Antigonae
Sophokles * Hölderlin * Orff
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Das »bairische Stück« über die Bernauerin von 1947 war Carl Orffs Hinwendung zur Tragödie. Zwei Jahre später kam bei den Salzburger Festspielen Antigonae zur Uraufführung, eine Vertonung der dunkel-schönen Übersetzung, die Friedrich Hölderlin vom Trauerspiel des Sophokles gedichtet hatte.
Seinen von Rhythmus und simpler Melismatik beherrschten Stil hat Orff für diese antike Tragödie noch einmal reduziert und aufs Wesentliche konzentriert: Die oft ekstatisch gesteigerte Rezitation des Textes.
Vollkommen neu ist die Orchesterbehandlung und dessen Besetzung. An Bläsern gibt es lediglich je sechs Flöten, Oboen und Trompeten, wobei die Holzbläser in der Regel unisono gespielt werden und Effekte erzielen, die an die altgriechischen Blasinstrumente erinnern sollen. An Streichern gibt es neun Kontrabässe. Hinzu kommen vier Harfen und sechs Konzertflügel (12 Spieler) - und ein immenses Aufgebot an Schlagzeug - teilweise Instrumente des Orff-Schulwerks) für
bis zu 15 Spieler.
acht Pauken inkl. hohe Pauke in a
Lithophone
2 bis 3 Xylophone
10 „Trogxylophone“ (2 Sopran-, 6 Tenor-, 2 Bass-Register)
eine kleine Holztrommel
eine große Afrikanische Schlitztrommel
2 hohe Glocken in d5 und e5
3 Glockenspiele
4 Paare antike Zimbeln
3 hängende Becken (türkisch)
3 Paar Becken (türkisch)
ein kleiner Amboss
3 Triangel
2 Große Trommeln
6 Tamburine
6 Paar Kastagnetten
10 große javanesische Gongs in G, c, d, e, g, a, c1, d1, e1 und f1
Handlung
Im Krieg um Theben sind Antigones Brüder Eteokles und Polynikes gefallen. Während Eteokles, der auf Kreons Seite gekämpft hatte, ein ehrenvolles Begräbnis zuteil geworden war, wurde dem Bruder, der sich den Feinden angeschlossen hatte, ein solches verwehrt. Antigone versucht ihre Schwester dazu zu gewinnen, sich gemeinsam dem Befehl zu widersetzen. Als Ismene sich weigert, beschließt Antigone sich allein gegen die Schmach zu wehren und geht, um den vor den Toren der Stadt liegenden Leichnam des Bruders mit Sand zu bedecken. (Goethe nennt sie einmal »die schwesterlichste der Seelen«)
Ein Wächter verrät das Mädchen an König Kreon und seinen Rat. Antigonae beharrt auf dem Recht der Götter, das über dem des Königs stehe. Ismene gesellt sich ihr zu und steht zu Antigonaes Tat. Kreon läßt beide festnehmen und verurteilt sie dazu, lebendig eingemauert zu werden.
Kreons Sohn Hämon, Antigonaes Verlobter, fleht den Vater um Gnade an, stößt jedoch auf auf taube Ohren. Verzweifelt beschließt er mit seiner Braut den Tod zu suchen. Kreon läßt daraufhin Ismene frei, beharrt aber der Opferung Antigonaes, die sich in einem großen Monolog in ihr Schicksal fügt.
Der blinde Seher Tiresias warnt Kreon vor der Rache der Götter: Für die Toten werde er mit seinem Blut den Zoll zu entrichten haben. Kreon ringt mit sich -- und beschließt, die Gefangene freizugeben. Doch als er Antigonae die Nachricht überbringen will, ist es zu spät: Antigonae hat sich selbst getötet. Hämon ist ihr in den Tod gefolgt. Während der König um seinen Sohn klagt, erscheint ein Bote und berichtet, daß sich aus Verzweiflung auch Kreons Gattin Euridice das Leben genommen hat.
Erster Akt
Erste Szene
Antigone. Ismene.
ANTIGONE
Gemeinsamschwesterliches! o Ismenes Haupt!
Weißt du etwas, das nicht der Erde Vater
Erfuhr, mit uns, die wir bis hieher leben,
Ein Nennbares, seit Ödipus gehascht ward?
Nicht eine traur'ge Arbeit, auch kein Irrsal,
Und schändlich ist und ehrlos nirgend eines,
Das ich in deinem, meinem Unglück nicht gesehn.
Jetzt aber, ahnest du das, was der Feldherr
Uns kundgetan, in offner Stadt, soeben?
Hast du gehört es? oder weißt du nicht,
Wie auf die Lieben kommet Feindesübel?
ISMENE
Nicht kam ein Wort zu mir, Antigone, von Lieben,
Kein liebliches und auch kein trauriges, seitdem
Die beiden Brüder beide wir verloren;
Die starben einen Tag von zweien Händen;
Seit aber fort das Heer von Argos ist,
Vergangne Nacht, weiß ich nichts weiter mehr
Und bin nicht glücklicher und nicht betrübter.
ANTIGONE
Das dacht ich wohl und rief dich aus dem Hoftor
Darum, daß du's besonders hören könntest.
ISMENE
Was ist's, du scheinst ein rotes Wort zu färben?
ANTIGONE
Hat mit der letzten Ehre denn nicht unsre Brüder
Kreon gekränzt, beschimpfet, wechselsweise?
Eteokles zwar, sagt man, behandelt er
Mit rechtem Recht, gesetzgemäß, und birgt
Ihn in der Erd, ehrsam den Toten drunten.
Vom andern aber, der gestorben ist armselig,
Von Polynikes' Leibe sagen sie, man hab
Es in der Stadt verkündet, daß man ihn
Mit keinem Grabe berg und nicht betraure.
Man soll ihn lassen unbeweint und grablos,
Süß Mahl den Vögeln, die auf Fraßes Lust sehn.
So etwas, sagt man, hat der gute Kreon dir
Und mir, denn mich auch mein ich, kundgetan,
Und hierher kommt er, dies Unwissenden
Deutlich zu melden. Und die Sache sei
Nicht, wie für nichts. Wer etwas tut dabei,
Dem wird der Tod des Steinigens im Orte.
So steht es dir. Und gleich wirst du beweisen,
Ob gutgeboren, ob die Böse du der Guten?
ISMENE
Was aber, o du Arme, wenn es so steht?
Soll ich es lassen oder doch zu Grab gehn?
ANTIGONE
Ob mittun du, mithelfen wollest, forsche!
ISMENE
Das ist vermessen. Wie bist du daran?
ANTIGONE
Ob du den Toten mit der Hand hier tragest?
ISMENE
Dem willst zu Grabe du
gehn, dem die Stadt entsagt hat?
ANTIGONE
Von dir und mir mein ich, auch wenn du nicht es willst,
Den Bruder. Denn treulos fängt man mich nicht.
ISMENE
Verwilderte! wenn Kreon es verbietet?
ANTIGONE
Mit diesem hat das Meine nichts zu tun.
ISMENE
O mir! bedenke, Schwester, wie der Vater
Von uns verhaßt und ruhmlos untergangen
Nach selbstverschuldeten Verirrungen,
Da er sein Augenpaar mit eigner Hand zerstochen.
Und dann die Mutter, Ehefrau zugleich,
Ein doppelt Leiden, mit gewundnen Stricken
Verstümmelte das Leben sie. Zum dritten
Die beiden Brüder, die an
einem Tage Verwandten Tod mit Gegnershand bewirket.
Und nun wir zwei, die wir allein geblieben,
Sieh, wie am schlimmsten wir vergingen, wenn
Gewaltsam wir des Herrn Befehl und Kraft
Verfehlten. Dies auch denke, Weiber sind wir
Und dürfen so nicht gegen Männer streiten.
Und dann auch, weil von Stärkern wir beherrscht sind,
So müssen wir dies hören; Härters noch!
Ich also bitte sie, die drunten sind,
Mir zu verzeihen, daß mir dies geschieht,
Und laß sie walten, die da ferne gehen,
Denn Überflüssiges zu tun ist sinnlos.
ANTIGONE
Befehlen will ich's nicht, und wolltest du's nun
Noch tun, es wär in deiner Hülfe Lust nicht.
Nein! denke du, wie dir's gefällt; doch ihn
Begrab ich. Schön ist es hernach, zu sterben.
Lieb werd ich bei ihm liegen, bei dem Lieben,
Wenn Heiligs ich vollbracht. Und dann ist's mehr Zeit,
Daß denen drunten ich gefall, als hier.
Dort wohn ich ja für immer einst. Doch du,
Beliebt es, halt ehrlos vor Göttern Ehrsams.
ISMENE
Für ehrlos halt ich's nicht. Zum Schritt allein, den Bürger
Im Aufstand tun, bin linkisch ich geboren.
ANTIGONE
Nimm nun zum Vorwand dies. Ich aber gehe,
Ein Grab dem liebsten Bruder aufzuwerfen.
ISMENE
Ich Arme! oh! wie fürcht ich für dich!
ANTIGONE
Mir rate nicht! komm aus mit deinem Leben!
ISMENE
Meinwegen. Laß die Tat nur niemand hören!
Halt dich jetzt still! So kann ich mit dabeisein.
ANTIGONE
O mir! schrei laut es aus! Ich hasse nur noch mehr dich,
Schweigst du und sagst nicht dieses aus vor allen.
ISMENE
Warm für die Kalten leidet deine Seele.
ANTIGONE
Ich weiß, wem ich gefallen muß am meisten.
ISMENE
Könntst du es, doch Untunliches versuchst du.
ANTIGONE
Gewiß! kann ich es nicht, so muß ich's lassen.
ISMENE
Gleich anfangs muß niemand Untunlichs jagen.
