Symphonie Nr. 3 d-Moll
Die Symphonie entstand zwischen 1892 und 1896 und wurde zu Mahlers längstem Werk, obwohl von der ursprünglich siebensätzigen Disposition »nur« sechs Sätze übrigblieben. An siebenter Stelle sollte zunächst das Wunderhorn-Lied Vom himmlichen Leben stehen, das zur Keimzelle der Vierten Symphonie wurde und diese nun als vierter Satz beschließt.
Die Dritte ist Mahlers gewaltige Hymne an die Natur und sprengt bereits mit ihrem mehr als halbstündigen ersten Satz alle bisherigen Grenzen symphonischer Architektur.
Wie bei allen frühen Symphonien ging Mahler auch in diesem Fall von programmatischen Visionen aus, deren Spuren er später jedoch tilgte, indem er die zunächst vorgesehenen Titel der sechs Sätze in der Druckfassung eliminierte.
Der dramaturgische Ablauf des Werks läßt sich durch die Titel immerhin anschaulich machen:
Wie viel vom gedachten Hintersinn man dem Werk nimmt, wenn man es zumindest bei den ersten Begegnungen als eine Art tönendes Märchenbuch zu hören versucht, wird oft diskutiert. Als Einstiegshilfe taugen die Titel jedenfalls gut. Man versteht die kahlen, unbehauenen Klänge, die unmittelbar nach dem forschen Marschthema der Hörner im ersten Satz erklingen als Abbild der toten Natur, ehe »Pan erwacht« und dem »einmarschierenden Sommer« den bunten, frisch-lebendigen Pfad bereitet - im Folgenden wird die Musik als Widerstreit positiver und negativer Energien begreiflich. Das Ende des Satzes ist ein Triumph der Lebenskraft und Freude.Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen Was mir die Tiere im Walde erzählen Was mir der Mensch erzählt Was mir die Engel erzählen Was mir die Liebe erzählt
Ein stilisiertes Menuett mit sinistren Trio-Einschlüssen malt das Blumenbild des zweiten Satzes, ein Natur-Gemälde mit Vogelrufen und Esels-Schreien, durchzogen von einer sehnsuchtsvollen Posthorn-Melodie bildet den dritten Satz, vor dessen Schlußakkorden sich die naiv-pittoreske Szenerie jäh verdüstert: Ein gewaltiger Donnerschlag verweist auf Urängste, die bisher in diesem Werk immer wieder von einer grundlegend positiven Stimmung übertüncht wurden - immerhin erinnert man sich plötlich wieder an die abweisenden Winter-Bilder des ersten Satzes und auch an die frischen Brisen, die im zweiten Satz wiederholt über die Blumenwiese geweht haben.
Der Boden ist nun aufbereitet für tiefergehende Betrachtungen. »Der Mensch« in seiner Sehnsucht nach Transzendenz singt die Nietzsche-Worte des folgenden Nachtlieds, die Engel antworten mit tröstlichen Morgenglocken und kündigen die ewigen Freuden des Paradieses an, die sich im überwältigenden Adagio-Gesang des Finales erschließen und die Symphonie zu einem strahlenden Ende bringen.
Gesangstexte
IV. Satz
Zarathustras Mitternachtslied
O Mensch! Gib Acht!
Was spricht, die tiefe Mitternacht?
Ich schlief, ich schlief --,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: --
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
-- will tiefe, tiefe Ewigkeit!
V. Satz
Armer Kinder Bettlerlied
Knabenchor
Bimm bamm,
bimm bamm...
Frauenchor
Es sungen drei Engel einen süßen Gesang;
Mit Freuden es selig in den Himmel klang,
Sie jauchzten fröhlich auch dabei,
Daß Petrus sei von Sünden frei,
Von Sünden frei.
Und als der Herr Jesus zu Tische saß,
Mit seinen zwölf Jüngern das Abendmahl aß,
Da sprach der Herr Jesus: Was stehst du denn hier?
Wenn ich dich anseh', so weinest du mir!
Alt-Solo
Und sollt' ich nicht weinen, du gütiger Gott.
Frauenchor
Du sollst ja nicht weinen! Sollst ja nicht weinen!
Alt-Solo
Ich hab' übertreten die zehn Gebot.
Ich gehe und weine ja bitterlich,
Ach komm und erbarme dich!
Ach komm und erbarme dich über mich!
Frauenchor
Hast du denn übertreten die zehen Gebot,
So fall auf die Kniee und bete zu Gott!
Liebe nur Gott in alle Zeit,
So wirst du erlangen die himmlische Freud',
Die himmlische Freud' ist eine selige Stadt;
Die himmlische Freud', die kein Ende mehr hat!
Die himmlische Freude war Petro bereit't,
Durch Jesum und Allen zur Seligkeit.
Wirkung
Mahlers Dritte kam in ihrer Gesamtheit erst 1902 in Krefeld unter der Leitung des Komponisten zur Uraufführung. Wegen der immensen Orchesterbesetzung wurde die Kapelle Krefeld mit den Mitgliedern des Kölner Gürzenich Orchesters verstärkt.Zuvor waren quasi als PR-Maßnahme einzelne Sätze daraus gespielt worden. Prominente Dirigenten wie Leo Blech, Felix Weingartner und Arthur Nikisch nahmen sich vor allem des zweiten Satzes an, der stets großen Anklang fand.
Die Krefelder Premiere, wiewohl von einigen höhnischen Kommentaren begleitet, erwies sich beim Publikum und bei der Presse als Riesenerfolg. Mahler wurde daraufhin immer wieder eingeladen, seine Dritte zu dirigieren. Insgesamt fanden 15 Aufführungen unter seiner eigenen Leitung statt.
Im Gefolge der Explosion der Mahler-Aufführungen in den Siebzigerjahren erarbeitete der Choreograph John Neumeier eine Ballett-Version der Symphonie, die 1975 in Hamburg herauskam und seither immer wieder von verschiedenen Compagnien einstudiert wurde. Neumeier erarbeitete in der Folge noch Choreographien zur Fünften und Sechsten Symphonie sowie zum Lied von der Erde.