Gustav Mahler
Das Lied von der Erde
»Eine Symphonie für eine Tenor- und eine Alt- (oder Bariton-)Stimme und Orchester nach Hans Bethges ,Die chinesische Flöte‘« steht etwas umständlich auf dem Titelblatt. Viel schlichter lautete die ursprüngliche Nomenklatur: »9. Symphonie«. Der pure Aberglaube – Beethoven und Bruckner waren nicht über diese Nummer hinausgekommen – hat Mahler davon abgehalten, die Numerierung beizubehalten.Der virtuelle Bannfluch hat den Komponisten dennoch eingeholt. Die offizielle Neunte wurde tatsächlich seine letzte vollendete Symphonie – und schließt mit einem bewegenden Abschiedsgesang. Doch schon der letzte Satz des »Liedes von der Erde« – er dauert allein so lang wie die fünf vorhergehenden zusammengenommen – heißt »Der Abschied« und verweht als eine der bewegendsten Kompositionen Mahlers in einem ätherisch schönen Klangnirvana.Dass Mahler zwei Solisten vorsieht, hat nicht nur mit der vokalen Kräfteverteilung bei einem mehr als einstündigen Werk zu tun, in dem ununterbrochen gesungen wird. Die chinesischen Gedichte und die sensibel dazu komponierte Musik rufen auch nach höchst unterschiedlichen Stimmcharakteren. Da sind die lyrischen, nur verhalten aufrauschenden Gesänge vom »Einsamen im Herbst« und »Von der Schönheit«, die nebst dem schon erwähnten „Abschied“ der tiefen Stimme zugedacht sind. Da ist als Nummer drei der Partitur das Tenorlied „Von der Schönheit“, das gut zu diesen introvertierteren Stücken passt, indem es sich von kräftiger zupackenden melancholisch weltabweisnden »Trinkliedern« (Nr. 1 und Nr. 5) abhebt.
Wer die Aufführungsgeschichte des Werks verfolgt, stößt auf die bis heute unerreichte Londoner Aufnahme unter Otto Klemperer, in der die unvergleichliche Christa Ludwig sich die Symphonie mit dem ebenso unvergleichlichen Gestalter Fritz Wunderlich teilt; allein, als Karajan im Mahler-Jahr 1960 Das Lied von der Erde im Musikverein dirigierte, wusste der Presse-Rezensent zu berichten, die Orchesterwogen seien im ersten der »Trinklieder« gnadenlos über der Edelstimme zusammengeschlagen.
Im Plattenstudio herrschen andere Gesetze.
Interpretationen
Herbert von Karajan versuchte einmal die Konsequenz aus der Tatsache zu ziehen, dass dem Tenor so diametral entgegengesetzte Aufgaben zugemutet werden und engagierte einmal drei, statt zwei Solisten: In Berlin standen 1970 neben Christa Ludwig noch Ludovic Spiess – sozusagen als Mann fürs Grobe, das heldische »Trinklied vom Jammer der Erde« – und der zartstimmige Horst R. Laubenthal auf dem Podium der Philharmonie.Wer die Aufführungsgeschichte des Werks verfolgt, stößt auf die bis heute unerreichte Londoner Aufnahme unter Otto Klemperer, in der die unvergleichliche Christa Ludwig sich die Symphonie mit dem ebenso unvergleichlichen Gestalter Fritz Wunderlich teilt; allein, als Karajan im Mahler-Jahr 1960 Das Lied von der Erde im Musikverein dirigierte, wusste der Presse-Rezensent zu berichten, die Orchesterwogen seien im ersten der »Trinklieder« gnadenlos über der Edelstimme zusammengeschlagen.
Im Plattenstudio herrschen andere Gesetze.