Leoš Janáček
  

Jenufa

von Leoš Janáček
Text: Gabriela Preissova

Uraufführung: 1904 Brünn
PERSONEN DER HANDLUNG





1. Akt

Das Mühlrad dreht sich.

Jenufa wartet auf Štewas Heimkehr von der Musterung. Štewa hat sie verführt. Sie erwartet ein Kind. Muß Štewa nicht zum Militär, hofft sie auf eine Heirat, daß ihre Schande nicht offenbar wird. Štewas Halbbruder Laca aber hofft auf eine längere Absenz Štewas. Denn er liebt Jenufa.
Doch Štewa ist freigekommen. Betrunken platzt er mit einer Gruppe von Freunden herein und wird von der strengen Küsterin zur Rede gestellt: Erst wenn er ein Jahr lang auf Alkohol verzichtet, würde er Jenufa zur Frau bekommen. Laca kann es nicht ertragen, mitansehen zu müssen, wie Jenufa um Štewas Gunst buhlt. In Rage, schlitzt er mit einem Messer Jenufas schöne Wangen auf, die Štewa gerade besungen hat.

2. AktEin halbes Jahr später.
Jenufa hat ihr Kind geboren und lebt versteckt im Haus der Küsterin. Im Dorf glauben alle, sie sei nach Wien gefahren. Während Jenufa schläft, beschwört die Küsterin Štewa, ihre Ziehtochter zu heiraten. Doch der hat sich mit Karolka verlobt, der Tochter des Richters. Er flieht.

Laca erscheint und versichert der Küsterin, Jenufa nach wie vor zu lieben. Doch erschrickt er, als er erfährt, das Mädchen hätte ein Kind geboren. Da greift die Küsterin zu einer Lüge: Das Kind sei gestorben. Nachdem Laca verschwunden ist, packt sie das Baby und verschwindet in der eisigen Winternacht.

Jenufa erwacht und sucht nach ihrem Kind. Da kehrt die Künsterin zurück und erklärt der Betenden, sie sei wochenlang in schwerem Fieber darniedergelegen. Währenddessen sei ihr Kind gestorben.

Laca kehrt zurück. Verzweifelt willigt Jenufa ein, ihn zu heiraten.

3. Akt

Zwei Monate später. Die Hochzeit wird vorbereitet, die Gäste treffen ein. Auch Stewa und Karolka sind dabei. Während die Großmutter den Segen spricht, ertönen laute Stimmen. Man hat den Leichnam von Jenufas Kind im gefrorenen Bach gefunden. Die Leute bezichtigen Jenufa des Kindsmordes. Karolka stürzt davon, als sie ahnt, daß Stewa der Vater war. Da tritt die Küsterin dazwischen und bekannt ihre Schuld.

Als alle abgegangen sind, will Jenufa Laca Lebwohl sagen. Doch der bekennt seine unverrückbare Liebe, die nun auch in Jenufa erwacht.

Die Musik

Jenufa entstand in zwei Wellen. Der erste Akt lag 1897 vollendet vor, die beiden anderen entstanden zwischen 1901 und 1903. Janáček widmete das Werk dem Gedenken an seine Tochter, die drei Wochen vor Vollendung der Partitur starb.

Gabriela Preissovás Schauspieltext hat Janáček stark gekürzt. Dadurch wurden die vier Hauptpartien in der Wertigkeit einander angegeglichen, während im Schauspiel die Küsterin die führende Rolle spielt.

In Max Brods freier deutschen Übersetzung konnte daher aus dem originalen tschechischen Ihre Ziehtochter eine Jenufa werden.

Janáček, der Spätentwickler, fand mit diesem Werke 50-jährig seinen Stil, seine unverwechselbare Handschrift. Jenufa bildet den Auftakt zur Reihe seiner großen Musikdramen. Während des zehnjährigen Entstehungsprozesses modifizierte den Komponist den formalen Aufbau immer weiter weg von der althergebrachten »Nummernoper« zu einer durchkomponierten Struktur.

Die Motivik und Rhythmik seiner Musik entwickelt Janáček aus der Sprache, melodische Strukturen ergeben sich aus repetitiven Verarbeitungen dieser motivischen Zellen, aber auch aus Anklängen an die mährische Volksmusik, die der Komponist akribisch studierte, aber in der Regel nicht einmal bei den Tänzen und Chören ungeschminkt zitierte, sondern seiner eigenen, expressiven Tonsprache anverwandelte.



Der Siegeszug des Werks trat erst nach kräftigen Retuschen ein, die der Dirigent Karel Kovařovic für die Prager Premiere, 1916, vorgenommen hatte - und die im wesentlichen noch bis in die Siebzigerjahre in Verwendung waren. In Wien war das Werk - in der deutschen Übersetzung in dieser musikalischen Gestalt dank der Interpretation der Titelpartie durch Maria Jeritza 1918 ein Sensationserfolg und erfuhr an der Staatsoper mehrere viel beachtete Neueinstudierungen.



Erst die Pioniertaten des Dirigenten Charles Mackerras führten das Orchestermaterial international wieder auf des Komponisten Originalfassung zurück. Mit den Wiener Philharmonikern entstand die Erstaufnahme dieser Version mit Elisabeth Söderström und Eva Randova.

Die packendste Aufnahme des Werks entstand als Videodokumentation einer von der grandiosen Küsterin der Astrid Varnay dominierten Aufführung der Bayerischen Staatsoper unter der Leitung von Rafael Kubelik, die allerdings nie kommerziell verwertet wurde, deren Tonspur aber auf CD erschien.

↑DA CAPO