Gastkommentar
Musik-Avantgarde -
Noblesse ist nicht angesagt
Gastkommentar, 23. März 1996
VON THOMAS PERNES
Wann Beiräte Künstler über die Klinge springen lassen - und warum das Publikum nicht entscheiden darf.
Noblesse wäre mir lieber. Noblesse ist aber nicht mehr angesagt. Man muß auf den Ton, der einem entgegenschallt, entsprechend reagieren. Wäre man nobel, so müßte man, wie einst der gute Hofrat Zwölfer des Wiener Musikgymnasiums gesagt hat, "Vogelhäuseln verkaufen gehen am Naschmarkt".
Die Avantgarde des neutönerischen Einheitsbreis serieller Epigonen ist tot. Es lebe die - Avantgarde! Diese sieht aber jetzt anders aus. Und hat auch bereits eine Geschichte: Als ich vor nun beinahe 25 Jahren mit Reinhold Aumaier, dem Dichter, mit Christoph Peukert, dem tragisch Gescheiterten, und mit Wolfgang Reisinger, dem Schlagzeuger, erste "Freiheitsversuche" in der Musik begonnen habe, war Friedrich Gulda unser großes Vorbild. Darauf aufbauend hat sich allerdings das Muster der Grundidee geändert, verändert (naturgemäß).
Es geht nicht mehr so sehr darum, verschiedene Stile einander gegenüberzustellen, sondern um die Aufhebung des Begriffes "Stil" selbst.
Nur so könnte eintreten, was W. Sinkovicz gemeint hat in der "Presse" (13. 3. 1996): ". . . die neue Melange aus ,E' und ,U' und ,Ethno', aus ,Avantgarde' und ,Reaktion' könnte den ersehnten Urknall bringen - oder jedenfalls die Sprengung all dieser Begriffe, die den freien Blick aufs Wesentliche, auf die klangliche Realität der Musik nämlich, eher verstellen als ihn fördern . . ." Wahrscheinlich lösten sich dann auch die spezifischen Publikums-Strukturen auf. Ein völlig neuer, ungeahnter Markt könnte geöffnet werden.
Die heimischen Instrumente zur Musikförderung, die Kommissionen und ganz besonders die sogenannten "Beiräte", wie auch Veranstalter etc., haben jedoch eine sehr eigenartige Grundhaltung: Sie lassen Künstler, die immer wieder Neues erarbeiten, stets von Null an beginnen, stets "über die Klinge springen".
Diese Zementierung, letztlich eine der Ästhetik, welche eine besonders gewissenhafte Prüfung der eingereichten Projekte vortäuschen soll, dient aber lediglich der Erhaltung der einflußreichen Positionen der jeweiligen Beirats-Mitglieder und Kunstbefinder (welche großteils selbst im Kunstbereich aktiv tätig und somit meist direkte Konkurrenten sind) und die keine andere ästhetische Meinung durchlassen wollen, ja dürfen (!), um ihre eigene mühsamst erworbene Hausmacht nicht zu schmälern. Dadurch wird aber das Wichtigste verhindert: die Entwicklung der Musik-Kunst. Gäbe es da nicht ein oder zwei Ministerialräte, die um eine objektive Mittel-Verteilung bemüht sind, könnten schon manche, die an die Notwendigkeit einer Entwicklung glauben, ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben.
Es gibt nun aber auch in Österreich Leute, Künstler, die sich trotz dieser Erschwernisse, die bis in die oberste Etage der Kunstförderung gehen, ihre Entwicklung, und diese ist ja die einzig wirkliche Freiheit, die ein Künstler hat, nicht nehmen lassen. Hinzu kommt noch ein Phänomen:
Das von vielen geleugnete und als Hirngespinst hingestellte Netzwerk. Es gibt ein Netzwerk (aufgrund meiner jahrzehntelangen Arbeit in diesem Metier kann ich dies getrost sagen). Man muß nicht davon ausgehen, daß dies alles gesteuert ist; ein solch paranoider Touch wäre für eine Argumentation eher hinderlich.
Jedoch: Eine derartige Verknüpfung ist bequemer als das Spiel freier Kräfte, wobei man nie außer acht lassen sollte, daß Bequemlichkeit der Sache selbst nicht dienlich ist und den Aktionsraum (=Pluralismus) schmälert. Es gibt eine Vernetzung von kulturpolitischer Ideologie, von Musikrealisations-Plätzen und von medialer Werbung und Berichterstattung. Darin wird nicht einmal besonders subtil agiert.
Noblesse ist nicht mehr angesagt.
Darauf sollte man eine Antwort finden.
Eine Möglichkeit wäre: das Publikum als Korrektiv. Dies wird von besagter Clique in ihrer präpotenten Annahme, das Publikum verstehe eh nichts, und wenn, dann bestenfalls zehn Jahre später, konsequent ignoriert.
