Miloslav Kabeláč

1908 - 1979

Miloslav Kabeláč, in Prag geboren, war einer der führenden Köpfe der Neuen Musik in der tschechischen Volksrepublik, dessen freizügige Polystilistik manche Tendenzen der später von Komponisten wie Alfred Schnittke propagierten Neuen Einfachheit vorwegnahm. Doch seine Einbindung meditativer fernöstlicher Elemente, aber auch die behutsame Orientierung an Errungenschaften der westlichen Avantgarde wurden ihm nach der Niederschlagung des Prager Frühlings zum Verhängnis. In der restriktiven Kulturpolitik des Moskau-treuen kommunistischen Regimes nach 1968 war für die acht Symphonien und andere Werke von Kabeláč kein Platz mehr. Zuvor vielbeschäftigt auch als Dirigent Neuer Musik, verlor Kabeláč seine Professur am Prager Konservatorium und fiel bald der Vergessenheit anheim.

Es dauerte Jahrzehnte, bis eine junge Interpretengeneration, lange nach dem Zusammenbruch des Kommunistischen Imperiums sich an Miloslav Kabeláč erinnerte. Ein Dirigenten wie → Jakub Hrůša setzen sich ab den Jahren um 2020 konsequent für das symphonischen Werk des Komponisten ein.

Sie knüpfen damit an eine verschüttete Tradition an, die in den Jahren um 1960 der bedeutende Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie, Karel Ancerl, begründet hatte. Von ihm stammen einige der wichtigsten frühen Aufnahmen von Werken Kabeláč', vor allem der großen, etwa 25-minütigen Passacaglia für Orchester op. 31, »a;Das Mysterium der Zeit«, ein gigantisches Crescendo - Decrescendo, das aus meditativ raunendem, von exotischen Melismen erfülltem Beginn zu gewaltigen Entladungen und emotionalen Aufwallungen führt. Durchwegs bleibt die Musik, die sich über weite Strecken über Orgelpunkten entwickelt, tonal gebunden, wenn auch die harmonischen Gravitationszentren oft rasch wechseln. In seiner riesenhaften, einsätzige Anlage läßt mehr als einmal an die entsprechenden Sätze bei Dmitri Schostakowitsch denken, die Musik erreicht nach ihrer sukzessiven rhythmischen Belebung im MIttelteil auch eine vergleichbare Insistenz, ehe die ruhige Stimmung des Anfangs wieder zurückkehrt.