☰  menu

Anders Eliasson

1947 - 2013


Eliasson stammt aus Borlänge und erzählte später gern, wie er mit seinen Spielzeugfiguren kleine Orchester bildete, denen er musikalische Aufgaben zudachte. Spielerisch sei er zum Komponisten geworden, ohne es selbst zu bemerken.

Seine Musik bestand aus Klängen, wie er sie am Radio hören konnte und dem, was in ihm selbst zum Klingen kam. Jedenfalls nicht das, was man herkömmlich mit dem Wort »klassisch« bezeichnet.

Mit neun begann er Trompete zu spielen, musizierte in einem Jazzorchester, für das er schon im frühen Teenageralter Arrangements erstellte. Spielerisch zuerst, improvisierend, bald mit den Mitteln, die ihm ein älterer Musikerkollege zur Hand gab: Ein Baßist, »ein fantastischer Musiker«, wie sich Eliasson erinnerte, brachte ihm die nötigen Akkorde bei.

Das Interesse war damit geweckt: Mit 14 wandte sich Eliasson an einen Organisten, Uno Sandén, um die Grundzüge von Harmonielehre und Kontrapunkt zu erfahren.

Zu diesem Zeitpunkt hatte auch die erste Konfrontation mit klassischer Musik stattgefanden: Auf Schallplatten hatte Eliasson Joseph Haydns letzte Symphonie (die »Londoner« Hob. I/104) kennengelernt. In klassischer Satzlehre und Kontrapunkt übte er sich dann auch ab seinem 16. Lebensjahr in Stockholm: Valdemar Söderholm hatte ihn als Privat-Studenten akzeptiert. Statt Jazz und Improvisationen gab es nun Palestrina -- vor allem aber Johann Sebastian Bach, dessen Musik für Eliasson die » höchste Energieform darstellt, mit der man in Berührung kommen kann«.

Die vom Publikumsgeschmack abgewandete, spröde Seite der aktuellen Musikgeschichte lernte Eliasson dann an der königlichen Musikakademie in Stockholm kennen: Ab 1966 in der Klasse Ingvar Lidholms hießen die Säulenheiligen Erhard Karkoschka oder Roman Haubenstock-Ramati. Diese Exponenten einer radikalen Avantgarde empfand Eliasson zwar als »wunderbare Menschen«, doch über fortschrittlichen Klangexperimenten drohte er den Kontakt zu jener Musik zu verlieren, »die ich in mir trug.«.

Lindholms Klasse sei »eine Festung der Moderne« gewesen: Zwölftonmethode, Serialismus, Aleatorik, Musique concrète - alle Schlagworte, die der Zeitgeist vorgab, wurden diskutiert. György Ligeti, John Cage unterrichteten in Stockholm. Aber auch Terry Riley. Mit ihnen zu arbeiten war, das erkannte Eliasson bald, »nicht besonders schwer«, es sei stets »eine Sache der Technik« gewesen, nicht unbedingt der Musik...

In solcher Selbstverleugnung wollte Eliasson auf Dauer nicht existieren. Zwar hatte er das warnende Beispiel des schwedischen Meisters Allan Pettersson vor Augen, der aus dem Elfenbeinturm der sogenannten Neuen Musik ausgebrochen war und dafür mit Ignoranz gestraft wurde, doch er beschloß, er selbst zu werden: Mit seinen ersten großen eigenständigen Kompositionen, vom Chorwerk Canto del Vagabondo (1979), bis zur Ersten Symphonie (1989) suchte nach »Originalität, Authentizität und musikalischer Klarheit«, wie die Jury des Musikpreises des Nordic Council konstatierte -- und fand sie auch.

Der Befreiungsschlag war gelungen.

Die Vierte Symphonie

Eliassons Musik verleugnet die rhythmischen und harmonischen Funde der musikalischen Moderne nicht, aber er bindet sie ein in ein expressives Klang-Kontinuum, das in seinen stärksten Momenten doch stark melodisch orientiert ist.

Die Vierte und letzte seiner Symphonien, 2005 für die Musica viva-Reihe des Bayerischen Rundfunks entstanden, zeigt Eliasson als Nachfolger des eigenwilligen Symphonikers Pettersson. An klassische Vorbilder knüpft die dreisätzige Struktur des etwa 25 Minuten dauernden Werks an: Der langsame Mittelsatz in frei fließendem, »asymmetrischen« Fünf-Vierteltakt ist das Zentrum, ein großer »Gesang« für Orchester, in dem immer wieder das Flügelhorn die melodische Führung übernimmt - als wär's eine Erinnerung an die Jugend des Komponisten als Jazztrompeter. Im Verlauf des Werks treten auch andere Instrumente solistisch hervor, das Schlagzeug treibt das Geschehen oft energetisch voran - der Strom der Musik fließt über die Begrenzungen der einzelnen Sätze

  • Allegro moderato (alla breve)
  • Adagio
  • Con moto, minaccioso – Adagio
  • hinweg, die Symphonie läuft pausenlos ab.

    ↑DA CAPO

    → SINKOTHEK