Hoffmanns Erzählungen
Die sensationelle Premiere an der Wiener Staatsoper
Dezember 1993
Herrlicher Lebensbeweis der Gattung Oper
Die Wiener Staatsoper hat einen solchen Erfolg mit einer Premiere seit vielen Jahren nicht mehr errungen: "Hoffmanns Erzählungen" wurden zum Triumph aller Beteiligten; und zum herrlichsten Lebensbeweis der Gattung Oper.
Orkanartig wurde der Beifall, als die junge Sopranistin Natalie Dessay vor dem Vorhang erschien. Sie hatte mit ihrer Darstellung der Puppe Olympia das Publikum im Sturm erobert. Als hätte nie ein Opernfreund einen Mangel an Persönlichkeiten oder den Niedergang der Gesangskultur zu beklagen gehabt, liefert diese Künstlerin nicht nur blitzsaubere, perfekte Koloraturen, sondern erfüllt sie auch noch mit Leben.
Zudem spielt sie das vom Libretto vorgegebene, vom Regisseur noch kunstvoll raffinierte Maschinendasein der Hoffmannschen Traumgestalt mit geradezu kindischem Darstellungsfanatismus. Alle artifiziellen Verrenkungen, Drehungen und Kapriolen akkurat an ihrem Platz, als gehörten sie untrennbar zu Offenbachs Koloraturgirlanden.
Etwas besseres, mutmaßte da mancher in der Pause, als die Absage von Cheryl Studer, die alle Frauenpartien in dieser Neuinszenierung verkörpern wollte, hätte dem Operndirektor gar nicht passieren können. Denn nicht nur Natalie Dessay, auch Barbara Frittoli, die bezaubernde Antonia mit dem genuin lyrischen Timbre, und Eliane Coelho, die in der undankbarsten Partie, der Giulietta, ausgiebig schöne Phrasen modelliert, gehören zum sogenannten "Hausensemble". Und sie alle überzeugen. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht - oder nicht mehr - denkbar gewesen.
Placido Domingo ist der Hoffmann. Trotz seinen Ausflügen ins heldische Fach, die der Stimme gewiß nicht mehr Leichtigkeit geschenkt haben, wirkt er in den ersten beiden Akten beweglicher, souveräner denn je, gibt der Rolle in jedem Moment darstellerisches und vokales Profil. Lediglich der venezianische Akt kostet ihn hörbar zuviel Mühe, als daß er über die Bewältigung des Notentextes hinaus auch noch differenzierende Nuancen anzubringen vermöchte. Das aber ist nicht neu an Domingos Hoffmann und stört den Gesamteindruck seiner intensiven, packenden Darstellung nur marginal.
Auch Bryn Terfel, hörbar ein neuer Wiener Liebling, überzeugt in den Rollen der Bösewichte just im letzten Akt, der ihm mit der "Spiegelarie" ein Glanzstück gönnt, am wenigsten.
Über die hier geforderten lyrischen Qualitäten verfügt der junge Baßbariton nicht ganz souverän. Die schwarzen, verschlagenen, zynischen Zwischen-, Neben-und Untertöne von Coppelius oder Doktor Mirakel gelingen hingegen auf geradezu beängstigend glaubhafte Weise.
Wie überhaupt Andrei Serbans Produktion in den surrealtraumverlorenen Bühnenbildern Richard Hudsons konsequent in tiefenpsychologische Bereiche vordringt und mit kühnphantastischem Assoziationstheater packende Wirkungen erzielt. Clownerie und Alpdruck feiern da Hochzeit. Der Dichter, eingesponnen in seine Phantasiewelt, wird zu deren Spielball.
Die Grenzen zwischen Vision und Angsttraum, Wunschvorstellung und Halluzination sind fließend. Den Zuschauer umfängt das irreale Treiben der Spukgestalten und macht ihn konsequent zum Beteiligten. Auch wenn er vielleicht nicht immer genau weiß, warum ihn die Szene gerade betroffen macht: Das optische Gesamtkunstwerk dieser Inszenierung zieht ihn in seinen Bann. Kaum öffnet sich der Vorhang, vergißt man Raum und Zeit und läßt sich umfangen wie zuletzt als Kind von der nicht minder vielschichtigen Welt der Märchenbücher.
Und, was das Schönste ist, der akustische Teil der Aufführung hält dabei konsequent mit. Christin Badea dirigiert mit dem Wissen um die Spannungsverläufe, die geforderten großen Bögen der Partitur. Daß er sich nicht um genialische orchestrale Detailzeichnung bemüht, muß man ihm angesichts solcher Führungsqualitäten nicht vorwerfen.
Die übrigen Darsteller, vor allem Gabriele Sima als Hoffmanns guter Geist, aber auch der diesmal sehr gute Chor fügen sich, jeder für sich und alle miteinander, perfekt ins Bild.
Heinz Zednik in den Tenorbuffopartien liefert seine theatralisch-musikalischen Kabinettstücke diesmal also in einem Umfeld von Gleichgesinnten. Ein größeres Lob vermag ich niemandem auf dem Musiktheater zu spenden.
Wenn einmal alle miteinander solche Höhen erklimmen, wie sie sonst im besten Fall nur einzelnen Charakteren vorbehalten sind, ist, meine ich, das Maß der Oper erfüllt. Manch ein Opernfreund wartet auf eine solche Vorstellung ein Leben lang.
