Gioacchino Rossini
1813, im Geburtsjahr Verdis (und Wagners) feierte der 21-jährige Opernkomponist Gioacchino seine ersten Triumphe - und zwar in beiden Genres: Tancredi war die erste »große Oper«, die Italienierin in Algier die erste Komödie. Ein unbeschriebenes Blatt war Rossini im italienischen Opernleben nicht mehr. 1812 hatte er sechs Opern herausgebracht. Aber nun war er berühmt.
Nicht einmal vier Wochen brauchte er nach der erfolgreichen Uraufführung des Tancredi im Februar 1813, um die Komödie fertigzustellen. Schon im Mai hatte die Italiana Premiere und zementierte den Durchbruch des Opernmeisters.
Was neu für das Publikum war: Rossini komponierte die weibliche Hauptrolle für einen Mezzosopran mit koloraturgewandter Stimme und sicherer Höhe. Das hatte es noch nie gegeben. Das Werk war der ersten Interpretin der Titelpartie, Marietta Marconi, auf den Leib geschneidert. Rossini soll nicht nur ihre vokale Kunstfertigkeit geschätzt haben . . .
Der Zufall wollte es, daß wenig später die Malibran in sein Leben trat, ein weiterer virtuoser Koloratur-Mezzo, weshalb der Komponist diese Stimmelage weiterhin liebevoll behandelte.
Des weiteren finden wir in der Italiana eines der frühesten Beispiele für Rossinis virtuose Ensmble-Technik. Das Finale I ist ein buntes Mosaik brillantesten Zuschnitts.
Von der humanen Botschaft, die Mozart ein wenig früher mit seiner in ähnlichem Ambiente spielenden Entfürung aus dem Serailaussandte, ist Rossinis Opera buffa freilich ebenso weit entfernt wie von zeitgeschichtlichen Anspielungen auf das (seit den Napoleonischen Kriegen wieder neu definierte) Verhältnis zwischen Abendland und osmanischem Reich.
Die Oper will unterhalten. Und das gelingt ihr - seit der Rossini-Renaissance, Mitte des XX. Jahrhunderts, auch in unseren Tagen wieder mühelos.
Erster Akt
Elvira, die Frau des Bey, fühlt sich ungeliebt. Mustafa wiederum ist entsetzt darüber, daß Frauen es neuerdings wagen, aufzubegehren. Deshalb will er seine Frau dem vor kurzem erbeuteten italienischen Sklaven Lindoro überlassen. Von seinem Korsaren wünscht er sich an ihrer Stelle eine hübsche Italienerin.
Lindoro sehnt sich freilich nach seiner Geliebten, die in der Heimat verblieben ist.
Cabaletta, »Se inclinassi a prender moglie«,
gespickt mit hohen Cs
Die Korsaren haben inzwischen ein italienisches Schiff gekapert, das sich in Seenot befand. Unter den erbeuteten Frauen: Lindoros Geliebte, Isabella, die auf dem Weg war, ihren Geliebten zu befreien.
»Cruda sorte«
Die Fahrt hat sie in Begleitung von Taddeo angetreten, der sich nicht abschütteln läßt und nun als ihr Onkel ausgegeben wird und wütend ist, als man Isabella eröffnet, sie sei als Haremsdame für den Bey vorgesehen.
Inzwischen hat man Lindoro die Freiheit versprochen, allerdings nur unter der Voraussetzung, daß er den Bey von Elvira befreit.
Die raffinierte Isabella ist sich rasch darüber im klaren, daß der einfältige Mustafa Bey leicht zu überlisten sein wird. Doch sind zunächst etliche Schwierigkeiten zu überwinden, als die handelnden Personen einander plötzlich alle gegenüberstehen: Isabella und Lindoro sehen einander im Tohuwabohu des ersten Finales erstmals wieder . . .
Isabella reagiert sofort: Lindoro, so verlangt sie, müsse als ihr persönlicher Sklave im Land bleiben.
Zweiter Akt
Daß Lindoro gerade dabei war, mit einer anderen das Land zu verlassen, sorgt freilich für Unmut bei Isabella.Doch Lindoro kann das Mißverständnis aufklären. Einen gemeinsamer Fluchtversuch wird geplant.
Inzwischen entpuppen sich Mustafa Bey und Taddeo endgültig als komische Figuren: Taddeo erhält einen hohen Beamtenposten.
Das geplante Stelldichein mit Mustafa verwandelt Isabella mir nichts, dir nichts in ein Terzett, bei dem sie Elvira beibringt, wie europäische Frauen mit Männern umgehen. Da auch Taddeo sich nicht abschütteln läßt, wird das Ensemble zum Quartett.
Auf dem Höhepunkt der Verwirrung erklärt Lindoro, der auf Taddeo eifersüchtig ist, dem Bey, er werde zum »Pappataci« ernannt - was eine hohe Auszeichnung bedeute; in Wahrheit aber lediglich »Vielfraß« heißt.
Entsprechend sind auch die Regeln: Der »Geehrte« darf am Tag der Titelverleihung lediglich essen und trinken, aber weder reden noch irgendwelche Handlungen setzen. Daher wird Mustafa in Ketten gelegt. Längst liegt ein Schiff im Hafen angelegt, das die Italiener nun rasch besteigen. Erst als Elvira erscheint, bemerkt Mustafa den Betrug und muß um Verzeihung bitten; seine Korsaren können nichts mehr ausrichten, denn sie wurden von den Italienern mit Wein versorgt - und sind handlungsunfähig.