ANTIGONE
Magst du so etwas sagen, haß ich dich,
Haßt auch dich der Gestorbene mit Recht.
Laß aber mich und meinen irren Rat
Das Gewaltige leiden. Ich bin überall nicht so
Empfindsam, daß ich sollt unschönen Todes sterben.
ISMENE
Wenn dir es dünkt, so geh. Wiß aber dies,
Sinnlos, doch lieb in liebem Tone sprichst du.
CHOR
der thebanischen Alten
O Blick der Sonne, du schönster, der
Dem siebentorigen Thebe
Seit langem scheint, bist einmal du
Erschienen, o Licht, bist du,
O Augenblick des goldenen Tages,
Gegangen über die dirzäischen Bäche,
Und den Weißschild, ihn von Argos,
Den Mann, gekommen in Waffenrüstung,
Den hinstürzenden Flüchtling
Bewegst du mit der Schärfe des Zaums, ihn,
Mit welchem über unser Land
Sich geschwungen Polynikes
Aus zweideutigem Zank, und scharf wie ein Adler
Schrie er und flog,
Schneeweiß sein Flügel,
Furchtbar, mit Waffen viel
Und Helmen, geschmückt mit dem Roßschweif.
Und über Palästen stand er und wies,
Voll blutiger Spieße, rings
Das siebentorige Maul;
Doch ging er davon,
Noch ehe von unsrem
Blut er die Backen
Gefüllt und ehe
Die Krone der Türme
Die Fackel des Hephästos genommen.
So über dem Rücken ist Getümmel
Des Mars dem Feind ein Hindernis,
Dem Drachen, geworden.
Denn sehr haßt Zeus das Prangen
Der großen Zung, und wo er,
Wenn sie langschreitend kommen,
Ins goldene ihnen sieht, ins eitle Hinaussehn,
Mit geschwungenem Feuer stür
zet er sie, wo einer
Von steilen Treppen schon
Den Sieg anhebet zu jauchzen.
Auf harten Boden aber fällt er, hinuntertaumelnd,
Liebestrunken, der mit rasender Schar
Hinschnob, bacchantisch
Im Wurf ungünstiger Winde;
Fand aber anders;
Anderes andrem
Bescheidet der Schlachtgeist, wenn der hart
Anregend einen mit dem Rechten die Hand erschüttert.
Sieben Fürsten, vor sieben Toren
Geordnet, gleiche zu gleichen, ließen
Dem Zeus, dem triumphierenden, die ehernen Waffen,
Außer den Abscheulichen, die, von
einem Vater
Und einer Mutter gezeuget, gegeneinander
Die gedoppelten Speere gerichtet und empfangen
Des gemeinsamen Todes Teil, die beiden.
Der großnamige Sieg ist aber gekommen,
Der wagenreichen günstig, der Thebe.
Und nach dem Kriege hier
Macht die Vergessenheit aus!
Zu allen Göttertempeln,
Mit Chören, die Nacht durch,
Kommt her! und, Thebe
Erschütternd, herrsche der Bacchusreigen!
Doch er, der König der Gegend,
Kreon, Menökeus' Sohn, neu nach
Der Götter neuen Verhängnissen,
Kommt wohl, um einen Rat
Zu sagen, da er zusammenberufen
Und verordnet hier der Alten Versammlung
Und öffentliche Botschaft gesendet.
Zweite Szene
Kreon. Der Chor.
KREON
Ihr Männer, wär's die Stadt allein, die haben,
Nachdem in großer Flut sie die geschüttert,
Nun wiederum gestaltet unsre Götter.
Euch aber rief aus zwei Ursachen ich
Aus den Gesamten, einmal, weil ich weiß,
Ihr achtet überhaupt von Lajos' Thron die Herrschaft,
Dann auch, als Ödipus die Stadt errichtet
Und nachher unterging, seid treugesinnt
CHOR
Besetze du mit Jungen derlei Posten!
KREON
Nicht das. Die Wach ist schon für den Entleibten draußen.
CHOR
Du nehmest aber auch noch in die Pflicht uns andre.
KREON
Ja. Weil's gewisse gibt, bei denen dieses mißfällt.
CHOR
Hier ist kein solcher Tor, der gerne stirbet.
KREON
Dies ist der Lohn. Doch hat mit Hoffnungen
Oft der Gewinn den Mann zugrund gerichtet.
Dritte Szene
Kreon. Der Chor. Ein Bote.
DER BOTE
Mein König, diesmal plaudr ich nicht, wie mich
Die othemlose Schnelle bring und wie
Sich leicht gehoben mir der Fuß. Denn öfters
Hielt mich die Sorg und wendet auf dem Wege
Mich um zur Rückkehr. Denn die Seele sang
Mir träumend viel. Wo gehst du hin, du Armer!
Wohin gelangt, gibst du die Rechenschaft?
Bleibst du zurück, Unglücklicher? so aber
Wird Kreon es von einem andern hören.
Wie kümmerst du deswegen denn dich nicht?
Derlei bedenkend, ging ich müßig langsam,
Und so wird auch ein kurzer Weg zum weiten.
Zuletzt hat freilich dies gesiegt, ich soll
Hieher, und wenn mein Sagen auch für nichts ist,
So sprech ich doch. Denn in der Hoffnung komm ich,
Es folge nur, dem, was ich tat, was not ist.
KREON
Was gibt's, warum du so kleinmütig kommest?
DER BOTE
Ich will dir alles nennen, was an mir ist,
Denn nicht getan hab ich's; weiß auch nicht, wer es tat.
Und nicht mit Recht würd ich in Strafe fallen.
KREON
Du siehst dich wohl für. Hüllest ringsherum
Die Tat und scheinst zu deuten auf ein Neues.
DER BOTE
Gewaltiges macht nämlich auch viel Mühe.
KREON
So sag es itzt, und gehe wieder weiter!
DER BOTE
Ich sag es dir. Es hat den Toten eben
Begraben eines, das entkam, die Haut zweimal
Mit Staub bestreut und, wie's geziemt, gefeiert.
KREON
Was meinst du? wer hat dies sich unterfangen?
DER BOTE
Undenklich. Nirgend war von einem Karst
Ein Schlag; und nicht der Stoß von einer Schaufel,
Und dicht das Land; der Boden ungegraben;
Von Rädern nicht befahren. Zeichenlos war
Der Meister, und wie das der erste Tagesblick
Anzeigte, kam's unhold uns all an, wie ein Wunder.
Nichts Feierlichs. Es war kein Grabmal nicht.
Nur zarter Staub, wie wenn man das Verbot
Gescheut. Und auch des Wilds Fußtritte nirgend nicht,
Noch eines Hundes, der gekommen und zerrissen.
Und schlimme Worte fuhren durcheinander.
Ein Wächter klagt den andern an; und fast
Gekommen wär's zu Streichen. Niemand war,
Der abgewehrt. Denn jeder schien, als hätt
Er es getan, doch keiner offenbar,
Und jeder wußt etwas für sich zu sagen.
Wir waren aber bereit, mit Händen glühend Eisen
Zu nehmen und durch Feuer zu gehn und bei den Göttern
Zu schwören, daß wir nichts getan und daß wir
Von dem nichts wußten, welcher das Geschehne
Beratschlagt oder ausgeführt. Zuletzt,
Als weiter nichts zu forschen war, spricht einer,
Der alle dahin brachte, daß das Haupt
Zu Boden ihnen sank, aus Furcht, denn nichts
Dagegen wußten wir, noch auch, wie wir
Es schön vollbrächten, und es hieß, man müsse
Die Tat anzeigen, dir es nicht verbergen.
Und dieses siegt', und mich, den Geisterlosen,
Erliest das Los, daß die Gewissenhaftigkeit
Ich hab und bin zugegen,
wider Willen;
Ich weiß, ich bin es vor Unwilligen,
Denn niemand liebt den Boten schlimmer Worte.
CHOR
Mein König, lange rät, es möchte göttlich
Getrieben sein das Werk, mir das Gewissen.
KREON
Laß das! damit du nicht zum Zorngericht auch mich noch
Beredest und ein Narr erfunden seist und Alter.
Denn allzuschwer fällt dieses, daß du sagst,
Die Geister aus jenseitigem Lande können
Nachdenklich sein um dieses Toten willen.
So zärtlich ehren sollten sie, umschatten einen,
Der doch die Gruppen ihrer Tempelsäulen
Und Opfer zu verbrennen kam, ihr Land
Und ihr Gesetz zu sprengen; oder siehest du,
Daß Schlimme von den Himmlischen sind geehrt?
Mitnichten. Doch es nehmen einige
Von sonst her mir dies übel in der Stadt
Und murren, ingeheim die Häupter schüttelnd,
Und im Geschirre biegen diese mir
Den Nacken so nicht ein, daß Menschlichs kommen könnte.
Von diesen sind Geschenke worden diesen,
Das weiß ich wohl, daß sie derlei gestiftet.
Denn unter allem, was gestempelt ist,
Ist schlimm nichts wie das Silber. Ganze Städte
Verführet dies, reizt Männer aus den Häusern.
Verbilden und verwandeln kann's aufrichtige Sinne,
Daß sie der Sterblichen ihr schändlich Werk erkennen.
Und viel Geschäft den Menschen weist es an
Und jeder Tat Gottlosigkeit zu wissen.
So viele dies getan, durch Lohn bewegt,
Sie taten's in der Zeit, zu Rechenschaft.
Wenn aber Leben hat der Erde Herr in mir auch,
So weiß ich dies und, dargestellt zum Eide,
Sag ich dir dies: den Täter müßt ihr liefern,
Der hackt die Toten, den vors Auge müßt ihr
Mir schaffen, oder lebend erst, ans Kreuz gehängt,
Das üppige Beginnen mir verraten,
Dann könnet ihr gefaßt sein auf die Hölle.
