Symphonie Nr. 5

  • I. Abteilung
      • 1. Trauermarsch. In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt
      • 2. Stürmisch bewegt, mit größter Vehemenz
  • II. Abteilung
      • 3. Scherzo. Kräftig, nicht zu schnell
  • III. Abteilung
      • 4. Adagietto. Sehr langsam
      • 5. Rondo - Finale. Allegro
  • Wie schon bei der Vierten Symphonie ist die vielfach gebräuchliche Angabe der Tonart, hier: Symphonie in cis-Moll, irreführend. Zwei Sätze des Werks, das ausführliche, zentrale Scherzo und das Finale stehen in D-Dur. Das cis-Moll des einleitenden Trauermarsch kehrt nicht wieder.

    Die Tonart nimmt aber vielleicht in Mahlers werkübergreifenden Denken Bezug auf das Ende der vorangegangen Symphonie: Die Vierte hatte in G-Dur (genau genommen sogar: in h-Moll) begonnen und war in E-Dur zu Ende gegangen, der Parall-Tonart von cis-Moll. Die Trompeten-Fanfare, mit der die Fünfte anhebt, war in der Durchführung des ersten Satzes der Vierten bereits angeklungen . . .

    Architektonisch gehört dieser Marsch als Introduktion zum folgenden Allegro und bildet mit ihm die von Mahler eigens so bezeichnete Erste Abteilung der Symphonie.

    Ungewöhnlich genug, bildet in diesem Werk das ausladende Scherzo mit seinen zünftigen Ländler-Anklängen das Herzstück der Dramaturgie und steht allein als »Zweite Abteilung«.

    Das folgende Adagietto wiederum ist ein kurzer, lyrischer Haltepunkt vor der gewaltigen kontrapunktischen Konstruktion des stürmischen Final-Satzes. Das hat die jüngere Aufführungsgeschichte gründlich camoufliert, die aus dem zarten »Liebesbrief an Alma« (so der Mahler Vertrauter Willem Mengelberg) ein ausladendes, todessüchtiges Adagio gemacht hat.

    »Tod in Venedig«-Syndrom

    Die Aufführung des vierten Satzes zu Mahlers Zeit dauerten zwischen sieben und acht Minuten, Anfang des XXI. Jahrhunderts brauchten Dirigenten wie Bernard Haitink bereits doppelt so lang! Ob das noch unter die künstlerische Freiheit eines Interpreten zu buchen ist, bleibe dahin gestellt. Der Charakter der Musik wird auf diese Weise jedenfalls beinah ins Gegenteil verkehrt.

    Schuld daran ist in gewisser Weise der Film. Luchino Visconti verwendete am Vorabend der großen Mahler-Renaissance das Adagietto als Soundtrack für seinen Tod in Venedig. Seit damals ist diese Musik mit Verfall und Tod konnotiert, was nicht wenig zur immer weiteren Verschleppung des Aufführungstempos beigetragen haben dürfte.

    Insofern ist die Fünfte zwar eine der meistgespielten, aber vielleicht am gründlichsten mißverstandenen Symphonien Gustav Mahlers. Der Komponist setzt sich mit diesem Werk deutlich von den Wort-gebundenen »Wunderhornsymphonien« seiner ersten Schaffensphase ab und setzt zwar einen programmatisch unmißverständlichen »Trauermarsch« an den Anfang (schon die Zweite Symphonie hatte mit einem ähnlichen »Zeichen« begonnen). Doch in der Folge handelt es sich bei der Fünften vor allem um einen Versuch, die klassische Symphonie-Form neu zu definieren - und zwar unter Einbindung strenger Kompositionsmittel wie den deutlich auf Bach bezogenen Fugen-Abschnitten im Finale. Die Tatsache, daß sich in dem fünfsätzigen Komplex die Proportionen deutlich verschieben und neu verteilen, läßt genügend »inhaltlichen« Deutungsspielraum für die Fantasie des Hörers.

    Aufnahmen

    Die Fünfte ist seit der Mahler-Renaissance in den Siebzigerjahren nicht nur eine der meistgespielten, sondern auch eine häufig aufgenommene Symphonie des großen Repertoires. Unverzichtbar für die Diskussion ist Bruno Walters klassische Einspielung von 1947, eine Pioniertat, die beinahe als einzige das Adagietto in jener Zeit hören läßt, die der Satz auch unter Mahlers eigener Leitung in Anspruch genommen hat: nämlich um die siebeneinhalb Minuten. Im übrigen bleibt Walter der Dramatik und dem im Finale nötigen Ordnungsgeist nichts schuldig.

    Eine ungemein deutlich strukturierte, dabei aufrend dramatische Aufnahme ist Sir John Barirolli mit dem New Philharmonia Orchestra 1969 gelungen (Warner). Er scheut auch vor den für Mahler unverzichtbaren, von vielen Dirigenten aber zugungsten des Schönklangs nivellierten drastischen Effekten, aufheulenden Bläser und scharfen Akzenten nicht zurück und bietet ein beredtes, feinst differenziertes und noch in der kleinsten Verästelung belebtes Klangbild. Das ist Ausdrucksmusik ohne Hemmungen.

    Eine der dramatischsten Lesarten der Partitur bot Vaclav Neumann mit dem Leipziger Gewandhaus Orchester 1965 (Philips). Der Dirigent, in der oft unterschätzten böhmischen Mahler-Tradition aufgewachsen, der auch Rafael Kubelík entstammte, kommt im Trauermarsch, aber auch im Adagietto ohne pathetische oder aufgesetzt theatralische Geste aus, heizt aber die Stimmung im zweiten Satz enorm auf und bietet eine der eloquentesten Umsetzungen des durchaus problematisch vertrackten Finalsatzes.

    ↑DA CAPO