Die Frau ohne Schatten

Nicht nur „Game of Thrones“, auch die Rezeption der aufwendigsten Oper des Duos Hofmannsthal und Strauss ist eine unendliche Geschichte.

Keine zweite Oper des großen Repertoires hat es so schwer gehabt wie jene, mit der die Wiener Staatsoper am kommenden Samstag ihren Jahrestag begeht. „Die Frau ohne Schatten“ hat für Wien besondere Bedeutung: Sie wurde im Haus am Ring uraufgeführt. Anders als die Mailänder Scala kann Wiens Opernhaus ja nicht auf eine reiche Geschichte bedeutender Weltpremieren zurückblicken.

Aber auch die „Frau ohne Schatten“ hatte nicht den Sensationsstart, den man ihr gewünscht hätte. 1919, der Krieg war verloren, die Ressourcen waren knapp. Man hätte eher ein sparsames Stück von der Machart der „Geschichte vom Soldaten“ gebraucht, die Igor Strawinsky zur nämlichen Zeit entwarf. Aber Hofmannsthal und Strauss planten – noch in Friedenszeiten der Habsburger-Monarchie – ein repräsentatives Opernmärchen in Riesenbesetzung, neue szenische Verwandlungen inklusive.

Man erkannte zwar die Bedeutung der Dichtung und der ungemein erfindungsreichen Partitur an, aber an lange Aufführungsserien der anspruchsvollen Komposition war nicht zu denken. Immer blieb es bei akribisch vorbereiteten Neueinstudierungen, die aber mangels finanzieller Möglichkeiten rasch wieder aus dem Spielplan verschwanden.

Immer waren es die vertrauten Sachwalter des Komponisten, die der „Frau ohne Schatten“ zu ihrem Recht verhelfen wollten: Erst Clemens Krauss als Staatsoperndirektor oder als Gast bei den Salzburger Festspielen. Und später Karl Böhm: Er machte mit dem Wiener Ensemble die erste Schallplattengesamtaufnahme des Werks (allerdings mit Kürzungen).
Er widmete als Kurzzeitdirektor der „Frau ohne Schatten“ auch eine der Festpremieren anlässlich der Wiedereröffnung des Hauses am Ring. Er betreute Neueinstudierungen in Paris und New York und vor allem bei den Salzburger Festspielen 1974.

Auch die damalige Reaktion ist typisch: Man plante einige Aufführungen – und rechnete nicht mit dem enormen Erfolg Böhms und seines Traumteams mit Leonie Rysanek und Christa Ludwig als den beiden schattenlosen Frauen sowie Walter Berry als unvergesslichem Färber Barak. Die Planungen für den Festspielsommer 1975 mussten über den Haufen geworfen, die „Frau ohne Schatten“ noch einmal angesetzt werden.

Das war vielleicht der endgültige Durchbruch. Zwei Jahre später kam das Stück nach 13-jähriger Pause wieder in den Wiener Spielplan zurück. In jener Produktion, mit der sich Herbert von Karajan als dirigierender und inszenierender Direktor 1964 verabschiedet hatte. Er stellte im Mittelakt sogar die Szenenfolge um, weil das Stück noch immer als viel zu kompliziert galt.

Vor der Premiere 2019

Die Striche, die Böhm in der Partitur vorgenommen hatte, übernahm 1999 sogar noch Giuseppe Sinopoli für die Premiere der missglückten Inszenierung Robert Carsens. Christian Thielemann will am kommenden Samstag erstmals seit Langem die ganze Musik aufführen, ohne jeglichen Strich. Er hat es mit den Philharmonikern bereits im Salzburger Festspielhaus gewagt, in einer szenisch ebenfalls gescheiterten Produktion. In Wien steht ihm diesmal eine Luxusbesetzung zur Verfügung: Camilla Nylund ist die von Stephen Gould erwählte neue Kaiserin, Nina Stemme debütiert als Färberin an der Seite Wolfgang Kochs, und Evelyn Herlitzius gibt die rätselhafte Zauberfigur der Amme. Ein Geburtstagspräsent!

↑DA CAPO