und wähnt, dass er mit mir betrog
die Helena, die tot er wähnt -
AITHRA
leise
Du Selige, so bist doch du's,
die immer wieder siegt und siegt!
HELENA
Die eitle Freude lass dahin!
Ich siege heute oder nie
und hier durch diesen Trank allein!
Sie ergreift das Fläschchen ungeachtet Aithras Widerstand
Auf Helenas Wink haben die beiden Dienerinnen aus dem Zeltinnern einen Dreifuss gebracht, darin ein Mischkrug sowie zwei andere Krüge, worin Wein. Unter dem folgenden geschieht das Mischen des Trankes und das Einträufeln des Balsams aus dem Fläschchen von ihnen und Helena zusammen
AITHRA
O dreifache Törin!
Den einzigen Balsam,
den Trank der Götter
verschmähest du mir!
HELENA
Gehorchet und mischet,
was einzig mir f rommt,
wenn heiss mein Jäger
zum Zelte mir kommt!
AITHRA
schmerzvoll
O dreifache Törin!
HELENA
zu den Mischenden und Umgiessenden
Und noch und noch!
Und nicht genug
vom dunklen Trank
Erinnerung!
AITHRA
Den einzigen Balsam!
HELENA
Auf zuckt die Flamme
alter Qual:
vor ihr das Hier
wird öd und fahl!
AITHRA
dringend
Das süsse Vergessen!
HELENA
Doch was dahin,
das tritt hervor
geistmächtig aus
dem dunklen Tor!
AITHRA
verzweifelt
Verschmähest du mir?
HELENA
Und was von drunten
wieder kommt,
ist einzig, was
dem Helden frommt.
HELENA und DIENERINNEN
Und noch und noch!
Und nicht genug
vom Zaubertrank
Erinnerung!
AITHRA
indem sie schnell das goldene Schmuckvisier vor ihr Gesicht fallen lässt
Habet acht!
Altair nähert sich dem Zelt, zwischen den Palmen hervortretend
HELENA
Wer kommt?
Sie winkt den Dienerinnen, schnell mit den Geräten ins Zeltinnere zu verschwinden
ALTAIR
stehenbleibend
Der begnadete Vogelsteller,
dem der herrlichste Vogel der Welt
mit rauschendem Fittich flog in sein Netz!
HELENA
O Wirt ohnegleichen! Welche Rede!
ALTAIR
einen Schritt auf sie zu
Diese, die dem Liebenden ziemet!
HELENA
Mit was für Schritten wagst du zu nahn?
ALTAIR
Mit denen des Jägers, naht er der Hindin.
HELENA
Was für ein Blick?
ALTAIR
Bald dir der vertraute!
Hörst du die Pauken?
Helena lächelt
Dir zu Ehren geb' ich ein Fest,
ein nächtliches Gastmahl ohnegleichen!
dicht bei ihr
Meine Gastmähler sind gefährlich
für landlose wandernde Fürsten -
aber die Schönheit weiss ich zu ehren!
Das wirst du erkennen,
du Ahnungslose,
du pilgernde Unschuld!
Helena lacht stärker
Lache nicht, Herrin!
Du hast wenig erlebt, und dürftiges Land nur betreten
als eines fahrenden Mannes scheue geduldige Sklavin.
heftig
Aber ein Ohne-Land, solch ein Herr ohne Knechte
darf nicht die Fackel der Welt in seinem Bettelsack tragen:
denn sie ist stärker als er und zündet ihm nachts das Gezelt an.
DIENERINNEN
sind unterdessen ohne die Geräte wieder herausgetreten und folgen mit den Augen der Jagd
Hei! Die Gazelle!
ERSTE DIENERIN
Der Falke hat sie!
ZWEITE DIENERIN
Sie bricht zusammen!
ERSTE DIENERIN
Beide zugleich
die kühnen Reiter
stürmen dahin!
BEIDE
Herrliche Jagd!
ALTAIR
Du bist die Schönste auf Erden:
um einen Blick deiner Augen
schmachtend im Sande verderben,
das überlass' ich den Knaben!
Denn ich weiss anders zu werben!
HELENA
Hüte dich, Fürst,
du Schnellentflammter!
hoheitsvoll
Über dem Gast
wachen die Götter,
und einen jeden
gleich einer Wolke
hüllen sie ein
in sein Geschick!