Da schaut ihr dann, woher man den Gewinn holt,
Vermacht die Plünderung einander und erfahrt,
Daß alles nicht gemacht ist zum Erwerbe.
Das weißt du gut, durch schlimmen Vorteil sind
Betrogen mehrere denn wohlbehalten.
DER BOTE
Gibst du was auszurichten, oder kehr ich so?
KREON
Weißt du, wie eine Qual jetzt ist in deinen Worten?
DER BOTE
Sticht es im Ohre, sticht's im Innern dir?
KREON
Was rechnest du, wo sich mein Kummer finde?
DER BOTE
Der Täter plagt den Sinn, die Ohren ich.
KREON
O mir! welch furchtbarer Sprechart bist du geboren?
DER BOTE
So ist's, weil ich nicht in der Sache mit bin.
KREON
Du bist's! um Geld verratend deine Seele!
DER BOTE
Ach! furchtbar ist Gewissen ohne Wahrheit!
KREON
So mal' die Satzung aus! Wenn aber ihr
Nicht anzeigt, die's getan, so mögt ihr sagen,
Gewaltiges Gewinnen gebe Schaden.
Kreon geht ab.
DER BOTE
Dem kann denn doch wohl nachgespüret werden.
Ob's aber treffen auch sich läßt? So etwas
Geht nämlich, wie es zustößt eben; nun scheint's nicht,
Als sähest du mich wieder hieher kommen.
Denn unverhofft und gegen meine Meinung
Erhalten, sag ich jetzt viel Dank den Göttern.
Er gehet ab.
Als Ungehorsam dich
Den königlichen Gesetzen,
In Unvernunft dich ergreifend?
Erste Szene
Antigone. Der Bote. Der Chor. Kreon.
DER BOTE
Die ist's. Die hat's getan. Die griffen wir,
Da sie das Grab gemacht, doch wo ist Kreon?
CHOR
Er kommet eben da zurück vom Hause.
KREON
Was ist es? welch gemeßner Fall geht vor?
DER BOTE
Mein König, Menschen müssen nichts verschwören.
Bildung lacht aus die Meinung. Was ich sag:
Ich dachte nicht so leicht hieher zurückzukommen,
Der Drohung nach, die mich zuvor herumgestürmet.
Dem Überraschen einer Freude gleicht jedoch
In keinem Grad ein anderes Vergnügen.
Beschworen komm ich, ob ich gleich es abschwur,
Die Jungfrau bringend hier; die ward erfunden,
Wie sie das Grab geschmückt. Da ward kein Los
Geschwungen. Sondern dieser Fund ist mein
Und keines andern; nimm, o König, nun
Sie selber, wie du willst, und richt und strafe!
Ich bin mit Recht befreit von diesem Unglück.
KREON
Wie bringst du diese her? wo griffst du sie?
DER BOTE
Die hat den Mann begraben. Alles weißt du.
KREON
Weißt du und sagst auch recht, was du geredet?
DER BOTE
Begraben sah ich die den Toten, wo du es
Verboten. Hinterbring ich Klares, Deutlichs?
KREON
Und wie ward sie gesehn und schuldig funden?
DER BOTE
So war die Sache. Wie wir weggegangen
Von dir, als du Gewaltiges gedrohet,
So wischten allen Staub wir ab, der um
Den Toten, wohl den nassen Leib entblößend;
Und setzten uns auf
hohen Hügel, an die Luft,
Daß er Geruch nicht von sich gebe, fürchtend.
Es regt' ein Mann den andern auf und drohte,
Wenn einer nicht die Arbeit achten würde.
Und lange blieb es so, bis auseinanderbrechend
Der Sonne Kreis sich bückte grad herab
Vom Äther und der Brand erglühte. Plötzlich hub
Vom Boden dann ein warmer Sturm den Wirbel,
Der Himmlisches betrübt, das Feld erfüllt und reißt
Die Haare rings vom Wald des Tals, und voll ward
Davon der große Äther; wir verschlossen
Die Augen, hatten göttlich Weh, und als
Wir frei davon, in guter Zeit hernach,
So wird das Kind gesehn und weinet auf
Mit scharfer Stimme, wie ein Vogel trauert,
Wenn in dem leeren Nest verwaist von Jungen er
Das Lager sieht. So sie, da sie entblößt
Erblickt den Toten, jammerte sie laut auf
Und fluchte böse Flüche, wer's getan,
Und bringet Staub mit beiden Händen, schnell,
Und aus dem wohlgeschlagnen Eisenkruge kränzt
Sie dreimal mit Ergießungen den Toten.
Wir, die's gesehen, kamen, haschten sie,
Die nicht betroffen war, und klagten sie
Des Jetzigen und Schongeschehnen an.
Sie leugnet' aber nichts mir ab und war
Lieblich zugleich und auch betrübt vor mir.
Denn daß man selbst entflieht aus Übeln, ist
Das Angenehmste. Doch ins Unglück Freunde
Zu bringen, ist betrübt. Doch dieses alles
Ist kleiner als mein eignes Heil zu nehmen.
KREON
Du also, die zur Erde neigt das Haupt,
Sagst oder leugnest du, daß du's getan habst?
ANTIGONE
Ich sage, daß ich's tat, und leugn es nicht.
KREON
Du, gehe du, wohi
n du willst, hinaus,
Von schwerer Schuld befreit; sag aber du mir,
Nicht lange, sondern kurz, ist dir bekannt,
Wie ausgerufen ward, daß solches nicht zu tun ist?
ANTIGONE
Ich wußte das. Wie nicht? Es war ja deutlich.
KREON
Was wagtest du, ein solch Gesetz zu brechen?
ANTIGONE
Darum.
Mein
Zeus berichtete mir's nicht;
Noch hier im Haus das Recht der Todesgötter,
Die unter Menschen das Gesetz begrenzet;
Auch dacht ich nicht, es sei dein Ausgebot so sehr viel,
Daß eins, das sterben muß, die ungeschriebnen drüber,
Die festen Satzungen im Himmel brechen sollte.
Nicht heut und gestern nur, die leben immer,
Und niemand weiß, woher sie sind gekommen.
Drum wollt ich unter Himmlischen nicht, aus Furcht
Vor eines Manns Gedanken, Strafe wagen.
Ich wußte aber, daß ich sterben müßte.
Warum nicht? hättst du's auch nicht kundgetan.
Wenn aber vor der Zeit ich sterbe, sag ich, daß es
Sogar Gewinn ist. Wer, wie ich, viel lebt mit Übeln,
Bekommt doch wohl im Tod ein wenig Vorteil?
So ist es mir, auf solch Schicksal zu treffen,
Betrübnis nicht; wenn meiner Mutter Toten,
Als er gestorben, ich grablos gelassen hätte,
Das würde mich betrüben. Aber das
Betrübt mich gar nicht. Bin ich aber dir,
Wie ich es tat, nun auf die Närrin kommen,
War ich dem Narren fast Narrheit ein wenig schuldig.
CHOR
Man sieht das rauh Geschlecht vom rauhen Vater
Am Kind! Allein beiseit im Übel kann's nicht.
KREON
Doch weißt du wohl, daß allzuspröde Sprach
Am liebsten fällt. Und auch dem stärksten Eisen
Bricht und vergeht das Störrige, gekocht
Im Ofen. Alle Tage kannst du dies sehn.
Und kaum mit einem Zaume, weiß ich, daß gestellt
Die grausamweitgestreckten Rosse werden.
Nicht seine Sache ist's,
groß zu denken, dem,
Der Diener derer ist, die ihn umgeben.
Die aber findet eine Lust aus damit,
Daß sie die vorgeschriebenen Gesetze trüb macht.
Und das ist noch die zweite Frechheit, da
Sie es getan, daß dessen sie sich rühmt und lacht,
Daß sie's getan. Nein! nun bin ich kein Mann,
Sie ein Mann aber, wenn ihr solche Kraft
Zukommet ungestraft. Doch wenn sie schon
Von meiner Schwester und Verwandtesten,
Vom ganzen Gotte meines Herdes da ist,
Dem allem ungeachtet meidet sie
Den schlimmen Tod nicht. Auch die Base nicht. Zu teuerst,
Auch diese klag ich an, wie diese da,
Daß sie gesorget, des Verscharrens wegen.
Ruft sie heraus. Denn eben sah ich drinnen
Sie wüten, nicht der Sinne mächtig. Gleich
Will ein geheimer Mut gefangen sein,
Wenn etwas nicht ist recht getan im Dunkeln.
Gewiß, das haß ich, ist auf Schlimmem einer
Ertappt, wenn er daraus noch Schönes machen möchte.
ANTIGONE
Willst du denn mehr, da du mich hast, als töten?
KREON
Nichts will ich. Hab ich dies, so hab ich alles.
ANTIGONE
Was soll's also? Von deinen Worten keins
Ist mir gefällig, kann niemals gefällig werden.
Drum sind die meinigen auch dir mißfällig.
Obwohl, woher hätt ich wohllautenderen Ruhm,
Als wenn ich in das Grab den Bruder lege.
Denn daß es wohlgefall all diesen da,
Gestände, sperrete die Zunge nur die Furcht nicht.
Das Königtum ist aber überall
Geistreich und tut und sagt, was ihm beliebet.
KREON
Siehst du allein dies von den Kadmiern?
ANTIGONE
Auch diese sehn's, doch halten sie das Maul dir.
KREON
Schämst du dich nicht, die ungefragt zu deuten?
ANTIGONE
Man ehrt doch wohl die Menschen eines Fleisches.
KREON
Und eines Bluts noch auch ist, der fürs Land gestorben.
ANTIGONE
Eins Blutes. Kind eins einigen Geschlechtes.
KREON
Und du bringst doch Gottlosen einen Dank?
