Josef Suk
1874 - 1935
Einer der bedeutendsten tschechischen Komponisten des beginnenden XX. Jahrhunderts, der freilich im Bewußtsein der Musikwelt vor allem als Schwiegersohn Antonín Dvořáks in die Geschichte eingegangen ist - und vielleicht auch als Großvater des gleichnamigen Geigers Josef Suk.
Schon Josef Suk senior war ein begehrter Geiger und tourte als Mitglied des Böhmischen Streichquartetts durch die Welt. Schon der Elfjährige Sohn eines Dorflehrers und -organisten durfte ans Prager Konservatorium, um Violine zu studieren. Dvořák nahm sich des offenkundigen Talents an und erteilte ihm Kompositionsunterricht. 1922, lange nachdem Dvořák und Suks Ehefrau, Dvořáks Tochter Ottilie gestorben waren, trat Suk als Kompositions-Professor in Prag in die Fußstapfen seines Schwiegervaters. Bis zwei Jahre vor seinem Tod hat Josef Suk als Sekundgeiger des Böhmischen Streichquartetts musiziert. Er ruht auf dem Friedhof seines südböhmischen Heimatdorfes Křenowitz.
Zwischen Romantik und Moderne
Es gelang Suk, das Erbe Dvořáks und dessen romantische Tonsprache nach ersten kammermusikalischen Versuchen rasch abzuschütteln. Sein eigenes Vokabular entwickelte sich durchaus mit experimentellen harmonischen Schichtungen, die durch Überlagerungen zweier Tonarten reizvolle Klangräume erschließen, die trotz der Polytonalität durchwegs noch der spätromantischen Welt zuzuordnen sind.Arnold Schönberg war von einigen Werken Suks durchaus angetan und erkannte darin die verwandte Sehnsucht, harmonisches Neuland zu erobern.
Zrání und Asrael
Die bedeutendsten Schöpfungen neben dem wie Schönbergs d-Moll-Quartett in einem großen Satz gearbeiteten Zweiten Streichquartett in Des-Dur (op. 31, 1911) sind die großen symphonischen WerkeAsrael op. 27 - undWobei tschechische Musiker das außerhalb Böhmens kaum bekannte, für Frauenchor und großes Orchester gesetzte Zrání für Suks wichtigstes Werk halten. Vaclav Talich küßte die Partitur, nachdem er die Uraufführung dirigiert hatte, und setzte Zrání als eine Art zweites musikalisches Nationalheiligtum neben Smetanas Vaterland.
Zrání op. 34 (1917)
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Kirill Petrenko hat in seiner Zeit als Chefdirigent der Komischen Oper Berlin mit dem dortigen Orchester Suks Tondichtungen aufgenommen und nutzte die leuchtkräftige Orchestrierungskunst des Komponisten weidlich aus. Das Hörerlebnis ruft Erinnerungen an Instrumentationsfinessen hervor, wie sie zur selben Zeit von Komponisten wie Franz Schreker oder Alexander von Zemlinsky praktiziert wurden.
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»Asrael«
Symphonie Nr. 2 c-Moll op. 27
Andante
Vivace - Andante sostenuto - Quasi Tempo
Adagio
Adagio e maestoso - Allegro appassionato - Tempo I
Das düstere Werk wurde im Gedenken an Suks Schwiegervater begonnen und während des Entstehungsprozesses aller positiven, klärenden Elemente entkleidet, weil kurz nach ihrem Vater auch Dvoraks Tochter, Suks Ehefrau Ottilie starb.
In einem Interview bekannte Suk später:
Ein solches Unglück zerstört einen Menschen oder es fördert alle verborgenen Kräfte in ihm zutage. Die Musik hat mich gerettet. Nach einem Jahr begann ich den zweiten Teil der Symphonie zu komponieren, mit dem Adagio, einem zarten Porträt Otilkas.So verarbeitete Suk beide Todesfälle in einem gigantischen, etwas mehr als einstündigen symphonischen Trauer-Epos, durch das sich das Thema aus der zuvor komponierten Tondichtung Märchen (»Pohadka«) leitmotivisch zieht und - wie der namensgebende Engel die unterschiedlichsten Gestalten annehmen kann. Die Tonart c-Moll wählte Suk nicht von ungefähr für diese, seine »Schicksalssymphonie«, deren erster Satz auch den Rhythmus des berühmten Klopfmotivs aus Beethovens Fünfter Symphonie zitiert.
Die ersten drei Sätze bilden eine Einheit, auf die eine lange Pause folgen soll. Das Ottilie-Porträt des folgenden As-Dur-Andantes mündet in ein grelles Finale, das sich zu einem wilden, unausweichlichen Totentanz steigert, aus dem es zuletzt doch ein Entkommen gibt: von düsteren Baß-Akkorden gestört, entschwebt die Musik am Ende in verklärtes C-Dur. Der verzweifelte Komponist hat sich dieses Ende seiner Symphonie, wie er bekannte, mühevoll abgerungen. Asrael sollte nach Suks Willen kein Dokument des Schmerzes, sondern ein Beweis »übermenschlicher Kraft« werden.
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