AITHRA
zwischen den Zeltvorhängen halbverborgen, Helena zurufend
Helena, ich lache!
Deine Bedrängnisse alle,
ach deine Schmerzen
sind die Kinder
deiner Schönheit -
und sie gleichen
doch immer wieder
ihrer goldenen Mutter!
ja, sie glänzen wie Purpur und Gold!
ALTAIR
anfangs wie gebannt von ihrer Schönheit
Flammen und Waffen
statt Blumenketten
dich zu erraffen!
Aus stürzenden Städten
über dem Brande
hoch der Altan -
des Herrschers Zelt:
und die Schönste
dem Stärksten gesellt!
Helena Schritt für Schritt folgend, indessen sie vor ihm zurückweicht
Und stürben darüber
Zehntausende hin,
verwehe ihr Seufzen
der nächtige Wind,
verwehe ihr sterbendes Stöhnen!
Die STIMMEN der JÜNGLINGE
ausserhalb, sehr nahe
Im Sande verschmacht'ich als ein Verfluchter,
der dich gesehn und nicht besessen!
Die BEIDEN DIENERINNEN
lachen hell auf
Beide zugleich
werfen den Spiess!
Beide treffen!
Herrliche Jagd!
ERSTE DIENERIN
Aber was jetzt?
Helena, sieh!
ZWEITE DIENERIN
voll Staunen
Sie heben die Waffen!
ERSTE DIENERIN
Der das Schwert!
Menelas!
ZWEITE DIENERIN
Der den Spiess,
sich zu wehren!
BEIDE
Gegeneinander
gellend
Elelelei!
ERSTE DIENERIN
Den Rappen herum
wirft Da-ud!
ZWEITE DIENERIN
Menelas jagt
hinter ihm her!
ERSTE DIENERIN
Der Rappe ist schneller
den Hügel hinan!
ZWEITE DIENERIN
Er fliegt ihm nach!
ERSTE DIENERIN
Er holt ihn ein!
AITHRA
hat sich nach rückwärts zu den Dienerinnen gewendet
Ha! Der Abgrund
hinterm Hügel!
Achte dein Leben!
BEIDE DIENERINNEN
schreiend
Elelelei!
AITHRA und DIENERINNEN
Ah! Er stürzt!
Weh, Da-ud!
Weh, Da-ud!
Die Hörner hinter der Szene, heftig, blasen die Jagd ab
ALTAIR
den trunkenen Blick auf Helena
Der Knabe stürzt!
Stürze er hin!
Pfeile im Köcher,
Söhne im Zelt
hab' ich genug!
Hörst du die Pauken?
Heute nacht
dir und mir
und keinem dritten
bereit' ich ein Fest!
Schwarze bringen von rückwärts auf einem Teppich den toten Da-ud getragen und legen ihn in der Mitte nieder. Altair ist Schritt für Schritt zurück-gewichen und tritt jetzt hinter den äussersten Vorhang des Zeltes. Aithra und die Dienerinnen nähern sich dem Toten. Die Sklaven sind sogleich verschwunden. Helena steht rechts von den sich um Da-ud mühenden Frauen. Menelas, das blosse Krummschwert in der Hand, tritt rechts hervor. Sein Auge ist starr und furchtbar, als verfolge er einen Schritt für Schritt vor ihm zurückweichenden Feind. So dringt er mit schweren Schritten bis gegen die Mitte vor, wie angezogen von Da-uds Gegenwart, aber ohne ihn eigentlich zu sehen. Aithra und die Dienerinnen werden den Herannahenden gewahr und springen erschrocken auf, ihm die Hände in Abwehr entgegenstreckend. Menelas bleibt wie ein Mondsüchtiger vor dem Toten stehen
HELENA
ihm entgegentretend, ihn sanft anrufend
Mein Geliebter! Menelas!
MENELAS
wird mit einem Schlage wach und lächelt sie unbefangen an
Helena, du?
Wie kamst du her?
O Traumgebild!
HELENA
Die Waffe da,
die furchtbare, gib!
Sie windet ihm sanft das Schwert aus der Hand
MENELAS
lächelnd
Die Waffe hier - was sollte sie mir?