ANTIGONE
Das läßt gewiß nicht gelten der Entschlafne.
KREON
Freilich. Wenn dir als eins
Gottloses gilt und anders.
ANTIGONE
Nicht in des Knechtes Werk, ein Bruder ist er weiter.
KREON
Verderbt hat der das Land; der ist dafür gestanden.
ANTIGONE
Dennoch hat solch Gesetz die Totenwelt gern.
KREON
Doch Guten gleich sind Schlimme nicht zu nehmen.
ANTIGONE
Wer weiß, da kann doch drunt' ein andrer Brauch sein.
KREON
Nie ist der Feind, auch wenn er tot ist, Freund.
ANTIGONE
Aber gewiß. Zum Hasse nicht, zur Liebe bin ich.
KREON
So geh hinunter,
wenn du lieben willst,
Und liebe dort! mir herrscht kein Weib im Leben.
Zweite Szene
Der Chor. Kreon. Antigone. Ismene.
CHOR
Aber jetzt kommt aus dem Tor Ismene,
Friedlich, schwesterliche Tränen vergießend.
Ein Geist über den Augenbraunen das blutige
Gesicht deckt,
Waschet rege von den Schläfen die Wangen.
KREON
Ja! du! die du drin hockst, daheim, wie Schlangen,
Geborgen und mich aussaugst! hat nicht einer mir
Berichtet, daß ich zwei Einbildungen hab an mir
Und Feinde des Throns? geh,
sage, hast du mitgemacht
Am Grabe, oder hast du's mit der Unschuld?
ISMENE
Getan das Werk hab ich, wenn die mit einstimmt,
Und nehme teil. Die Schuld nehm ich auf mich.
ANTIGONE
Das wird das Recht ja aber nicht erlauben.
Du wolltest nicht. Ich nahm dich nicht dazu mit.
ISMENE
Ich schäme mich an deinem Unglück nicht
Und mache zur Gefährtin mich im Leiden.
ANTIGONE
Bei denen, die durchgängiger Weise sind
Und die Gespräche halten miteinander, drunten,
Die mit den Worten liebt, die mag ich nicht.
ISMENE
Bring so mich in Verdacht nicht, Schwester, wie als könnt
Ich sterben nie mir dir; des Grabs Unschick vergüten.
ANTIGONE
Stirb du nicht allgemein. Was dich nicht angeht,
Das mache dein nicht. Mein Tod wird genug sein.
ISMENE
Hab ich denn, wenn du weg, noch eine Lieb im Leben?
ANTIGONE
Den Kreon, liebe den. Dem weisest du den Weg ja.
ISMENE
Was plagest du mich ohne Nutzen so?
ANTIGONE
Anfechtung ist es, wenn ich dich verlache.
ISMENE
Was aber kann ich nützen dir, auch jetzt noch?
ANTIGONE
Nütz dir. Das gönn ich dir, daß du mit hingehst.
ISMENE
Ich Arme! weh! hab ich Schuld, daß du stirbst?
ANTIGONE
Dein Teil ist ja das Leben, meines Tod.
ISMENE
Doch was ich sprach zu dir, ist auch dabei doch.
ANTIGONE
Das war auch schön. Doch so wollt ich gesinnt sein.
ISMENE
Allein der Fehl ist für uns beide gleich.
ANTIGONE
Sei gutes Muts! du lebst, doch meine Seele,
Längst ist sie tot, so daß ich Toten diene.
KREON
Von diesen Weibern da, sag ich, wird eben da
Sinnlos die ein, einheimisch ist's die andre.
ISMENE
Es bleibt kein Herz, auch nicht das heimatliche,
Im Übelstand, mein König, außer sich gerät es.
KREON
Dir, weil du schlimm mit Schlimmen dich gestellt.
ISMENE
Mir lebt nichts, wo allein ich bin, nicht die auch.
KREON
Die Red ist nicht von dieser. Die ist nimmer.
ISMENE
Du tötest aber deines Sohnes Braut.
KREON
Von anderen gefallen auch die Weiber.
ISMENE
Es schickte keine sich, wie er und sie.
KREON
Von bösen Weibern warn ich meine Söhne.
ANTIGONE
O liebster Hämon! wie entehrt er dich!
KREON
Gar lästig bist du auch, du und dein Bette.
ISMENE
Dem nimmst du sie, der deines Lebens Teil ist.
KREON
Die Höll ist da, derlei Zuwachs zu scheiden.
ISMENE
Beschlossen scheint es, daß sie sterben soll.
KREON
Für dich und mich! Umstände nimmer! bringt
Hinein, ihr Mägde, sie! Von nun an not ist,
Daß diese Weiber sei'n nicht freigelassen.
Denn Flucht ist auch der Starken Art, wenn ihnen
Der Hölle Reich aufgeht am Rand des Lebens.
Antigone und Ismene werden weggeführt.
Dritter Akt
Chor der thebanischen Alten. Kreon.
CHOR
Glückselige solcher Zeit, da m
an nicht schmecket das Übel;
Denn wenn sich reget von Himmlischen
Einmal ein Haus, fehlt's dem an Wahnsinn nicht,
In der Folge, wenn es
Sich mehrt. Dem gleich, wenn unten,
Auf pontischer See, bei übelwehenden
Thrazischen Winden, die Nacht unter dem Salze
Eine Hütte befallen,
Von Grund aus wälzt sie das dunkle
Gestad um, das zersauste,
Und von Gestöhne rauschen die geschlagnen Ufer.
Alternd von Labdakos' Häusern,
Den untergegangenen, seh ich Ruin fallen
Auf Ruin; noch löset ab ein Geschlecht
Das andre, sondern es schlägt
Ein Gott es nieder. Und nicht Erlösung hat er.
Denn jetzt ist über die letzte
Wurzel gerichtet das Licht
In Ödipus' Häusern.
Und der tödliche, der Staub
Der Todesgötter zehret sie aus,
Und ungehaltnes Wort und der Sinne Wüten.
Vater der Erde, deine Macht,
Von Männern wer mag die mit Übertreiben erreichen?
Die nimmt der Schlaf, dem alles versinket, nicht
Und die stürmischen, die Monde der Geister
In alterloser Zeit; ein Reicher,
Behältst des Olympos
Marmornen Glanz du,
Und das Nächste und Künftige
Und Vergangne besorgst du.
Doch wohl auch Wahnsinn kostet
Bei Sterblichen im Leben
Solch ein gesetztes Denken.
Die Hoffnung lebet, ruhlos irrend,
Und vielen Männern hilft sie,
Täuscht vieler leichte Sinne.
Bleibt, bis dem, der an nichts denkt,
Die Sohle brennet von heißem Feuer.
Aus eines Mannes Weisheit ist
Ein rühmlich Wort gekommen:
Das Schlimme schein oft trefflich
Vor einem, sobald ein Gott
Zu Wahn den Sinn hintreibet.
Er treibt's aber die wenigste Zeit
Gescheuet, ohne Wahnsinn.
Hämon kommt hier, von deinen Söhnen
Der Jüngstgeborne, bekümmert ist der,
Daß untergehen soll Antigone,
Die junge Frau, die hochzeitliche,
Vom tückischen Bett erkranket.
Erste Szene
Kreon. Hämon. Der Chor.
KREON
Bald haben wohl, o Sohn, mehr als die Seher
Wir endliche Entscheidung. Schließest du dein Ohr mir,
Der jungen Frau zulieb, und kommst mit Wut zum Vater?
Sag, oder bleibst du mir in allem meinem Handeln?
HÄMON
Vater, dein bin ich. Milde Denkart hast du,
Richtest mir recht. Da mag ich gern dir folgen.
Denn so viel schätz ich keine Hochzeit nicht,
Daß sie mir lieber als dein Glück im Herrschen.
KREON
Wohl, Sohn. So auch muß in der Brust es sein,
Daß väterlicher Meinung alles nachgeht.
Darum auch wünschete zuerst der Mann
Ein fromm Geschlecht und häuslich zu gewohnen,
Daß es mit Schaden fernhält einen Feind,
Den Freund hingegen ehrt, so wie den Vater.
Wenn aber untaugliche Kinder einer zeugt,
Von dem sprichst du auch wohl nichts anderes,
Als daß er Mühe nur sich selbst und viel
Gelächter für die Feinde sich gezeuget.
Wirf darum jetzt, o Sohn, des Weibes wegen nicht
Aus Lust die Sinne weg, und denke, daß
Das eine frostige Umarmung wird,
Ein böses Weib beiwohnend in den Häusern.
Auf Erden, was schlägt mißlichere Beulen
Als schlimme Freund'? Acht' aber du das gleich
Gottlosen! laß das Mädchen einen frein
Beim Höllengott! denn offenbar hab ich
Getroffen sie, daß von der ganzen Stadt
Sie untreu war allein; und darf jetzt nicht als Lügner
Bestehen vor der Stadt und muß sie töten.
Mag dann sie das wegsingen bei dem Bruder.
Verdirbt das Eingeborne, nähr ich fremd Geschlecht.
Denn wer im Angehörigen nur gut ist,
Erscheint auch in der Stadt als ein Gerechter.
Wer aber übertretend den Gesetzen
Gewalt will antun oder Herrscher meistern,
Von mir kann dem nicht wohl ein Lob zufallen.
Wen aber eine Stadt hat eingesetzt,
Dem soll man Kleines, Rechtes, Ungereimtes hören.
Und dieser Mann, ich glaube das, er wird
Wohl herrschen, wird auch gute Herrschaft wollen,
Und in der Speere Stürmen angestellt,
Wird ein gerechter Helfer der und trefflich bleiben.
Denn herrnlos sein, kein größer Übel gibt es.
Denn das verderbet Städte, das empört
Die Häuser, das reißt Lücken im Speergefecht.
Die aber recht gerichtet sind, bei denen
Erhält die Obrigkeit die vielen Körper.