Die Wiener Staatsoper hat einen solchen Erfolg mit einer Premiere seit vielen Jahren nicht mehr errungen: "Hoffmanns Erzählungen" wurden zum Triumph aller Beteiligten; und zum herrlichsten Lebensbeweis der Gattung Oper.
Orkanartig wurde der Beifall, als die junge Sopranistin Natalie Dessay vor dem Vorhang erschien. Sie hatte mit ihrer Darstellung der Puppe Olympia das Publikum im Sturm erobert. Als hätte nie ein Opernfreund einen Mangel an Persönlichkeiten oder den Niedergang der Gesangskultur zu beklagen gehabt, liefert diese Künstlerin nicht nur blitzsaubere, perfekte Koloraturen, sondern erfüllt sie auch noch mit Leben.
Zudem spielt sie das vom Libretto vorgegebene, vom Regisseur noch kunstvoll raffinierte Maschinendasein der Hoffmannschen Traumgestalt mit geradezu kindischem Darstellungsfanatismus. Alle artifiziellen Verrenkungen, Drehungen und Kapriolen akkurat an ihrem Platz, als gehörten sie untrennbar zu Offenbachs Koloraturgirlanden.
Etwas besseres, mutmaßte da mancher in der Pause, als die Absage von Cheryl Studer, die alle Frauenpartien in dieser Neuinszenierung verkörpern wollte, hätte dem Operndirektor gar nicht passieren können. Denn nicht nur Natalie Dessay, auch Barbara Frittoli, die bezaubernde Antonia mit dem genuin lyrischen Timbre, und Eliane Coelho, die in der undankbarsten Partie, der Giulietta, ausgiebig schöne Phrasen modelliert, gehören zum sogenannten "Hausensemble". Und sie alle überzeugen. Das wäre vor ein paar Jahren noch nicht - oder nicht mehr - denkbar gewesen.
Placido Domingo ist der Hoffmann. Trotz seinen Ausflügen ins heldische Fach, die der Stimme gewiß nicht mehr Leichtigkeit geschenkt haben, wirkt er in den ersten beiden Akten beweglicher, souveräner denn je, gibt der Rolle in jedem Moment darstellerisches und vokales Profil. Lediglich der venezianische Akt kostet ihn hörbar zuviel Mühe, als daß er über die Bewältigung des Notentextes hinaus auch noch differenzierende Nuancen anzubringen vermöchte. Das aber ist nicht neu an Domingos Hoffmann und stört den Gesamteindruck seiner intensiven, packenden Darstellung nur marginal.
Auch Bryn Terfel, hörbar ein neuer Wiener Liebling, überzeugt in den Rollen der Bösewichte just im letzten Akt, der ihm mit der "Spiegelarie" ein Glanzstück gönnt, am wenigsten.
Über die hier geforderten lyrischen Qualitäten verfügt der junge Baßbariton nicht ganz souverän. Die schwarzen, verschlagenen, zynischen Zwischen-, Neben-und Untertöne von Coppelius oder Doktor Mirakel gelingen hingegen auf geradezu beängstigend glaubhafte Weise.
Wie überhaupt Andrei Serbans Produktion in den surrealtraumverlorenen Bühnenbildern Richard Hudsons konsequent in tiefenpsychologische Bereiche vordringt und mit kühnphantastischem Assoziationstheater packende Wirkungen erzielt. Clownerie und Alpdruck feiern da Hochzeit. Der Dichter, eingesponnen in seine Phantasiewelt, wird zu deren Spielball.
Die Grenzen zwischen Vision und Angsttraum, Wunschvorstellung und Halluzination sind fließend. Den Zuschauer umfängt das irreale Treiben der Spukgestalten und macht ihn konsequent zum Beteiligten. Auch wenn er vielleicht nicht immer genau weiß, warum ihn die Szene gerade betroffen macht: Das optische Gesamtkunstwerk dieser Inszenierung zieht ihn in seinen Bann. Kaum öffnet sich der Vorhang, vergißt man Raum und Zeit und läßt sich umfangen wie zuletzt als Kind von der nicht minder vielschichtigen Welt der Märchenbücher.
Und, was das Schönste ist, der akustische Teil der Aufführung hält dabei konsequent mit. Christin Badea dirigiert mit dem Wissen um die Spannungsverläufe, die geforderten großen Bögen der Partitur. Daß er sich nicht um genialische orchestrale Detailzeichnung bemüht, muß man ihm angesichts solcher Führungsqualitäten nicht vorwerfen.
Die übrigen Darsteller, vor allem Gabriele Sima als Hoffmanns guter Geist, aber auch der diesmal sehr gute Chor fügen sich, jeder für sich und alle miteinander, perfekt ins Bild.
Heinz Zednik in den Tenorbuffopartien liefert seine theatralisch-musikalischen Kabinettstücke diesmal also in einem Umfeld von Gleichgesinnten. Ein größeres Lob vermag ich niemandem auf dem Musiktheater zu spenden.
Wenn einmal alle miteinander solche Höhen erklimmen, wie sie sonst im besten Fall nur einzelnen Charakteren vorbehalten sind, ist, meine ich, das Maß der Oper erfüllt. Manch ein Opernfreund wartet auf eine solche Vorstellung ein Leben lang.