Symphonie Nr. 7
Das fünfsätzige Werk gilt als eine der rätselhaftesten unter den rätselhaften Mahlerschen Symphonien. Programmatisch gehört die Siebente ganz offenkundig in eine Union mit der vorangegangen Symphonie, was auch den scheinbar disparaten Tonarten-Plan erklärt: Das strahend-poitive C-Dur-Finale bildet die perfekte Antithese und »Überwindung« der a-Moll-Tragödie der Sechsten.
Aber auch für sich genommen, läßt sich die Siebente als ein weiteres Beispiel für den seit Beethoven etablierten Topos Per aspera ad astra dechiffrieren. Der erste Satz im Verein mit den beiden Nachtmusiken und dem schattenhaften Scherzo brachten dem Werk den apokryphen Untertitel Lied der Nacht ein. Tatsächlich bricht der Kopfsatz aus dem Dunkel des vom Solo des Tenorhorns beherrshten Introduktion in eine höchst ungewisse Reise zu den Sternen auf: Leuchtende, sehnsuchtsvolle Momente wechseln ab mit marschartig ausgreifenden, vorwärtsdrängenden Passagen - um auf dem Höhepunkt ein Plateau von gespenstisch-unwirklicher Ruhe zu erreichen, umrauscht von ätherischen Holzbläser-Trillern und Harfenklängen. Dem affirmativen, positiven Schluß dieses Eingangssatzes schließen sich drei »nächtliche« Episoden an: die Nachtmusik Nr. 1 soll nach Mahlers eigener Aussage ein musikalisches Portrait von Rembrandts Nachtwache darstellen, die Nachtmusik Nr. 2 hingegen gibt sich mit Gitarre- und Mandolinengeklimper wie eine pittoreske spätromantische Überformung einer verliebten Serenade. Zwischendrin steht das ausdrücklich als schattenhaft bezeichnete Scherzo, eine von Mahlers grotesken Zerrbildern.
Ein wild-ungezügeltes Paukensolo leitet das Finale ein, das mit seinen unzähligen Beckenschlägen und Triangeltrillern wie eine traumverwirrte Melange aus Mozarts Janitscharenmusiken in der Entführung aus dem Serail und Wagners Meistersinger-Aufzügen anmutet - für den Dirigenten eine eminente Herausforderung, nicht allzu früh schon einen Status apotheotischen Lärms zu erreichen, der das fast zwanzigminütige Gebilde rasch ermüdend wirken läßt, was leider in den meisten Aufführungen zur Realität wirkt.
Nicht zuletzt die schwer zu erzielende großformale Balance macht die Siebente zu einem Schmerzenskind der Mahler-Pflege. Entsprechend dünn gesät sind wirklich befriedigende Aufnahmen der Symphonie.
Eine der besten entstand bei einem Live-Konzert in New York im Februar 1981: Rafael Kubelik gastierte am Pult von New York Philharmonic und führte das Orchester zu einer immens dramatisch durchpulsten, aber in den lyrischen Momenten herrlich ausschwingenden Darstellung der Partitur, die den Status, den Leonard Bernstein mit denselben Musikern ein Jahrzehnt in der Gesamtaufnahme der Symphonien erreichte, weit hinter sich läßt, aber auch Kubeliks eigene, legendäre Aufnahme mit dem Bayerischen Rundfunkorchester überragt: Die Tempi sind breiter geworden, der architektonische Überblick jedoch zwingender. Gerade das heikle Finale ist - bei überwältigendem Schwung vom ersten Takt an - nie überzeugender festgehalten worden.
Grandios gelang eine Aufführung in München: Kirill Petrenko dirigierte das Bayerische Staatsorchester und schuf einen Kosmos aus feinst differenzierten, kleinteiligsten Mosaiksteinchen, aus denen er Mahler symphonische Welt neu zusammensetzte. Eine Aufnahme, die Seite an Seite steht mit den bedeutendsten Mahler-Aufnahmen von Dirigenten wie Walter, Mengelberg oder Klemperer.
↑DA CAPO