So sichre du, die eine Welt dir bilden,
Und weiche nie dem Weib, in keinem Dinge.
Denn mehr gilt's, muß es sein, mit einem Mann zu fallen,
Daß nimmer wir genannt sei'n hinter Weibern!
CHOR
Uns, wenn uns nicht im Finstern hält die Zeit,
Scheint das mit Sinn gesagt, wovon du redest.
HÄMON
Als wie von Gott, himmlisch kommt die Besinnung,
Mein Vater, die auch ist von allem Gut das beste.
Mein eigen Leben aber kann es nicht,
Weiß auch nicht, ob du recht geredt, zu sagen.
Mag andern zu das Schöne ziehn von nun an,
Für dich war ich am Leben, zu beschauen,
Was einer sagt und tut und tadelt, alles.
Von dir das Auge wäre für das Volk,
Für Worte, die du gern nicht hörst, zu furchtbar.
Mir aber ward, zu hören das Vertrauen,
Und wie die Stadt voll ist von Trauer um die Jungfrau:
"Die soll, die Unschuldigste von den Weibern,
So schlecht vergehn ob dem, wa
s sehr ruhmvoll getan war?
Die ihren Bruder, der in Mord gefallen,
Vom unbarmherz'gen Hunde grablos wollte
Nicht fressen lassen, noch der Vögel einem,
Soll eine solche goldnen Ruhms nicht wert sein?"
So finster ingeheim kommt das Gerücht uns.
Wenn dir es aber wohl vonstatten geht,
Mein Vater, drüber geht kein Eigentum mir.
Wenn ja der Vater blüht, was steht dann Kindern
Von gutem Rufe gottesähnlicher,
Als kindliches Betragen vor dem Vater?
Und hege nur in dir jetzt keine eigne Sitte,
Und sage nicht, du habest recht, kein andrer.
Denn wer allein hält von sich selbst, er habe
Gedanken nicht und Sprach und Seele wie ein andrer,
Wenn aufgeschlossen würd ein solcher Mensch,
Erschien' er leer.
An einem Manne aber,
Wenn irgendwo ein Weiser ist, ist's keine Schande,
Viel lernen und nichts gar zu weit zu treiben.
Sieh, wie am Regenbache, der vorbeistürzt,
Die Bäume all ausweichen; alle denen
Erwärmet ihr Gezweig; die aber gegenstreben,
Sind gleich hin; sonst auch, wenn ein habhaft Schiff
Sich breitmacht und nicht weichen will in etwas,
Rücklings hinunter von den Ruderbänken
Muß das zuletzt den Weg und gehet scheitern.
Gib nach, da wo der Geist ist, schenk uns Ändrung,
Und wenn im Wort hier aus mir selber auch
Dabei ist eine jugendliche Meinung,
Ist alten Geists ein Mann, voll in vollkommnem Wissen;
Ist dieser nicht dabei, denn selten will es so gehn,
So ist von Worten auch, die gut sind, gut zu lernen.
CHOR
Mein König, billig ist es, wenn er an der Zeit spricht,
Zu lernen, aber du von dem auch. Denn
Mit zweien Stimmen wurde recht gesprochen.
KREON
Da ich so alt bin, will ich meinetwegen
Auch lernen denken in der Art von dem hier.
HÄMON
Niemals beleidigen. Bin ich ein junger Mensch,
Muß man nicht auf die Zeit mehr als die Tat sehn.
KREON
Ist's Tat, dem huldigen, was gegen eine Welt ist?
HÄMON
Mein Rat ist's nicht, an Bösen Frömmigkeit zu üben.
KREON
Ist nicht die hier in solcher Krankheit troffen?
HÄMON
So nicht spricht dies genachbarte Volk Thebes.
KREON
Der Ort sagt mir wohl, was ich ordnen muß.
HÄMON
O sieh nun auf, allda, wie das verwegen jung klingt.
KREON
Und wohl ein anderer soll Herr sein in dem Lande?
HÄMON
Es ist kein rechter Ort nicht auch, der eines Manns ist.
KREON
Wird nicht gesagt, es sei die Stadt des Herrschers?
HÄMON
Ein rechter Herrscher wärst allein du in der Wildnis.
KREON
Der, scheint's, ist von dem Weib ein Waffenbruder.
HÄMON
Wenn du das Weib bist. De
inetwillen sorg ich.
KREON
O schlecht! schlecht! ins Gericht gehn mit dem Vater.
HÄMON
Weil ich nicht seh, wie du das Recht anlügest.
KREON
Wenn meinem Uranfang ich treu beistehe, lüg ich?
HÄMON
Das bist du nicht, hältst du nicht heilig Gottes Namen.
KREON
O schamlos Wesen, schlechter als das Weib.
HÄMON
Nicht wirst du wohl mich finden hinter Schlechtem.
KREON
Und so bis hieher setzest du dich ihr zulieb aus?
HÄMON
Ihr, dir und mir zulieb, und Todesgöttern.
KREON
Schon ist es nicht mehr Zeit, daß du sie nehmest lebend.
HÄMON
So sterbe sie, verderbe sterbend einen.
KREON
Ist es heraus? wie frech
noch nach der Zornlust!
HÄMON
Das ist für einen leeren Sinn sie freilich.
KREON
Wein und besinne dich; leersinnig kannst auch du sein.
HÄMON
Wärst du es selbst nicht, hielt ich dich für treulos.
KREON
Schöntun, des Weibes Werk, betöre mich nicht!
HÄMON
Du möchtest etwas sagen, hören nichts.
KREON
So ist es. Doch beim Himmel meiner Väter!
So nach Gelust sollst du nicht kränken mich mit Tadel.
Schafft weg die Brut, vor
Augen soll sie, gleich,
In Gegenwart, hart an dem Bräutigam, sterben.
HÄMON
Nicht wahrlich mir. Das lasse nie dir dünken.
Nicht untergehn wird diese, nahe mir.
Und nimmer sollst du sehn mein Haupt vor Augen,
Damit du ungestört mit denen bleibst, die dein sind.
Hämon geht ab.
CHOR
Der Mann, mein König, ging im Zorne schnell,
Ein solch Gemüt ist aber schwer im Leiden.
KREON
Er tu es! denke größer als ein Mann!
Doch rettet er vom Tode nicht die Mädchen.
CHOR
Denkst du sogar zu töten diese beiden?
KREON
Nicht die, die's nicht berührt; da hast du recht.
CHOR
Und denkst du über jene nac
h; wie willst du töten?
KREON
Sie führen, wo einsam der Menschen Spur ist,
Lebendig in dem Felsengrunde wahren,
So viele Nahrung reichen, als sich schickt,
Daß nicht die Stadt zuschanden werde vollends.
Dort wird sie wohl zum Todesgotte beten,
Den sie allein von allen Göttern ehrt,
Und werden kann ihr's, daß sie nimmer stirbt.
So wird sie einsehn, aber geisterweise:
Es sei doch Überfluß, Totes ehren.
Kreon gehet hinein.
Zweite Szene
Der Chor. Hernach Antigone.
CHOR
Geist der Liebe, dennoch Sieger
Immer in Streit! Du Friedensgeist, der über
Gewerb einnicket und über zärtlicher Wange bei
Der Jungfrau übernachtet
Und schwebet über Wassern
Und Häusern, in dem Freien.
Fast auch Unsterblicher Herz zerbricht
Dir und entschlafender Menschen, und es ist,
Wer's an sich hat, nicht bei sich. Denn
Du machest scheu der Gerechten
Unrechtere Sinne, daß in die Schmach weg
Sie flüchten, hältst dich hier auf, im Männerzank,
Im blutsverwandten, und wirfst es untereinander.
Und nie zuschanden wird es,
Das Mächtigbittende,
Am Augenlide der hochzeitlichen
Jungfrau, im Anbeginne dem Werden großer
Verständigungen gesellet. Unkriegerisch spielt nämlich
Die göttliche Schönheit mit.
Jetzt aber komm ich eben selber aus
Dem Gesetze. Denn ansehn muß ich dies, und halten kann ich
Nicht mehr die Quelle der Tränen,
Da in das alles schweigende Bett
Ich seh Antigone wandeln.
ANTIGONE
Seht, ihr des Vaterlandes Bürger,
Den letzten Weg gehn mich
Und das letzte Licht
Anschauen der Sonne.
Und nie das wieder? Der
alles schweigende Todesgott,
Lebendig führt er mich
Zu des Acherons Ufer, und nicht zu Hymenäen
Berufen bin ich, noch ein bräutlicher singt
Mich, irgendein Lobgesang, dagegen
Dem Acheron bin ich vermählt.
CHOR
Gehst du bekannt doch und geleitet mit Lob
Hinweg in diese Kammer der Toten.
Verderbend trifft dich
Krankheit nicht,
Nicht für das Schwert empfängst du Handlohn.
Dein eigen Leben lebend, unter
Den Sterblichen einzig,
Gehst du hinab, in die Welt der Toten.
ANTIGONE
Ich habe gehört, der Wüste gleich sei worden
Die Lebensreiche, Phrygische,
Von Tantalos im Schoße gezogen, an Sipylos' Gipfel;
Höckricht sei worden die und, wie eins Efeuketten
Antut, in langsamen Fels
Zusammengezogen; und immerhin bei ihr,
Wie Männer sagen, bleibt der Winter;
Und waschet den Hals ihr unter
Schneehellen Tränen der Wimpern. Recht der gleich,
Bringt mich ein Geist zu Bette.
CHOR
Doch heilig gesprochen, heilig gezeuget
Ist die, wir aber Erd und irdisch gezeuget.
Vergehst du gleich, doch ist ein Großes, zu hören,
Du habst, Gottgleichen gleich, empfangen ein Los,
Lebendig und dann gestorben.