Auch darauf müßte sich eine Antwort finden; zumal für jene, die sich angesichts von Not und Arbeitslosigkeit die Frage nach dem Sinn einer publikumsentfremdeten, aus öffentlichem Geld finanzierten Avantgarde-Musik stellen.
Noblesse wäre mir lieber. Noblesse ist aber nicht mehr angesagt. Man muß auf den Ton, der einem entgegenschallt, entsprechend reagieren. Wäre man nobel, so müßte man, wie einst der gute Hofrat Zwölfer des Wiener Musikgymnasiums gesagt hat, "Vogelhäuseln verkaufen gehen am Naschmarkt".
Die Avantgarde des neutönerischen Einheitsbreis serieller Epigonen ist tot. Es lebe die - Avantgarde! Diese sieht aber jetzt anders aus. Und hat auch bereits eine Geschichte: Als ich vor nun beinahe 25 Jahren mit Reinhold Aumaier, dem Dichter, mit Christoph Peukert, dem tragisch Gescheiterten, und mit Wolfgang Reisinger, dem Schlagzeuger, erste "Freiheitsversuche" in der Musik begonnen habe, war Friedrich Gulda unser großes Vorbild. Darauf aufbauend hat sich allerdings das Muster der Grundidee geändert, verändert (naturgemäß).
Es geht nicht mehr so sehr darum, verschiedene Stile einander gegenüberzustellen, sondern um die Aufhebung des Begriffes "Stil" selbst.
Nur so könnte eintreten, was W. Sinkovicz gemeint hat in der "Presse" (13. 3. 1996): ". . . die neue Melange aus ,E' und ,U' und ,Ethno', aus ,Avantgarde' und ,Reaktion' könnte den ersehnten Urknall bringen - oder jedenfalls die Sprengung all dieser Begriffe, die den freien Blick aufs Wesentliche, auf die klangliche Realität der Musik nämlich, eher verstellen als ihn fördern . . ." Wahrscheinlich lösten sich dann auch die spezifischen Publikums-Strukturen auf. Ein völlig neuer, ungeahnter Markt könnte geöffnet werden.
Die heimischen Instrumente zur Musikförderung, die Kommissionen und ganz besonders die sogenannten "Beiräte", wie auch Veranstalter etc., haben jedoch eine sehr eigenartige Grundhaltung: Sie lassen Künstler, die immer wieder Neues erarbeiten, stets von Null an beginnen, stets "über die Klinge springen".
Diese Zementierung, letztlich eine der Ästhetik, welche eine besonders gewissenhafte Prüfung der eingereichten Projekte vortäuschen soll, dient aber lediglich der Erhaltung der einflußreichen Positionen der jeweiligen Beirats-Mitglieder und Kunstbefinder (welche großteils selbst im Kunstbereich aktiv tätig und somit meist direkte Konkurrenten sind) und die keine andere ästhetische Meinung durchlassen wollen, ja dürfen (!), um ihre eigene mühsamst erworbene Hausmacht nicht zu schmälern. Dadurch wird aber das Wichtigste verhindert: die Entwicklung der Musik-Kunst. Gäbe es da nicht ein oder zwei Ministerialräte, die um eine objektive Mittel-Verteilung bemüht sind, könnten schon manche, die an die Notwendigkeit einer Entwicklung glauben, ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben.
Es gibt nun aber auch in Österreich Leute, Künstler, die sich trotz dieser Erschwernisse, die bis in die oberste Etage der Kunstförderung gehen, ihre Entwicklung, und diese ist ja die einzig wirkliche Freiheit, die ein Künstler hat, nicht nehmen lassen. Hinzu kommt noch ein Phänomen:
Das von vielen geleugnete und als Hirngespinst hingestellte Netzwerk. Es gibt ein Netzwerk (aufgrund meiner jahrzehntelangen Arbeit in diesem Metier kann ich dies getrost sagen). Man muß nicht davon ausgehen, daß dies alles gesteuert ist; ein solch paranoider Touch wäre für eine Argumentation eher hinderlich.
Jedoch: Eine derartige Verknüpfung ist bequemer als das Spiel freier Kräfte, wobei man nie außer acht lassen sollte, daß Bequemlichkeit der Sache selbst nicht dienlich ist und den Aktionsraum (=Pluralismus) schmälert. Es gibt eine Vernetzung von kulturpolitischer Ideologie, von Musikrealisations-Plätzen und von medialer Werbung und Berichterstattung. Darin wird nicht einmal besonders subtil agiert.
Noblesse ist nicht mehr angesagt.
Darauf sollte man eine Antwort finden.
Eine Möglichkeit wäre: das Publikum als Korrektiv. Dies wird von besagter Clique in ihrer präpotenten Annahme, das Publikum verstehe eh nichts, und wenn, dann bestenfalls zehn Jahre später, konsequent ignoriert.
Auch darauf müßte sich eine Antwort finden; zumal für jene, die sich angesichts von Not und Arbeitslosigkeit die Frage nach dem Sinn einer publikumsentfremdeten, aus öffentlichem Geld finanzierten Avantgarde-Musik stellen.