Er lässt ihr das Schwert.
HELENA
Gegen den Knaben,
Gegen den Gastfreund,
der mit dir jagte,
hobest du sie zu tödlichem Streich!
MENELAS
Gegen ihn erhob ich die Waffe? Warum nur?
ALTAIR
links hinter dem Zeltvorhang hervorspähend
Sein Schwert wird schwingen
der Mann der Schönsten -
so steht es geschrieben -
bis ihn erreichet das stärkere Schwert!
HELENA
Du wolltest, dag in diesem Knaben
Paris von Troja noch einmal stürbe.
MENELAS
liebt erschrocken die Hände überm Kopf
Ja, er reckte frech und verwegen
er sinnt nach
seine Arme nach -
HELENA
denn dies ist der einzige Weg
nahezukommen - Menelas - sage mir wem?
MENELAS
ihr, die tot ist
und allen Toten,
die um mich starben unbedankt!
HELENA
Ihr, die lebt und bei der zu bleiben
einzig trachtet dein Herz,
mich verschmähend -
denn sie und nicht ich -
sie ist deine Frau!
MENELAS
starrt sie mit dem Ausdruck höchsten Entsetzens an, dann fährt er langsam mit der Hand über die Stirn, wie um Vergangenes sich aus dem Gedächtnis zu streichen und wendet sich traurig zu dem toten Da-ud, den Schwarze von der Erde gehoben und nun ihn haltend, regungslos dastehen
Unter geschlossenem Lid
straft mich dein brechendes Auge!
Aber mein Freund - dahin er dich sandte -
den gleichen Weg gehet nun Menelas auch.
HELENA
Du aber bedarfst
einen heiligen Trank,
einen gewaltig starken!
Den hab' ich im Zelt!
Helena winkt den Dienerinnen, die mit dem Mischkrug und den kleineren Krügen herantreten und mit fürchterlichem Ernst unter streng vorgeschriebenen Gebärden und Handreichungen das unterbrochene Werk der Bereitung des Trankes fortsetzen. Indem die Dienerinnen in rhythmisch wiederkehrenden Abständen Helena den Mischkrug reichen, träufelt diese aus dem Fläschchen den Zaubersaft hinein
AITHRA
zu Helena
Gefahr umgibt dich!
Nicht jetzt den Trank,
es ist nicht die Stunde:
ich warne dich!
ERSTE DIENERIN
von der Arbeit aufsehend, nach hinten horchend
Wahre dich, Herrin,
hörst du die Pauke?
Altairs Feste
sind gefährlich!
ZWEITE DIENERIN
Seine verschnittenen Knechte
unter dem weibischen Kleid
tragen sie Panzer
und schmeidige Klingen!
AITHRA
Ich warne dich!
HELENA
ist mit dem Mischen des Trankes fertig
Aithra, schweige!
Jetzt und hier
beginnet Helenas Fest!
Während links die Zeremonie des Mischens vor sich geht, haben rechts Schwarze Menelas umgeben, ihm den Panzer abgeschnallt, setzen ihm eine funkelnde Tiara auf. Es ist indessen im Bereich des Zeltes dunkel geworden, von draussen her naht Halbhelle vor Mondaufgang. Links leuchten Sklavinnen, rechts schwarze Sklaven zu den beiden Zeremonien. Die zum Fest ladende Pauke scheint sich indessen zu nähern. Das Annahen von Menschen, die Einholung zum Fest wird fühlbar. Draussen wird die Spitze des Zuges sichtbar. Gestalten in prächtigen Gewändern, mannweibisch, die Hälfte des Gesichtes verhüllt, Schwarze und Weisse vermischt. Etliche tragen Lanzen in den Händen. Hinten im Zug werden Banner sichtbar sowie die dröhnende Pauke
DIE SKLAVEN
vor dem Zelt auf den Knien
Die wir zum Feste dich laden,
empfange die Boten in Gnaden!.
Liebessklaven -
o rasende Schickung,
qualgeschieden
vom Reich der Entzückung!
AITHRA
Gefahr ist nah!
Wir müssen uns wahren!
All unserer Sinne
bedürfen wir jetzt!
Lass den Trank!
