Astor Piazzolla
1921 - 1992
Der italienischstämmige, in New York aufgewachsene Komponist wurde zum Nationalheiligen der argentinischen Musik
Nicht nur Freunde des »Tango Nuevo« ein Bedürfnis, dessen Erfinder Astor Piazzolla war, halten diesen Mann für einen bedeutenden Komponisten. Die Mixtur aus unterschiedlichsten stilistischen Einflüssen macht seine Musik unverwechselbar eigenständig.
Schon die Wurzeln verraten die Vielfalt, die hier zu einer grundlegenden Erneuerung führen konnte, ja vielleicht mußte.
Jugend in New York
Der Familienname verrät, dass es sich bei dem argentinischen Nationalheiligen der Musik um einen italienischstämmigen Künstler handelt: Beide Eltern stammten aus Einwandererfamilien und wanderten angesichts der katastrophalen Lage im Argentinien der Zeit um 1900 nach New York aus, wo der Vater einen Friseurladen aufmachte; und in seiner Freizeit Tangomusik hörte.Tango, nichts als Tango, erinnerte sich Astor Piazzolla später an die klingenden Trostpflaster, die sich sein Vater gegen das Heimweh verordnete. Ihm zuliebe hatte sich der Sohn neben seinem Klavierstudium auch im Bandoneon-Spiel geübt. Doch in Wahrheit wollte er Komponist sein, begeisterte sich für Strawinsky und die übrigen Modernen.
Lehrerin Boulanger
Nadia Boulanger, die kluge und einfühlsame Pädagogin, führte ihren Studenten, der in Paris bei ihr Stunden nahm, auf den rechten Weg: Als er einmal zum Vergnügen Tangos auf dem Klavier spielte, riet sie ihm, alle anderen Partituren, die er bis dahin verfasst hatte, wegzuwerfen: Das sei der »echte Piazzolla«, befand sie.Wie recht sie damit gehabt hat, lehrt die Erfolgsgeschichte ihres Zöglings, der es in der Folge unterlassen hat, Symphonien oder Klavierkonzerte zu fabrizieren, um stattdessen aus dem Tango eine Kunstform zu machen, die Seite an Seite mit den qualitätvollsten Hervorbringungen der Avantgarde stehen konnte.
Nur daß man zu Piazzollas Musik tanzen konnte und sie damit Brücken baute zwischen dem, was als Unterhaltungsmusik gilt, und dem, was über Jahrzehnte in den Elfenbeintürmen der Meister der Moderne produziert wurde, von den Rezensenten als allein selig machend gefeiert, aber vom Publikum ignoriert.
Es waren Interpretenpersönlichkeiten wie Gidon Kremer, die dafür sorgten, daß die Welt erkannte, welch ernsthafte Kraft in Piazzollas Werken steckt, wenn er sich an Vivaldis Vier Jahreszeiten orientierte oder die Geschichte des Tangos als Oper erzählte: Zum Gelingen des Befreiungsschlags der sogenannten Postmoderne hat dieser Komponist viel beigetragen. Da galt er längst als einer der bedeutendsten Komponisten des XX. Jahrhunderts.