ANTIGONE
Weh! Närrisch machen sie mich. Warum
Bei Vaterlandsschutzgeistern überhebest du
Dich mein, die noch nicht untergegangen,
Die noch am Tag ist.
O Stadt, o aus der Stadt
Ihr vielbegüterten Männer!
Io, ihr dirzäischen Quellen!
Um Thebe rings, wo die Wagen
Hochziehen, o ihr Wälder! Doch, doch müßt
Ihr mir bezeugen einst, wie unbeweinet
Von Lieben und nach was für
Gesetzen in die gegrabene Kluft ich,
Ins unerhörte Grab muß.
Io! ich Arme!
Nicht unter Sterblichen, nicht unter Toten.
CHOR
Mitwohnend Lebenden nicht und nicht Gestorbnen.
Forttreibend bis zur Scheide der Kühnheit,
Bis auf die Höhe des Rechts,
Bist du, o Kind, wohl tief gefallen,
Stirbst aber väterlichen Kampf.
ANTIGONE
Die zornigste hast du angereget
Der lieben Sorgen,
Die vielfache Weheklage des Vaters
Und alles
Unseres Schicksals,
Uns rühmlichen Labdakiden.
Io! du mütterlicher Wahn
In den Betten, ihr Umarmungen, selbstgebärend,
Mit meinem Vater, von unglücklicher Mutter,
Von denen einmal ich Trübsinnige kam,
Zu denen ich im Fluche
Mannlos zu wohnen komme.
Io! Io! mein Bruder!
In gefährlicher Hochzeit gefallen!
Mich auch, die nur noch da war,
Ziehst sterbend du mit hinab.
CHOR
Zu ehren ist von Gottesfurcht
Etwas. Macht aber, wo es die gilt,
Die weichet nicht. Dich hat verderbt
Das zornige Selbsterkennen.
ANTIGONE
Unbeweinet und ohne Freund' und ehlos
Werd ich Trübsinnige geführet
Diesen bereiteten Weg. Mir ist's nicht
Gebrauch mehr, dieser
Leuchte heiliges Auge
Zu sehn, mir Armen. Und dies
Mein Geschick, das tränenlose,
Betrauert, liebet niemand.
Dritte Szene
Kreon. Antigone. Der Chor.
KREON
Ihr wisset, keines läßt das Singen und das Heulen
In Todesnot, solang man hin und her spricht.
Führt sie gleich weg, und
mit der Gruft, der dunklen,
Umschattet ihr sie, wie gesagt, dort laßt sie ruhn
Einsam allein; mag sie nun sterben müssen,
Mag lebend unter solchem Dache zehren.
Denn wir sind rein, was dieses Mädchen angeht,
Die Häuslichkeit hier oben aber fehlt ihr.
ANTIGONE
O Grab! o Brautbett! unterirdische
Behausung, immerwach! Da werd ich reisen
Den Meinen zu, von denen zu den Toten
Die meiste Zahl, nachdem sie weiter gangen,
Zornigmitleidig dort ein Licht begrüßt hat;
Von denen ich, die letzte, nun am schlimmsten
In weiter Welt vergehn muß, ehe mir
Des Lebens Grenze kommt. Doch komm ich an,
So nähr ich das mit Hoffnungen gar sehr,
Daß lieb ich kommen werde für den Vater,
Auch dir lieb, meine Mutter! lieb auch dir,
Du brüderliches Haupt! Denn als ihr starbt,
Hab ich genommen euch mit eigner Hand
Und ausgeschmückt und über eurem Grabe
Trankopfer euch gebracht. Nun, Polynikes,
Indem ich decke deinen Leib, erlang ich dies,
Obgleich ich dich geehrt, vor Wohlgesinnten.
Nie nämlich, weder wenn ich Mutter
Von Kindern wäre oder ein Gemahl
Im Tode sich verzehret, hätt ich mit Gewalt,
Als wollt ich einen Aufstand, dies errungen.
Und welchem Gesetze sag ich dies zu Dank?
Wär ein Gemahl gestorben, gäb es andre,
Und auch ein Kind von einem andern Manne,
Wenn diesen ich umarmt. Wenn aber Mutter
Und Vater schläft, im Ort der Toten beides,
Steht's nicht, als wüchs ein andrer Bruder wieder.
Nach solchem Gesetze hab ich dich geehrt,
Dem Kreon aber schien es eine Sünde
Und sehr gewagt, o brüderliches Haupt!
Und jetzt führt er mich weg, mit Händen so mich greifend,
Mich ohne Bett und Hochzeit; noch der Ehe Teil
Hab ich empfangen, noch ein Kind zu nähren.
Doch einsam so von Lieben, unglückselig,
Lebendig in die Wildnis der Gestorbnen
Komm ich hinab. Welch Recht der Geister übertretend?
Was soll ich Arme noch zu himmlischen
Gewalten schaun? Wen singen der Waffengenossen?
Da ich Gottlosigkeit aus Frömmigkeit empfangen.
Doch wenn nun dieses schön ist vor den Göttern,
So leiden wir und bitten ab, was wir
Gesündiget. Wenn aber diese fehlen,
So mögen sie nicht größer Unglück leiden,
Als sie bewirken offenbar an mir.
CHOR
Noch von demselben Stürmen hat
Sie noch dieselben Stöße in der Seele.
KREON
Deswegen werden denen, die sie führen,
Tränen kommen, des Aufschubs wegen.
ANTIGONE
O mir! grad vor dem Tode
Ist dies das Wort.
KREON
Ich rate, nichts zu wagen,
Nichts derlei dieser zuzusprechen.
Kreon geht ab.
Vierter Akt
Erste Szene
Antigone. Der Chor.
ANTIGONE
O des Landes Thebes väterliche Stadt,
Ihr guten Geister alle, den Vätern geworden,
Also werd ich geführt und weile nicht mehr?
Seht übrig von den anderen allen
Die Königin, Thebes Herrn! welch eine
Gebühr ich leide von gebührigen Männern,
Die ich gefangen in Gottesfurcht bin.
CHOR
Der Leib auch Danaës mußte,
Statt himmlischen Lichts, in Geduld
Das eiserne Gitter haben.
Im Dunkel lag sie
In der Totenkammer, in Fesseln;
Obgleich an Geschlecht edel, o Kind!
Sie zählete dem Vater der Zeit
Die Stundenschläge, die goldnen.
Aber des Schicksals ist furchtbar die Kraft.
Der Regen nicht, der Schlachtgeist
Und der Turm nicht, und die meerumrauschten
Fliehn sie, die schwarzen Schiffe.
Und gehascht ward zornig behend Dryas' Sohn,
Der Edonen König, in begeistertem Schimpf
Von Dionysos, von den stürzenden
Steinhaufen gedecket.
Den Wahnsinn weint' er so fast aus,
Und den blühenden Zorn. Und kennen lernt' er,
Im Wahnsinn tastend, den Gott mit schimpfender Zunge.
Denn stocken macht' er die Weiber,
Des Gottes voll, und das euische Feuer,
Und die flötenliebenden
Reizt' er, die Musen.
Bei himmelblauen Felsen aber, wo
An beiden Enden Meer ist,
Dort sind des Bosphoros Ufer
Und der Busen Salmidessos',
Der Thraziern gehöret; daselbst sah, nahe
Der Stadt, der Schlachtgeist zu, als beiden
Phineïden ward die Wunde der Blindheit
Vom wilden Weibe gestoßen,
Und finster war's in den mutwill'gen Augenzirkeln.
Von Speeren Stiche. Unter
Blutigen Händen und Nadelspitzen.
Und verschmachtend, die Armen weinten
Das arme Leiden der Mutter; sie hatten
Ehlosen Ursprung; jene aber war
Vom Samen der altentsprungenen
Erechtheïden.
In fernewandelnden Grotten
Ernährt ward sie, in Stürmen des Vaters, die Boreade,
Zu Rossen gesellt, auf gradem Hügel,
Der Götter Kind. Doch auch auf jener
Das große Schicksal ruhte, Kind!
Antigone wird weggeführt.
Zweite Szene
Tiresias. Kreon.
TIRESIAS
von einem Knaben geführt
Ihr Fürsten Thebes! miteinander kommen
Des Weges wir, durch
einen
beide sehend.
Wir Blinden gehen mit Wegweisern so des Weges.
KREON
Was gibt es Neues, Greis Tiresias!
TIRESIAS
Ich will es sagen,
höre du den Seher.
KREON
Auch war ich sonst von deinem Sinn nicht ferne.
TIRESIAS
Drum steuerst du gerad auch mit der Stadt.
KREON
Erfahren hab ich Nützliches und zeug es.
TIRESIAS
Auch jetzt im zarten Augenblicke denke.
KREON
Was ist es denn? Furchtbar ist dieser Mund mir.
TIRESIAS
Du weißt es; hörst die Zeichen meiner Kunst.
Denn auf dem alten Stuhle, Vögel schauend,
Saß ich, wo vor mir war ein Hafen aller Vögel,
Da hört ich unbekannt von denen ein Geschrei,
Mit üblem Wüten schrien sie und wild,
Und zerrten mit den Klauen sich einander,
In Mord, das merkt ich, denn nicht unverständlich war
Der Flügel Sausen. Schnell befürchtet ich
Und kostete die Flamm, auf allentzündeten
Altären. Aber aus den Opfern leuchtet'
Hephästos nicht. Hingegen aus der Asche
Der nasse Geruch verzehrte die Hüften
Und raucht' und wälzte sich, und hoher Zorn ward
Umhergesäet, und die benetzten Hüften
Sahn offen aus dem Fett, das sie bedeckte.
Die hab ich von dem Knaben hier erfahren,
Der zeichenlosen Orgien tödliche Erklärung.
Denn dieser ist mir Führer, andern ich.