DIE SKLAVEN
Wächter der seligen Stunde,
wir unausdenklich Betrübten!
Aus unserem weibischen Munde
höre den Schrei des Verliebten:
Im Sande verschmacht'ich als Verfluchter,
der dich gesehen und nicht besessen!
leises, fernes Donnern
AITHIRA
zur ersten Dienerin
Das Ohr an den Boden! Was erhorchst du?
Poseidon, höre! Aithra ruft!
HELENA
tritt zu den Sklaven
Zurück und harret
an der Erde,
bis man euch ruft.
Die Sklaven werfen sich nieder, die Stirnen in den Staub. Auf einen Wink Helenas ziehen die Dienerinnen den Zeltvorhang zu
ERSTE DIENERIN
zu Aithra
Ein Rollen hör' ich
von Meereswogen,
als stürze Springflut
ins innere Land.
HELENA
zur zweiten Dienerin
Des Königs Schwert!
AITHRA
Das sind die Meinen!
Helena, hörst du?
Rosse und Reiter
aus der Kraft des Meeres:
Poseidon schickt mir
die herrliche Schar!
HELENA
Menelas, siehe dein Schwert!
Eine der stummen Sklavinnen geht ins Zeltinnere und bringt das Schwert. Helena winkt ihr, es über sich zu halten, wobei die Sklavin ihr Haupt verhüllt. Hierauf enthüllt sie den Becher, den eine andere der Sklavinnen ihr gereicht hat
MENELAS
Den Becher seh' ich, den du mir bringst!
DIE SKLAVEN
aussen
Weh dem Unterliegenden,
den die Träne nässte!
Weh dem Ausgeschlossenen
vom Lebensfeste!
Ah-hu! Ah-hu! Ah-hu!
HELENA
indem sie den Becher hinhält und ihn aus dem kleinen Kruge füllen lässt
Störe mich nicht!
AITHRA
Gefahr ist nahe!
Rettung auch!
Wahre dein Leben,
du wagst zuviel!
HELENA
Alles wage ich jetzt!
AITHRA
Vom lieblichen Lotos
einen Becher
und lebet selig
heute wie gestern
immer aufs neu!
MENELAS
vortretend
Weib, tritt hinweg!
Unnahbare Stunde
hebt jetzt an!
Aithra und ihre Dienerinnen kauern rechts hin, verhüllen sich. vor Helena hintretend
Helena - oder wie ich sonst dich nenne -,
Zaubergebild, mir zum letzten Gruss auf Erden gesendet,
mich zu trösten bist du dort auf die Insel gekommen.
Um den verlorenen Mann, der mit der furchtbaren Waffe
rechtmässig grausam seines Schicksals Gefährtin ermordet,
schlangest du sanft deinen Arm - für eine Nacht ihm gegeben.
Reinigerin! Und nun stehst du vor mir und reichst mir den Becher
und wenn der Trank mir die Adern durchfliessen wird, bin ich ein Toter.
HELENA
Warum macht dich dies lächeln? Du lächeltest jetzt wie ein Knabe!
MENELAS
Weil ich gedenke, dass Ehegatten der Tod nicht scheidet, o Herrin!
HELENA
So völlig gehörest du jener?
MENELAS
Warum zitterst du da?
HELENA
Soll ich dich auf immer verlieren?
MENELAS
Hast du mich jemals besessen?. Lag mich der Toten und lebe!
Helena führt den Becher an die Lippen
Nicht netze die Lippen,
mir ist er bestimmt!
HELENA
Du trinkst es der andern -
ich trinke mit dir!
Sie trinkt und hält dann den Becher empor
MENELAS
Den Todestrank mir!
oder ich sterbe
durch dieses Schwert!
HELENA
ihm den Trank bietend
Bei jener Nacht, der keuschen einzig einen,
die einmal kam, auf ewig uns zu einen -
bei jenen fürchterlichen Nächten,
da du im Zelte dich nach mir verzehrtest
MENELAS
für sich
Welche Worte
aus diesem Munde!
Unverrückt,
ihr ewigen Götter,
lasst meinen Sinn!
