Melusine

Aribert Reimann (2000)

(Wergo)




Text von Claus H. Henneberg nach Yvan Goll.

Personen der Handlung
Melusine · Koloratursopran
Pythia · Alt
Madame Lapérouse · Mezzosopran
Oleander · Tenor
Graf von Lusignan · lyrischer Bariton
Geometer · Baßbariton
Maurer · Baß
Architekt · Tenor
Oger · Baß
6 Gäste · 3 Soprane, 2 Tenöre, 1 Baßbariton



Yvan Goll modernisierte 1922 den Stoff, indem er ihn in die Gegenwart verlegte: Melusine mordet, um die Natur zu schützen, doch die Flucht vor einer Verantwortung für Natur und Menschen ist zum Scheitern verurteilt
(Librettist Henneberg über das Stück)

Das gleichnamige Stück von Yvan Goll (1891-1950) lieferte die Vorlage für Claus Hennebergs Libretto. Aribert Reimann komponierte darauf seine erste abendfüllende Oper. Sie kam 1971 zur Uraufführung. Das Kammerorchester zaubert fragile, lyrische Klänge hervor und beschwört Emotionen. Melusine ist die sagenhafte Meerjungfrau, halb Menschenfrau, halb mythisches Geschöpf. Nur hat Yvan Goll die Geschichte ins Paris des 20. Jahrhunderts versetzt und erzählt vom Begehren der Männer. Und vom Begehren Melusines: Sie verliebt sich - entgegen ihrem Schwur - in den Grafen Lusignan.

Yvan Goll beschwört weniger mythologische als reale Szenen. Die Szene im überwucherten Park fußt auf eigenen Erfahrungen des Dichters: Ein vergleichbar wildes Stück Natur im urbanen Kontext wurde 1919 in Paris tatsächlich verkauft, nachdem es dem Ehepaar Goll als Erholungsgebiet gedient hatte.

Der Text wirkt stellenweise wie eine Vorausahnung späterer Aktionen gegen die Zerstörung der Natur: Der Park ist die Metapher.

Für Reimann entscheidend war freilich die Geschichte der langsame Metamorphose Melusines vom Zauberwesen zur Frau, von den ersten Regungen der um ihr Naturgebiet betrogenen Nixe zu den menschlichen Gefühlen für den Grafen - musikalisch charakterisiert durch den Wandel von kühler Koloratur-Akrobatik zu lyrischem Gesang für die Titelheldin.

Reimann gelingt es, die Personen der Handlung durch klanglich-farbliche Differenzierungskunst jeweils mit einer unverkennbaren akustischen Aura zu umgeben, das klassische »Leitmotiv« scheint ersetzt durch »Leitklänge« oder »Leitfarben«.


↑DA CAPO