Und dies. Nach deinem Sinn erkrankt die Stadt.
Denn die Altäre sind und Feuerstellen
Voll von dem Fraß der Vögel und des Hunds,
Vom unschicklich gefallnen Sohn des Ödipus.
Und nicht mehr nehmen auf beim Opfer das Gebet
Von uns die Götter, noch der Hüften Flamme;
Noch rauscht der Vögel wohlbedeutendes
Geschrei her, denn es hat von totem Menschenblut
Das Fett gegessen. Das bedenke nun, o Kind!
Denn allen Menschen ist's gemein, zu fehlen.
Wenn aber einer fehlt, der Mann ist eben
Nicht ungescheut und nich
t ein Unglücksel'ger,
Wenn er, gefallen in ein Übel, heilen
Sich lässet und nicht unbeweglich bleibet.
Denn Eigendünkel zeiget Grobheit an.
Weich du dem Toten und verfolge nicht
Den, der dahin ist. Welche Kraft ist das,
Zu töten Tote? Gut für dich gesinnt,
Sag ich es gut. Zu lernen ist erfreulich,
Spricht einer gut, und nützet, was er saget.
KREON
O Alter! alle, wie auf eines Schützen Ziel,
Zielt ihr auf unsereinen. Ungeschult nicht bin
Von eurer Art ich in der Seherkunst nicht;
Verkauft bin ich seit langem und betrogen.
Gewinnet! Kauft von Sardes das Elektrum,
Wenn ihr es wollt, und Gold von Indien,
Doch in dem Grabe berget ihr nicht jenen,
Nicht, wenn der Donnervogel zuckend ihn
Vor Gottes Thron als Speise tragen wollte.
Des ungeachtet laß ich, der Krankheiten nicht
Des Himmels fürchtet, nicht ein Grab dem Manne.
Gott regt kein Mensch an, dieses weiß ich.
Es fallen aber, Greis Tiresias,
Von Sterblichen auch sehr Gewaltige
Sehr wüsten Fall, wenn solche Worte sie,
Die wüst sind, schön aussprechen, Vorteils wegen.
TIRESIAS
Ach! weiß es jemand? ist's gesprochen irgend?
KREON
Was gibt's? was sagst du dieses Allgemeine?
TIRESIAS
Um wieviel gilt itzt mehr Gutmütigkeit als Wohlsein?
KREON
So viel, denk ich, nicht denken viel Verlust ist.
TIRESIAS
Von dieser Krankheit aber bist du voll.
KREON
Ich will dem Seher schlimm nicht widersprechen.
TIRESIAS
So sprichst du, da du sagst, ich prophezeie fälschlich.
KREON
Die Seherart liebt nämlich all das Silber.
TIRESIAS
Tyrannenart liebt schändlichen Gewinn.
KREON
Weißt du, daß Feldherrn sind, wozu du redest?
TIRESIAS
Das weiß ich. Denn durch mich erhieltest diese Stadt du.
KREON
Ein weiser Seher bist du, liebest dennoch Unrecht.
TIRESIAS
Aufregen wirst du mich, das, was noch unerschüttert
Von meinen Gedanken ist, herauszusagen.
KREON
Erschüttr es! Nur sprich Vorteils wegen nicht!
TIRESIAS
Schein ich so sehr dein Teil zu sein auch itzt noch?
KREON
Du wirst nicht täuschen meinen Sinn, das wisse!
TIRESIAS
Wiß aber du, nicht lange Zeit mehr brütest
In eifersücht'ger Sonne du von nun an;
Denn bald aus deinem Eingeweide zahlst
Du selber einen Toten für die Toten,
Für die, die du von oben warfst hinunter
Und deren Seele schmählich du im Grabe
Zu wohnen hast gesandt. Von unten hast
Auch oben einen du, den schicksallosen,
Den unbegrabenen, unheiligen Toten
Des Todesgotts, der weder dich noch obre Götter
Angehet, aber du brauchst so Gewalt.
Und darum lauern wunderlich verderblich
Im Jenseits dir die Spötter und die Richterinnen
Der Götter, also, daß da in denselben Übeln
Du troffen werdest, und betrachte das,
Ob ich das dumm von Silber spreche. Denn es kommt,
Nicht lange Zeit mehr ist's, von Männern, Weibern
In deinen Häusern eine Weheklage.
In Mißverstand muß aber jede Stadt
Vergehen, deren Leichname zur Ruhe
Die Hund' und wilden Tiere bringen, oder wenn
Mit Fittichen ein Vogel mit unheiligem
Geruche zum gesetzten Herd der Stadt kommt.
So steht's mit dir. Verdrossen bist du freilich;
Als wie ein Schütze sandt ich aus dem Mute
Des Herzens Pfeile fest. Und ihrer Wärme
Entgehst du nicht! O Kind! Du aber führ uns
Hinweg ins Haus, daß dieser seinen Mut
Auslasse gegen Jüngere. Und lernen
Mag er, die Zunge stiller zu gewöhnen,
Und besser sein Gemüt gesinnt, denn's jetzt ist.
Tiresias geht ab.
Dritte Szene
Der Chor. Kreon.
CHOR
Der Mann, mein König, ging viel prophezeiend,
Wir wissen aber, seit wir mit dem weißen
Das schwarze Haar vertauschet, wie du siehst,
Daß nie er Lügen in der Stadt gebrauchet.
KREON
Ich weiß es selbst und bin verwirrt im Sinn;
Denn weichen ist ein Großes. Doch wenn einer
Mit Wahn mir auf den Mut tr
itt, wird das schwierig.
CHOR
Es brauchet guten Rat, Kreon, Menökeus' Sohn!
KREON
Was ist zu tun? Sag es, ich will dir folgen.
CHOR
Komm, laß die Jungfrau aus dem Felsenhause,
Und schaff ein Grab dem, welcher draußen liegt.
KREON
Du lobest dies und scheinst es gutzuheißen.
CHOR
So schnell, mein König, als es möglich ist,
Denn in die Kürze faßt den Schlimmgesinnten
Die schnellgefüßte Züchtigung der Götter.
KREON
O mir. Kaum mag ich, denn mir fehlt das Herz
Dazu, doch mit der Not ist nicht zu streiten.
CHOR
Tu nun dies. Komm. Komm nun nicht mehr auf anders.
KREON
So wie ich bin, will ich hinweggehn. Diener!
Abwesend, gegenwärtig! nimmt zur Hand
Die Beil' und eilt zum Orte, den ihr sehet.
Ich aber, weil für die sich kehrt die Meinung,
Und ich sie selbst band, will auch selbst sie lösen.
Ich fürcht, es ist am besten, zu erhalten
Bestehendes Gesetz und so zu enden.
Fünfter Akt
CHOR
der thebanischen Alten
Namenschöpfer, der du von den Wassern, welche Kadmos
Geliebet, der Stolz bist und des, der im Echo donnert,
Ein Teil, des Vaters der Erd,
Und Italia in Wachstum weit umschweifst,
Die allbekannt ist. Allen gemein
Ist aber Undurchdringliches; denn auch waltest
Im Schoße du zu Eleusis.
Hier aber, Freudengott,
In der Mutterstadt, der bacchantischen,
In Thebe wohnest du, an Ismenos' kaltem Bach,
An den Zäunen, wo den Othem
Das Maul des Drachen haschet.
Der Opferrauch, der wohlgestalt ist über
Des Felses Schultern, hat dich gesehen; am
Cocytus, wo die Wasser
Bacchantisch fallen, und
Kastalias Wald auch.
Und unter nyssäischen Bergen regen
Fernhorchend Brunnen dich auf,
Und grün Gestad,
Voll Trauben hängend,
Nach Thebes
Unsterblichen Worten zu gehn,
In die Gassen, da sie frohlockten.
Denn die ehrst du vor allen
Als höchste der Städte
Mit der blitzgetroffenen Mutter.
Jetzt aber, da von gewaltiger
Krankheit die ganze Stadt
Ist befangen, müssen wir
Der Buße Schritte gehen über
Den parnassischen Hügel oder
Die seufzende Furt.
Io! du! in Feuer wandelnd!
Chorführer der Gestirn' und geheimer
Reden Bewahrer!
Sohn, Zeus' Geburt!
Werd offenbar! mit den naxischen
Zugleich, den wachenden
Thyden, die wahnsinnig
Dir Chor singen, dem jauchzenden Herrn.
Erste Szene
Ein Bote. Der Chor. Hernach Eurydice.
DER BOTE
O ihr des Kadmos Nachbarn und Amphions,
Es steht nicht so, daß ich des Menschen Leben,
Wie's auch verfaßt sei, loben möcht und tadeln.
Undenklichs hebt, Undenklichs stürzet nämlich
Allzeit den Glücklichen und den Unglücklichen.
Kein Sehergeist erreicht nicht das, was da ist.
So war sonst Kreon mir beneidenswert,
Da er von Feinden rettete das Land
Des Kadmos und allein Herrschaft gewann
In dieser Gegend und regiert' und blüht'
In wohlgeborner Saat von Kindern. Nun
Geht alles hin. Das Angenehme nämlich,
Das untreu wird, halt ich des Mannes unwert.
Reich, wenn du willst, ist er im Hause sehr
Und lebet in tyrannischer Gestalt.
Doch wenn von dem weggeht die Freude, möcht
Um eines Rauches Schatten ich das andre nicht
Als angenehm für einen Mann verkaufen.
CHOR
Wie kommt dir denn vom Fürsten diese Klage?
DER BOTE
Gestorben sind sie. Schuldig sind, die leben.
CHOR
Und welcher tötet? welcher liegt? sag an!
DER BOTE
Hämon ist hin, von eignen Händen blutend.
CHOR
Was? von des Vaters oder eigner Hand?
