Rainer Bischof

* 1945

Gespräch, 18. März 1995
Rainer Bischof. Ein meisterhafter Koch ist er, fanatischer Hundebesitzer, Orchestermanager (der Wiener Symphoniker), Komponist und Philosoph: Rainer Bischof, im Gespräch vor der Uraufführung seines jüngsten Werkes.

»Gebet und Verzweiflung« heißt das Oratorium, das Bischof auf Gedichte des Philosophie-Professors Erich Heintel komponiert hat. »Leben, Tod, Verzweiflung, Sehnsucht, Hoffnung - die ewigen Probleme«, behandelt von einem, der sich zur Nachfolge der Zweiten Wiener Schule bekennt.

Der strenge Zwölftöner Bischof mag diese Kategorisierung nicht gern hören: »Die Zwölftonreihe ist doch das Unwichtigste, was es in der Musik gibt. Ein Hilfsmittel, das ordnet nur. Man wirft ja auch einem Klassiker nicht vor, daß er in C-Dur oder in As-Dur schreibt.«

Im übrigen hält sich Bischof, der während des Gesprächs Zitate von der Barockliteratur bis zum philosophischen Text extemporiert, an den Dr. Faustus: »Da steht der ungeheure Satz: Organisation ist alles. Das ist so: Je mehr organisiert die Dinge sind, desto freier wirken sie. Daß Intellektualität und Emotion Gegensätze sind, ist eines der großen Mißverständnisse in unserer Zeit. Das Gegenteil ist wahr: Sie bedingen einander. «

»Je gescheiter ein Roman ist, desto emotioneller ist er, desto mehr greift er mich an. Nur das Blöde greift mich nicht an. Von Rabelais bis Dostojewski, vom ,Wilhelm Meister' bis Canetti - das berührt dich, weil's g'scheit ist.«

Dieses Gesetz gilt für Bischof auch in der Musik: »Bei einem langsamen Satz von Bach oder beim ,Meistersinger'-Quintett treibt es mir die Tränen in die Augen. Nicht vor Rührung, sondern weil es schön ist.«

So stört Bischof, dessen Musik bei aller Konstruktivität sich der expressiven Geste bedient, auch Kritik nicht, die ihn allzu offen zur Schau getragener Emotionalität zeiht: »Wirkt's beim ersten Hörern larmoyant? Na und? So bin ich halt. Heute herrscht ein völlig falsches Bild, eine Verwechslung von Wissenschaft und Kunst.«

»Adorno sagt schon: Der Rätselcharakter der Kunst muß aufrecht bleiben. Wenn nicht ein kleines Quentchen offen bleibt, dann sackt die Kunst ab zur Wissenschaft. «

Bischof prangert die Intoleranz der Nachkriegs-Avantgardisten an, die gesagt haben: »Wenn das Publikum zu blöd ist, unsere Musik zu begreifen, soll es zu Hause bleiben. Und die Leut' sind daheim geblieben. So sind Komponisten wie Hindemith, Honegger, Martin, die für diese Entwicklung nicht verantwortlich waren und eine Tradition weiterführten, durch den Rost gefallen. Sie werden nicht gespielt. Die waren nicht im ,Trend'.«

»Aber wenn Sie wollen: In dieser Linie verstehe ich mich.«

↑DA CAPO