Die glückliche Hand
Arnold Schönberg
Das symbolistische Drama des Künstlers, dessen Werben um eine geliebte Frau erfolglos bleibt. Auch genialische Eingebung rettet ihn nicht. Er wird wegen eines anderen verstoßen.
Arnold Schönbergs Schaffen jener Epoche, in der der Komponist zum Vorreiter einer neuen, nicht mehr an die Tonalität gebundenen Klangsprache wurde, ist nicht ohne einen Seitenblick auf die privaten Lebensumstände denkbar. Daß Schönberg im Zweiten Streichquartett unmittelbar auf seine Ehe-Tragödie reagiert, ist offenkundig. Der Übergang in die sogenannte Atonalität vollzieht sich, als der Maler Richard Gerstl Selbstmord begeht: Schönbergs Frau Mathilde hat ihn nach ihrer Affaire wieder verlassen und ist zu Schönberg zurück gegangen.
Es ist schlechterdings undenkbar, daß der Komponist die autobiographischen Bezüge zu den von ihm gewählten Musiktheater-Sujets »übesehen« haben könnte. Schon Marie Pappenheims Text zum Monodram Erwartung - die Auseinandersetzung mit dem Treuebruch, mit dem Moment jäher Erkenntnis des Ausgesetztseins, mit dem Tod eines Ehebrechers - können in Schönberg in dieser Phase seines Lebens keinen „objektiven“ Beobachter gefunden haben.
Der Komponist hat den Text, den ihm Pappenheim auf Bestellung geliefert hat, selbst noch bearbeitet. Wie sehr das traumatische Erlebnis nach musikdramatischer Aufarbeitung zu verlangen schien, wird jedoch noch viel deutlicher am von Schönberg selbstverfaßten Text zum nächsten, bereits vor der Erwartung skizzierten Opernversuch, Die glückliche Hand, abzulesen.
HANDLUNG
Es ist das symbolistische Drama des Künstlers, dessen Werben um eine geliebte Frau erfolglos bleibt. Auch genialische Eingebung rettet ihn nicht. Er wird wegen eines anderen verstoßen.
In vier Bilder teilt sich die Handlung.
I
Der Mann liegt regungslos auf der Szene, ein Fabeltier hat sich in seinen Nacken verbissen. Der Chor warnt vor dem Streben nach irdischem Glück.
II
Die zweite Szene zeigt uns das Liebeswerben um die Frau, die zunächst unsicher reagiert, den Mann aber dann wegen eines Konkurrenten verstößt.
III
Versetzt in ein »Mittelding aus Mechanikerwerkstatt und Goldschmiede« schafft der Mann in einem genialisch-irrealen Akt ein prachtvolles Diadem. Ein Schlag mit der von der Frau berührten, »glücklichen Hand« genügt, das Werk entstehen zu lassen:
So schafft man Schmuck.
IV
Die Frau ist davon nicht zu beeindrucken. Sie wälzt einen Felsbrocken auf den Mann, der sich zuletzt, das Fabeltier im Nacken, in der Ausgangsposition wieder findet.
„Mußtest du‘s wieder erleben“, fragt mitleidig der Chor.
Szenische Vision
Schönbergs Vision bezieht die Szene voll in den kompositorischen Prozeß ein. Licht, Bühnenbild, Bewegung sollen in musikalischen Verlauf unmittelbar integriert werden. Die Blicke der Chorsänger im ersten Bild seien, so schreibt Schönberg vor, als Ostinato zu behandeln wie der Akkord, der obsessiv die gesamte Szene lang festgehalten wird.Vom Hauptdarsteller wird verlangt, er müsse so agieren, als brächte er das orchestrale Crescendo selbst hervor.
Der Felsbrocken, der am Ende des dritten Bildes zu leuchten beginnt, soll sich im Finale zu jenem Fabeltier entwickeln, das Schönberg sich »sehr groß« wünscht.
Die Tendenz zum „Gesamtkunstwerk“, das heterogenste Bestandteile zusammenschweißt, wie es Richard Wagner bereits vorgegeben hat, scheint hier im Brennspiegel der Schönbergschen Phantasie zum zwanzigminütigen Extrakt konzentriert.