DER BOTE
Er selbst. Dem Vater zürnt' in seinem Mord er.
CHOR
Wie führtest du ein richtig Wort, o Seher!
DER BOTE
So steht es. Anderes ist zu bedenken.
CHOR
Ich seh Eurydice, die unglückliche,
Die Frau des Kreon eben. Ob im Hause sie's
Gehört hat oder da aus Zufall ist?
EURYDICE
O all ihr Bürger! eine Rede merkt ich,
Da ich zur Pforte ging der Göttin Pallas,
Damit ich käm und mit Gebet anspräche.
Da tu ich eben auf des Tores Riegel;
Es öffnet sich, und eine Stimme trifft
Von Unglück in dem Hause mich durchs Ohr.
Rücklings fall ich in Furcht auf meine Mägde,
In Unmacht. Aber welch Gerücht es war,
Sagt es noch einmal mir. Ich werde nicht
In Übeln unerfahren es vernehmen.
DER BOTE
Ich, liebe Frau, sag es als Augenzeuge,
Kein Wort der Wahrheit laß ich ungesagt,
Was sollt ich nämlich dich besänftigen,
Wenn ich nachher als Lügner dir erschiene?
Gerad ist immerhin die Wahrheit. Ich
Bin als Gefährte deinem Herrn gefolgt,
Zum hohen Felde, wo, vom Hund zerfleischt,
Der arme Leichnam lag des Polynikes.
Enodia, die Göttin, bitten wir,
Und Pluto, wohlgesinnten Zorn zu halten,
Bereiten heilig Bad und legen ihn
In frische Zweige, soviel übrig war,
Und einen Hügel mit geradem Haupt
Erbauten wir von heimatlicher Erde.
Und gingen dann zum hohlen, steinerbauten,
Nach Toter Art vermählten Bett der Jungfrau.
Es höret aber einer eine Stimme
Und laute Klage rufen in der Kammer
Und nahet sich und deutet Kreon sie,
Dem Herren, an. Und wie der ging, umgab
Ihn merkbarer die dunkle, mühesel'ge Stimme,
Dann schrie er auf, nah dran, und übel klagend
Sprach er das Wort, das ärmlich klagende:
Bin ich Wahrsager mir? geh ich den unglücklichsten
Wirklich der Wege, welche kommen können?
Mich rührt des Kindes Stimme. Doch ihr Diener,
Geht schnell hinzu zum Grab und seht genau
Den Riegel an, der aus der Mauer ist gerissen,
Geht in die Türe selbst hinein und sehet,
Ob ich des Hämons Stimme höre oder
Göttlich getäuscht bin. Des geängsteten
Herrn Wort nach forschen wir. Darauf
Zuhinterst in den Gräbern sehen wir
Am Nacken hängend sie, am Gürtelbande
Des Leinenkleids herab; und ihn, rundum
Um sie bestrickt, dahingestreckt und jammernd
Ums Brautbett, und den Abgrund drunten, und
Des Vaters Werk und unglückliche Lager.
Er, wie er dieses sieht, schreit greulich auf
Und geht hinein zu ihm und weheklagt und rufet:
O Armer, was hast du getan? was hattest
Im Sinne du? Durch welch Verhängnis starbst du?
O komm heraus, mein Kind, fußfällig bitt ich.
Schnöd blickend, nichts entgegensagend, starrt
Mit wilden Augen gegen ihn der Sohn;
Und zieht das Schwert, zweischneidig, gegen ihn erst.
Und da der Vater, aufgeschröckt, zur Flucht
Sich wandte, fehlt' er. Grimmig dann im Geiste,
Der Unglückliche stieß, so wie er ausgestreckt stand,
Die Spitze mitten sich in seine Seite.
Den feuchten Arm, bei Sinnen noch, küßt er
Der Jungfrau. Schnaubend stößt auf weißer Wange
Er scharfen Hauch von blut'gen Tropfen aus.
Das Tote liegt beim Toten, bräutliche
Erfüllung trifft es schüc
htern in den Häusern
Der Totenwelt und zeigt der Menschen ratlos Wesen,
Und wie als größtes Übel dies der Mann hat.
Eurydice geht ab.
CHOR
Wie nimmst du dies? Die Frau ging wieder weg,
Eh sie gut oder schlimm ein Wort gesagt.
DER BOTE
Mich wundert's auch, doch nähr ich mich mit Hoffnung,
Daß auf des Kindes Unglück sie das Jammern
Anständig nicht gehalten vor der Stadt
Und in den Zimmern drin den Mädgen sage,
Daß sie des Hauses Klage klagen. Denn
So ohne Rat ist sie nicht, daß sie fehlte.
CHOR
Ich weiß nicht. Doch das allzugroße Schweigen
Scheint bei vergebnem Schreien mir bedeutend.
DER BOTE
Laß sehen uns, ob nicht Verhaltenes
Geheim verberg ihr schwellend Herz; hinein
Ins Haus gehn. Denn du redest wohl, es ist
Bedeutend auch das allzugroße Schweigen.
CHOR
Allein der König kommet selbst.
Ein großes Angedenken in Händen trägt er.
Wenn's recht ist, es zu sagen, aus fremdem
Irrsal nicht, sondern selber hat er gefehlt.
Zweite Szene
Der Chor. Kreon.
KREON
Io! unsinnige Sinne!
Harte Fehle!
Tödliche! O tötend und
Getötet sehn wir
Blutsfreunde.
Io! mir! über meinen armen
Ratschlägen.
Io! Kind! Frühzeitig gestorben!
Weh! Weh! Weh!
Gestorben bist du, geschieden,
Durch meine, nicht deine Torheit.
CHOR
O mir, wie mußtest du so spät erst sehn das Rechte.
KREON
Ich hab's gelernet in Furcht. An meinem Haupt aber
Ein Gott dort, dort mich
Mit großer Schwere gefaßt
Und geschlagen hat, und gesc
hüttelt auf wilden Wegen.
Ach! ach!
Io! ihr Mühen der Menschen! ihr Mühsamen!
Dritte Szene
Der Bote. Kreon. Der Chor.
BOTE
O Herr! wie hast du schon und wie empfängst du.
Das in den Händen trägst du, das. Und das im Haus
Auch, das Unglück zu sehen, mußt du kommen.
KREON
Was ist denn schlimmer noch als das, was schlimm ist?
BOTE
Die Frau ist tot; ganz Mutter dieses Toten.
Noch krümmt sie sich von neugeschlagnen Schlägen.
KREON
Io! Io! du schmutziger Hafen
Der Unterwelt! was? mich nun? was? verderbest du mich?
Io! der übelberichtet mir
Hersandte das Unglück, führest solch Geschrei du?
Weh! Weh! du hast zugrunde den Mann gerichtet.
Was sprichst du, Kind? was bringest du mir Neues?
Weh! Weh! Weh!
Geschlachtet an dem Boden liege
Des Weibs Teil über allgemeinem Zerfalle.
BOTE
Du kannst es sehn. Noch ist sie im Gemach nicht.
KREON
O mir!
Auch das Unglück, das zweite, seh ich Armer?
Was nun noch? was erwartet mich ein Schicksal?
Ich hab in Händen eben da das Kind,
Ich Armer; sehe vor mir hier den Toten.
Ach! ach! mühsel'ge Mutter! ach mein Kind!
CHOR
Wie ist sie scharfgetroffen, wie geschlachtet rings!
KREON
Sie schlägt die schwarzen Augen auf. Was klagt sie?
BOTE
Des ehgestorbenen Megar
eus rühmlich Bett.
Dann hat geklaget sie um den, zuletzt lobpries sie
Die schlechten Taten dir, dem Kindermörder.
KREON
Weh! Weh! Weh! Weh!
Mich beflügelt die Furcht. Warum
Hat nicht mich einer erschlagen
Mit entgegengestelltem Schwert?
Ich Feiger! ach! ach!
In feiger Not gemenget.
BOTE
Da du die Schuld von dem und jenem trägst,
So gib Befehl auch wegen der Gestorbnen.
KREON
Was Art in Mord ward aber jen' entbunden?
BOTE
Sich selber auf die Leber schlug sie, da
Des Kindes Leiden lautgeklagt an sie kam.
KREON
O mir! mir! das gehöret keinem andern
Der Menschen an. Mein ist die Schuld in diesem.
Ich habe dich getötet, ich. Io! ihr Diener!
Führt eilig mich hinweg! führt, Schritt vor Schritt,
Mich, der nun nichts mehr anders ist als niemand.
CHOR
Ist Vorteil noch im Unglück, triffst du Vorteil;
Denn kurz ist vor den Füßen großes Übel.
KREON
O komm! o komm!
Erscheine, meiner Verhängnisse schönstes,
Den endlichen Tag mir bringend,
Den letzten. Komm! o komme,
Daß ich nicht mehr den andern Tag schaun muß!
BOTE
Dies kommt. Was aber tun in dem, was da ist?
Denn solches lieget uns ob, das uns angeht.
KREON
Was ich gesaget, eben, das hab ich gewünschet.
BOTE
Du mußt nichts wünschen. Vom zuvorgesetzten
Verhängnis hat kein Sterblicher Befreiung.
KREON
Führt Schritt vor Schritt den eiteln Mann. Der ich
Dich, Kind, doch gerne nicht, getötet, sie auch, sie;
Ich Armer weiß nicht, wen ich ansehn soll,
Und nicht, wohin ich gehe.
Denn alles Schiefe hat
Hier in den Händen und hier mir auf das Haupt
Ein wüst Schicksal gehäufet.
CHOR
Um vieles ist das Denken mehr denn
Glückseligkeit. Man muß, was Himmlischer ist, nicht
Entheiligen. Große Blicke aber,
Große Streiche der hohen Schultern
Vergeltend,
Sie haben im Alter gelehrt, zu denken.