Cendrillon

Jules Massenets Aschenbrödel

Eine zauberhafte Märchenoper, voll Poesie und Leidenschaft, komponiert für ein Liebespaar aus zwei Sopranen...

Inspirationsquelle für dieses Werk ist selbstverständlich nicht das in deutschsprachigen Landen populäre Märchenbuch der Brüder Grimm, sondern dessen französisches Konkurrenzprodukt aus der Feder von Perrault. Anders als in der berühmteren Opernversion von Rossini finden wir beim empfindamen Massenet nur eine karikierte Figur: jene der bösen Stiefmutter. Cenerentolas Vater ist in dieser Version hingegen ein gütiger alter Mann, dem Massenet auch eine charmante Szene mit seiner Tochter vor dem Happy End schenkt.

Im übrigen ist Cendrillon ein Stück für zwei schöne Sopranstimmen, was in der allerbesten Aufnahme paradoxerweise nicht zu hören ist, da man den Prinzen mit einem Tenor besetzt hat. So kam im Studio der hinreißenden Gestalterin Frederica von Stade, die eine ideale Besetzung für den Prinzen gewesen wäre, die Titelpartie zu - die sie wunderbar singt, obwohl ihr die Tessitura vielleicht ein klein wenig zu hoch ist.

Ihr zur Seite Nicolai Gedda, ein perfekter Stilist, der sich aufs Genre der Opéra Comique und Massenets Lyrismen versteht, auch wenn er die Partie natürlich eine Oktav tiefer singt als sie gedacht war.

Der Wirkung dieser Einspielung tut das keinen Abbruch. Julius Rudel dirigiert das Philharmonia Orchestra mit viel Gespür für die poetischen Nuancen von Massenets subtiler Instrumentation, zaubert auch die Stimmung der Traumszene, in der sich die verwirrte Titelheldin in die Welt der Feen flüchtet - und dort von einer makellos singenden Elfe (Ruth Welting) in höchsten Koloratursopran-Höhen empfangen wird.

Jules Bastin gibt, vokal etwas unstet, aber mit Herz den liebenden Vater, Jean Berbie liefert die bissigen Kommentare der Stiefmutter stilecht. Und Frederica von Stade nutzt sämtliche Szenen, die ihr geschenkt sind, um die Seelenwelten der Cendrillon auszuloten, traurig-melancholisch vor der Feuerstelle im ersten Akt, jubelnd im Duett mit Prinz Gedda, seelenvoll-verträumt immer wieder zwischendurch.

Der Wien-Exilant Julus Rudel weiß auch mit den schwungvollen Tänzen der Ballszene richtig umzugehen - es ist gar nicht leicht, diese Cendrillon so stimmig auf die Bühne zu bringen, wie sie auf dieser Aufnahme zu hören ist. Immerhin: Laurent Pelly gelang es in London stilecht märchenhaft. Und da stand mit der wunderbaren Joyce DiDonato eine Titelheldin auf der Bühne, die es mit von Stade aufnehmen konnte; und mit Bertrand de Billy ein massenetaffiner Maestro am Dirigentenpult. So erhielt der Ton-Klassiker von anno dazumal ein exzellentes Video-Pendant in jüngster Zeit. (Virign Classic)

↑DA CAPO

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