Musikalische Erotik bei Strauss
Manches an der Musik in Opern und Tondichtungen von Richard Strauss hat unleugbar unzüchtige Konnotationen
Nicht erst mit „Feuersnot“, seiner zweiten Oper verlegte sich Richard Strauss auf die Erotik.
Komponierter Sex war seine Force.
Er zelebrierte sie, ganz Kind seiner Zeit, in allen klingenden Ausprägungen. Die Perversionen der „Salome“ auf Oscar Wildes Text — sie wurde Strauss-Oper III — sind viel kommentiert worden.
Weniger die Musik, die Strauss später zur dekadenten Poesie Hugo von Hofmannsthals geschrieben hat - mit all ihrem Andeutungs-, Camouflage- und Verweigerungszauber.
Eine Frau spielt einen Mann spielt eine Frau
Man bedenke die Geschlechter-Rochaden des Rosenkavaliers. Gesungen von einer Frau, liegt er am Beginn mit der Marschallin im Bett, verkleidet sich hernach als Kammerzofe - eine Frau spielt einen Mann, der eine Frau spielt - und verführt im dritten Akt auf diese Art den Baron Ochs. Die entscheidende Rückverwandlung spielt sich hinter einem Vorhang ab; man stelle sich vor, wie viele Songcontests man andernfalls gewinnen könnte!
Nicht nur mit dem „Rosenkavalier“.
Orchesterklänge, nicht jugendfrei!
Strauss und Hofmannsthal blieben dem Spiel treu. In „Arabella“ inspirierte es Strauss zu einem seiner virtuosesten kompositorischen Akte.
Im wörtlichen Sinn.
Akustisch dürfte das Vorspiel zum „Rosenkavalier“ genau so wenig jugendfrei sein wie jenes zum dritten Akt der „Arabella“.
Komponierte Liebesnächte
Wird in jenem die Liebesnacht zwischen der Marschallin und deren jungem, noch etwas ungeschickten Liebhaber zum Klangabenteuer, hören wir in diesem, dass der Jägeroffizier Matteo meint, Arabella in den Armen zu halten, während es doch deren Schwester Zedenka ist, die sich ihm so leidenschaftlich hingibt. Matteo kennt Zdenka nur in ihrer Verkleidung. Ist doch die gräfliche Familie wegen Geldmangels nicht in der Lage, „zwei Töchter standeswürdig auszuführen“. Daher wird die jüngere zum Bruder: „Zdenko“ verliebt sich in den Verehrer der Schwester und erlebt in der Tarnung des abgedunkelten Hotelzimmers die erste Liebesnacht.
Im Gegensatz zur Marschallin wird Zdenka verwöhnt, wir hören ein symphonisches Allegro, das einem lustvoll aufgebauten und ausgekosteten Höhepunkt zustrebt.
Die kunstvolle motivische Durchführung decouvriert das Spiel: Der Hörer versteht, dass es nicht Arabella ist, die von Matteo verführt wird.
Dergleichen kompositionstechnische Virtuosität hat sich Strauss am Beginn seiner Karriere erarbeitet, hat als Symphoniker Geschichten so plastisch erzählt, wie das nur mit dem nachwagnerischen Orchester möglich war.
Sexualität in den Tondichtungen
Schon im „Don Juan“ (op. 20) geht es um Sexualität, im „Heldenleben“ (op. 40) hören wir bereits eine auskomponierte „Liebesszene“, doch erst in der „Sinfonia domestica“ (op. 53) und dann mit szenischer Auskleidung (eine pikante Herausforderung für Regisseure!) in „Feuersnot“ (op. 50) wagt sich Strauss in Sachen akustischer Wohnraum-überwachung so weit wie später in den berühmt gewordenen Opernszenen.
Finale als Liebesakt
„Feuersnot“ steuert sogar geradewegs auf diese pikante Pointe zu: Diemut muss sich dem Kunrad hingeben, will sie den Bann brechen, den dieser Zauberer über ihre (und Straussens) Heimatstadt München verhängt hat.
Das Licht ist ausgegangen, das Feuer erloschen.
Doch „all Wärme quillt vom Weibe“, das weiß auch das Münchner Volk:
Da hilft nun kein Psallieren, noch auch die Klerisei, das Mädel muss verlieren sein - Lirumlarumlei.
Und wirklich: Am Kulminationspunkt der orgiastischen orchestralen Steigerung gehen die Lichter wieder an.
Vorgeblich ist Ernst von Wolzogens „Singgedicht“ eine Abrechnung mit jener Stadt, die einst Richard Wagner vertrieben hat; darauf spielt der Text ausdrücklich an. Tatsächlich ist „Feuersnot“ aber das erste Strauss-Stück, mit dem sich die Zensur wegen „Anzüglichkeit“ zu beschäftigen hatte, und das vom Publikum eben jener Anzüglichkeiten wegen lustvoll beäugt (und belauscht!) wurde, war es doch auch eine Ohrfeige für die wilhelminische Prüderie.
Jene Prüderie, die dann „Salome“ erst akzeptieren wollte, als ein Berliner Theaterbeamter die Idee hatte, über der
verwerflichen Schlussszene einen Stern aufgehen zu lassen - er sollte das Kommen der Heiligen Drei Könige symbolisieren.
In „Feuersnot“ wird es nur ganz profan wieder hell .