Nicht lang nach der populären Symphonie classique entstand im Pariser Exil eine neue Symphonie, deren Klangwelt einen extremen Gegensatz zu klassizistisch-geistreichen Nr. 1 bilden sollte: Eine Symphonie aus Stahl und Eisen wollte Prokofieff schreiben, irritiert und tief beeindruckt von den revolutionären Vorgängen in seiner Heimat, aber auch von der westlichen Moderne, die er kennenlernen durfte, weil ihm die neuen Machthaber Rußlands erlaubten, als Klaviervirtuose zu reisen und 1921 die Uraufführung seiner Oper Die Liebe zu den drei Orangen in Chicago zu erleben.
Die Zweite klang nun tatsächlich ganz anders als die Klasssische, stählern, brutal, aufheulend - und formal höchst ungewöhnlich in zwei Sätze gegliedert. Prokofieff wußte hierfür allerdings ein klassisches Vorbild zu nennen: Beethovens letzte Klaviersonate, op. 111.
Einem ungezügelten Eingangs-Allegro sollte zur Beruhigung ein vielgestaltiger Variationssatz folgen, dessen Thema nach den wilden Entladungen des Symphonie-Beginns eine Oase des Friedens sein sollte, der originelle, höchst unterschiedliche Verwandlungen folgten.
Das Publikum wusste wenig mit dem Stück anzufangen. Serge Kussevitsky setzte sch sehr für das Werk ein, dirigierte nach der Pariser Uraufführung auch die US-Premiere. Die Kritiker der alten und der neuen Welt bewunderten die kühne Kontrapunktik der Partitur. Doch die Hörer schienen ziemlich ratlos, schon aufgrund der enormen Lautstärke, die das Riesenorchester entfesselte. Selbst die Freunde des Komponisten schwiegen betroffen, wie Prokofieff in einem Brief an seinen Freund Makajowsky schrieb, um mit der Bemerkung zu schließen:
Schluß! Jetzt bekommen sie lang kein kompliziertes Werk mehr von mir.
Die Zweite sollte Prokofieffs Sorgenkind bleiben. Bis zuletzt trug er sich mit dem Gedanken eine dreisätzige Neufassung herzustellen; das Stück blieb, wie es war - zum Segen für die Nachwelt, die nun nicht überlegen muß, welcher Version der Zweiten sie sich widmen soll: Das kühne Experiment bleibt bis heute eine spannende Herausforderung für die Ausführenden wie für die Hörer.