Symphonie Nr. 1 D-Dur

  • Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut – Im Anfang sehr gemächlich
  • Kräftig bewegt, doch nicht zu schnell
  • Feierlich und gemessen, ohne zu schleppen
  • Stürmisch bewegt
  • Ursprünglich fünfsätzige Programm-Symphonie, inspiriert von Jean Pauls Roman Titan. Mit programmatischen - durch die Lektüre entsprechender Texte E. T. A. Hoffmanns inspirierten - Bezügen zu Zeichnungen von Jacques Callot (»Des Jägers Leichenbegängnis«) im langsamen Satz, dessen Außenteile als Kanon auf die Melodie des Volkslieds Bruder Jakob (in Moll) gehalten ist.



    Mahler hat die programmatischen Anmerkungen, die er seiner Symphonie ursprünglich auf den Weg mitgab, später zurückgezogen und behauptete, E. T. A. Hoffmanns Fantasiestücke in Callots Manier zum Zeitpunkt der Entstehung der Symphonie noch gar nicht gekannt zu haben.

    Selbsterklärend sind freilich die Naturklänge, mit denen die Symphonie anhebt, Kuckucksrufe und von ferne hereinklingende Trompetensignale inbegriffen. Das Hauptthema zitiert dann Mahlers selbstgedichtetes Lied eines fahrenden Gesellen, »Ging heut morgen übers Feld«, wobei für den ersten Satz der Symphonie zunächst die positive Grundstimmung gültig bleibt.
    Ging heut morgen übers Feld,
    Tau noch auf den Gräsern hing;
    Sprach zu mir der lust'ge Fink:
    »Ei du! Gelt? Guten Morgen! Ei gelt?
    Du! Wird's nicht eine schöne Welt?
    Zink! Zink! Schön und flink!
    Wie mir doch die Welt gefällt!«
    - im Intermezzo des dritten Satzes finden wir dann, ebenfalls als Zitat aus diesem Liederzyklus, die wunderbar-visionäre Episode vom Lindenbaum - auch im Lied steht sie quer zur traurigen Realität des enttäuschten Wanderburschen; hier kontrastiert sie zum grotesk-karikierenden Trauermarsch, in den zuletzt auch unsensibel grelle Jahrmarkts-Klänge hereinbrechen.
    Auf der Straße steht ein Lindenbaum,
    Da hab' ich zum ersten Mal im Schlaf geruht!
    Unter dem Lindenbaum,
    Der hat seine Blüten über mich geschneit,
    Da wußt' ich nicht, wie das Leben tut,
    War alles, alles wieder gut!
    Alles! Alles, Lieb und Leid
    Und Welt und Traum!


    Das Finale beginnt dann schließlich mit dem »Aufschrei eines im tiefsten verwundeten Herzens«, ringt sich aber zu sieghaftem Jubel durch, der zunächst ahnungsvoll anklingt, zuletzt aber affirmativ bestätigt wird.


    Aufnahmen

    Der Klassiker unter den Einspielungen dieser Symphonie ist und bleibt die Aufnahme von Mahlers Adlatus Bruno Walter von 1955 - eine Platte, die einst Leonard Bernstein zögern ließ, seine mittlerweile legendäre New Yorker Ersteinspielung sämtlicher Mahler-Symphonien mit diesem Werk zu beginnen. Walter Platte erschien damals und nach dem Abhören meinte Bernstein resigniert: »Das lassen wir besser bleiben.«
    Tatsächlich haben weder seine noch andere Versuche, diese Symphonie im Studio zu realisieren, annähernd so natürlich und dabei dramatisch mitreißend geklungen wie der Walters.

    Was die Naturstimmungen und die Klangmalerei des Symphonie-Beginns betrifft, mit ihrem kompositorisch simplen, aber schwer im geforderten Pianissimo zu realisierenden Flageolett-Effekt, hat John Barbirolli mit seinem Hallé-Orchester - kurz nach Walters Aufnahme - eine geradezu magische Klangwelt beschworen, um dann das Thema in jugendlicher Unbekümmertheit
    aus schüchternem Beginn zu überbordender Freude und Lbenslust zu steigern. Wie manche Finesse in dieser Platte bis heute unerreicht.


    ↑DA CAPO