Nach dem Mißerfolg mit seiner Zweiten setzte Prokofieff zweimal auf Umformungen musiktheatralischer Konzepte für den Konzertsaal: Die Symphonien Nr. 3 und 4 basieren auf Opern- bzw. Ballettmusik.
Die Dritte Symphonie verwertet Material aus dem expressionistischen Musikdrama Der feurige Engel. Die Oper wurde erst nach Prokofieffs Tod zur Uraufführung gebracht - konzertant 1954 in Paris, szenisch im Jahr darauf in Venedig. Zu Lebzeiten wurde 1929 ein Teil des Werks in Paris konzertant aufgeführt. Die grausige Geschichte von Besessenheit und Exorzismus war und ist schwer auf die Bühne zu bringen. Die dramaturgische Struktur des Librettos nach der Erzählung Valery Brjussows ist problematisch. Aber die Musik ist von enormer Dichte und Ausdruckskraft. Daher versuchte Prokofieff sie zu retten, indem er aus dem Material eine Symphonie formte, in deren Verlauf die musikalische Elemente des Dramas formal gebändigt werden durch die symphonische Struktur.
Aufgewühlt, teils auch grotesk klingt die Musik. Die vom Komponisten selbst bezeichneten Grundeigenschaften seiner Musik prallen hier in ungewöhnlich dramatischer Weise aufeinander:
die moderne Linie,
die Motorik,
Humor und Ironie,
Lyrik.
Wobei der Hang zur »klassischen« Formgebung trotz der scheinbar althergebrachten viersätzigen Gestaltung des Werks doch zurücktritt hinter die ungewöhnlichen, immer wieder überraschenden Elemente.
Schon der Symphonie-Beginn mit seinem stürmischen Glockengeläute wirkt überwältigend, auch wenn man nicht um die szenische Konnotation dieser Musik im Opernlibretto weiß, die ängstlichen Monologe der vom Teufel besessenen Renata.
Die stürmische Introduktion des Sonatensatzes beschreibt die Verzweiflung der besessenen Renata, das expressive Hauptthema ihre Liebe zum »Feurigen Engel« Madiel. Der lyrische Seitensatz ist dem Ritter Ruptrecht zugewiesen. Diese Zuordnungen sind zweifelsfrei, auch wenn Prokofieff verneint hat, daß inhaltliche Aspekte der Oper sich programmatisc in der Symphonie wiederfinden könnten. Die Durchführung des ersten Satzes ist identisch mit einer der Zwischenaktsmusiken der Oper, in denen die Themen symphonische verarbeitet wurden.
In extremem Kontrast zu den überwältigenden Eingangs-Stürmen zeichnet das Andante die in ihren Gedanken versunkene Renata in ihrer Klosterzelle. Prokofieff übernahm die Musik fast notengereu aus dem fünften Bild der Oper. Das Scherzo soll, so der Komponist, angeregt worden sein von der unablässigen Bewegung des Finales von Chopins b-Moll-Klaviersonate.
Auch das Finale der Dritten kommt nichrt zur Ruehe, ist in unversöhnlich-vorwärtstreibendem Charakter inspiriert von den grauenhaften musiktheatralischen Bildern der Folterqualen und Beschwörungsrituale. Der Satz erinnert in seiner dynamischen Kraftentfaltung durchaus an die Parforcetour des ersten Satzes der Zweiten.