Roberto Devereux
Gaetano Donietti
Staatsoper, 9. Dezember 2000
Winterstarre im Kostümpanzer
Edita Gruberova hat sich eine weitere Donizetti-Oper gewünscht. Die Wiener Staatsoper gehorchte und zeigt jetzt angeblich Roberto Devereux, in Wahrheit aber eine der langweiligsten, inszenatorisch unzulänglichsten Produktionen aller Zeiten.
Die Frage, wozu diese Premiere nötig war, wird wohl nie beantwortet werden können. Edita Gruberova wollte die Königin Elisabeth singen. Sie hätte das auch ein oder zweimal im Rahmen einer konzertanten Aufführung tun können. Helmut Stürmer baute rund um die Diva jedoch ein Bühnenbild, genauer die aus vielen anderen sogenannten modernen Inszenierungen sattsam bekannte Wand aus Theaterlogen. Silviu Purcarete, angeblich Regisseur, ließ dazu Chorsänger in ebenso sattsam bekannten schwarzen Mänteln und mit ebensolchen Hüten bedeckt aufmarschieren. Die sitzen oder stehen nun starr, singen - nicht immer sicher - ihren Part und tragen zuweilen Sessel über die Bühne.
Mehr ist aus theatralischer Sicht von dieser Neuinszenierung beim besten Willen nicht zu berichten, zumal auch die Solisten, in historisierende Gewänder gehüllt, nicht viel anderes tun als zu stehen oder hie und da zu lümmeln, während ihre Königin, als käme sie aus einer anderen Produktion, irritierend eckige Gesten vollführt, manchmal recht verrenkt dasteht und ihre Arme bewegt wie eine ungelenk geführte Marionette.
Nur einmal regt sich kurz der Unmut im Auditorium, wenn der Held des Abends gleich von zehn mit Beilen bewaffneten Fleischhauern zum Richtplatz geführt wird. Schicksale sind aber in dieser Aufführung auch musikalisch nicht zu erleben. Denn Donizettis nicht gerade stärkste Partitur bedürfte des intensivsten interpretatorischen Nachdrucks. Unter Marcello Viottis Leitung ist zwar sicherer Zugriff und behutsame orchestrale Anpassung an die Nöte der Sänger garantiert, glutvolles, engagiertes Musizieren jedoch nicht.
Keine Hilfe vom Orchester
Dabei wären manches originelle Instrumentationsdetail, nicht zuletzt die Auffächerung des tiefen Registers, und vor allem viele scharf gezeichnete Linien und Akzente hilfreich, um aus dem wohltönenden Einerlei eine doch irgendwie psychologisierende Oper zu formen. Dergleichen Detailzeichnung bleibt man diesmal schuldig. Also muß sich das Publikum auf die Sänger verlassen. Es entdeckt dabei immerhin eine schöne neue Stimme, Enkelejada Shkosa, die über einen voluminösen und mit gerade genügend Metall ausgestatteten Mezzo verfügt, derzeit aber noch ein wenig großzügig, manchmal schlampig phrasiert. Ein Versprechen.
Fünf Minuten Subtilität
Yu Chen wiederum sprang für den erkrankten Carlos Alvarez ein, und schlug sich wacker im Kampf gegen die Anforderungen einer lyrischen Baritonpartie. Somit bewies er, daß das Wiener Ensemble doch noch über solide Mitglieder verfügt, woran die übrigen Darsteller diesmal eher zweifeln ließen.
Bleiben die Gaststars: Ramon Vargas verströmte seinen herrlichen Tenor immerhin in seiner großen Arie im vorletzten Bild butterweich und samten. Das waren vielleicht die einzigen vier, fünf Minuten, in denen in dieser Premiere wirklich subtil und schön gesungen wurde.
Dann aber die Gruberova. Sie sorgt nach wie vor für hysterischen Jubel nach jeder Wort- oder Tonmeldung. Tatsächlich ist und bleibt sie ein Phänomen, plaziert hier noch ein Hohes E, da noch ein D, bewegt sich also jenseits der C-Linie mit der altgewohnten, stupenden Sicherheit. Wie sie darüber hinaus Donizetti singt, steht für das Publikum längst nicht mehr zur Diskussion.
Ob die Elisabetta in dieser Oper nicht eher eine Rolle für dramatischere, schwerer gewordene Stimmen wäre, darüber wird ebensowenig verhandelt wie über die Frage, ob die Künstlerin nicht ein wenig zu dick aufträgt, wenn sie Empörung oder Erschütterung mit Keuchen, Stöhnen und schrillen Schreien charakterisiert. Man sitzt vielmehr und lauscht den nach wie vor virtuos exekutierten Tongirlanden eines Stimmphänomens, das sich über einen weiteren triumphalen Erfolg freuen darf. Um welchen Preis für die Staatsoper dieser errungen wurde, muß für eine berühmte Sängerin, die sich ihre Rollen rechtens aussuchen darf, vermutlich wirklich nicht zur Debatte stehen.