HELENA
Bei jener Flammennacht, da du mich zu dir rissest
und mich zu küssen strenge dir verwehrtest -
und bei der heutigen endlich, da du kamest,
aus meiner Hand den Trank des Wissens nahmest:
mit grosser Erhebung
bei ihr, die mich auf s neu dir schenkt,
trink hier, wo meine Lippe sich getränkt.
MENELAS
nachdem er den Becher geleert, in einem jähen Aufschrei
Wer steht vor mir?
Er greift nach dem Schwert.
HELENA
lächelnd
Aithra! Er wird mich töten!
AITHRA
springt auf die Bühne
Helena! Lebe! Sie bringen dein Kind!
MENELAS
lässt das Schwert sinken und starrt Helena an
Tot-Lebendige!
Lebendig-Tote!
Dich seh' ich, wie nie
ein sterblicher Mann
sein Weib noch sah!
Er wirft das Schwert weg und streckt die Arme nach ihr wie nach einem Schatten. Helena blickt ihn voll an
Ewig erwählt
von diesem Blick!
Vollvermählt,
o grosses Geschick!
Oh, wie nahe
Unnahbare scheinest,
beide zu einer
nun dich vereinest:
Herrliche du!
Ungetreue,
ewig eine
ewig neue!
Ewig Geliebte!
Einzige Nähe!
Wie ich dich fasse,
wie ich in dir vergehe!
AITHRA
Ohne die Leiden,
was wärst du gewesen,
ohne die beiden
herrlichen Wesen?
Ohne die deine
Ungetreue,
ewig eine
ewig neue?
HELENA
Deine, deine
Ungetreue
schwebend überm
Gefilde der Reue!
ALTAIR
mit seinen Sklaven, welche Dolche schwingen, dringt durch die seitlichen Zeltvorhänge jäh herein
Zu mir das Weib!
In Ketten den Mann!
Er brach das Gastrecht
raffet ihn hin!
Die Sklaven bemächtigen sich Helenas und Menelas und reissen sie auseinander. Hinter dem Zelt erhebt sich ein dumpfes Klirren, immer gewaltiger, als schüttle ein Sturm einen Wald von Eisen
AITHRA
jubelnd
Das sind die- Meinen!
Helena - Heil!
Aithra reisst den Zeltvorhang zurück. Draussen im vollen Mond steht wie eine Mauer eine Schar Gepanzerter in blauem Stahl, die Gesichter vom Visier verhüllt, die Arme über den Heft des blossen Schwertes gekreuzt, die Schwerter auf den Boden gestützt. Im Halbkreis, den sie bilden, mittelst auf einem weissen Ross das Kind Hermione, völlig in Goldstoff gekleidet
DIE GEPANZERTEN
höchst gewichtig, ohne sich zu regen
Nieder in Staub!
Zitternd entfleuch!
Oder wir stürzen
wie Blitze auf euch!
AITHRA
in der Mitte, ihr Antlitz enthüllend
Aithra ist da!
Böser Knecht!
Unbotmässiger
wilder Vasall!
ALTAIR
mit den Seinen sich in den Staub werfend
Aithra! Wehe!
Weh! Altair!
AITHRA
Helena! Siehe! Sie bringen dein Kind!
Das Kind Hermione wird von zwei Gewappneten vom Pferde gehoben und tritt heran
HERMIONE
bleibt in der Mitte auf einen Wink Aithras stehen, das volle Licht fällt auf sie, in ihrem goldenen Gewand und goldenem Haar gleicht sie einer kleinen Göttin
Vater, wo ist meine schöne Mutter?
MENELAS
den Blick trunken auf Helena geheftet
Wie du auf s neue
die Nacht durchglänzest,
wie junger Mond
dich schwebend ergänzest!
er wendet sich gegen das Kind
O meine Tochter,
glückliches Kind!
Welch eine Mutter
bring' ich dir heim!
Zwei der Gepanzerten heben Hermione wieder in den Sattel. Zugleich werden die für Menelas und Helena bestimmten beiden herrlich gezäumten Pferde vorgeführt
HELENA und MENELAS
Gewogene Lüfte, führt uns zurück
heiliger Sterne segnende Schar!
Hohen Palastes dauerndes Tor
öffne sich tönend dem ewigen Paar!
Indem sich Helena und Menelas anschicken, die Pferde zu besteigen, fällt der Vorhang
→ Die ägyptische Helena