Anselm Hüttenbrenner

1794 - 1868

Hüttenbrenner zwischen J. B. Jenger und Schubert
(Lithographie von Teltscher)

Anselm Hüttenbrenners Name hat überlebt, weil er in der Biographie Franz Schuberts eine Rolle spielte. Der steirische Komponist war ursprünglich für den geistlichen Stand ausersehen, verließ aber das Zisterzienserstift, in das er 1811 eingetreten war, nach zwei Jahren, um sich der Musik zu widmen. Der Beethoven-Vertraute Graf Fries empfahl den Jus-Studenten an Antonio Salieri, der Hüttenbrenner eine Zeitlang kostenlos unterrichtete.

Aus familiären Gründen mußte Hüttenbrenner aber Wien wieder verlassen, um den Unterhalt seiner Familie in Graz zu sichern. Dort wurde er zu einem der wichtigsten Exponenten des Musiklebens der Stadt. Man führte Opern aus seiner Feder ebenso auf wie geistliche Kompositionen, darunter drei Vertonungen des Requiems: Das Requiem in c-Moll erklang erstmals 1825 anläßlich einer Trauerfeier für Hüttenbrenners Mutter, kurz danach aber auch bei Gedenkgottesdiensten für Antonio Salieri, 1827 im Gedenken an Beethoven und im Jahr darauf für Schubert - dessen früher Verlust Hüttenbrenner sehr geschmerzt hat: Er veröffentlichte 1829 einen musikalischen Nachruf auf Schubert in Trauertönen für Klavier solo. Der Erlös dieses Werks kam der Errichtung eines Grabdenkmals für Schubert zugute.

Während seiner Wiener Jahre war Hüttenbrenner in stetem Kontakt mit Schubert gewesen, woran sich Schubert später gern erinnerte. Er schrieb an den Freund über

die vielen Stunden, die wir glücklich zubrachten; Du denkst vielleicht nicht mehr daran; wohl aber ich.
Aus Hüttenbrenners Streichquartett Nr. 3 hatte Schubert das Thema für seine Variationen D 576 gewählt. Hüttenbrenner war auch einer der Protagonisten jenes Konzertes, bei dem Schubert das erste Mal nachweislich vor ein Wiener Publikum trat (12. März 1818): Gemeinsam mit Hüttenbrenner und den Schwestern Kunz musizierte der Komponist seine Ouvertüre im italienischen Stil (D 591) in einer Version für zwei Klaviere zu acht Händen.

Hüttenbrenner saß auch am Flügel, als Schuberts Freund Vogl 1821 Schuberts Erlkönig im Wiener Kärntnertortheater sang.

Josef Hüttenbrenner

Damals war Hüttenbrenners Bruder Josef bereits nach Wien gekommen und hatte sich dem Schubert-Kreis angeschlossen. Josef kümmerte sich eine Zeitlang um Schuberts Finanzen, wovon einige Abrechnungen zeugen, die aus dem Jahr 1823 erhalten geblieben sind.

Mißlungen ist allerdings Josef Hüttenbrenners Versuch, nach der von ihm erwirkten Veröffentlichung einiger Schubert-Werke bei Cappi & Diabelli eine jährliche Rente für den Komponisten herauszuschlagen. Vom Leipziger Verlag Peters ist überliefert, daß Josef Hüttenbrenner versuchte, Schubert dort als »zweiten Beethoven« anzukündigen.

Schuberts »Unvollendete«

In Graz sorgte Anselm Hüttenbrenner inzwischen dafür, daß Schubert das Ehrendiplom des Steiermärkischen Musikvereins erhielt, wofür sich der Komponist mit der Überlassung des Originalmanuskripts der Unvollendeten Symphonie bedankte. Daß Anselm Hüttenbrenner die Handschrift dieses Werks besaß, aber nach Schuberts Tod nicht daran dachte, sie zu veröffentlichen, hat ihm schwere Vorwürfe durch den Schubert-Forscher Otto Erich Deutsch eingehandelt. Doch durfte Hüttenbrenner davon ausgehen, daß in Wien in jenen Jahren kein Interesse an einem unbekannten Symphonie-Fragment Schuberts bestand. Als Johann Herbeck das Manuskript bei Hüttenbrenner entdeckte, wurde sie ihm sofort für die Publikation und die Erstaufführung zur Verfügung gestellt.

Auch Franz Liszt bekam von Anselm Hüttenbrenner bei seinen Schubert-Forschungen einige Schützenhilfe. Auf Liszts Anregung verfaßte Hüttenbrenner 1854 eine Erinnerungsschrift mit dem Titel Bruchstücke aus dem Leben des Liedkomponisten Franz Schubert, deren komplette Fassung sich erst 1984 in der Berliner Staatsbibliothek wiederfand.

Anselm Hüttenbrenners Musik

Die große Sopranistin Gundula Janowitz hat, begleitet von Irwin Gage, in einem Salzburger Festspiel-Liederabend sieben Lieder Hüttenbrenners Werken von Schubert gegenübergesellt und damit erstmals wieder Musik des Schubert-Freundes zum Klingen gebracht. Die Aufzeichnung dieses Abends erschien auf CD. (Orfeo)

Irwin Gage hat diese Idee später noch einmal aufgegriffen und Hüttenbrenner-Lieder mit Sibylla Rubens für eine weitere CD mit Schubert und Mozart gekoppelt. (Haenssler)

Eine bemerkenswerte Zusammenstellung findet sich auf einer CD des Pianisten Cyprien Katsaris, der Liszts Klaviersolo-Fassung von Schuberts Erlkönig mit Hüttenbrenners originellen Erlkönig-Walzern, einer Klavierfassung der Unvollendeten und Werken von Beethoven konfrontiert.

Eine Variation hat Anselm Hüttenbrenner übrigens auch für Anton Diabellis Sammelprojekt beigesteuert, dem wir nicht nur ein kurze Schubert-Variation, sondern auch einen Beitrag des elfjährigen Franz Liszt - und schließlich Beethovens gigantische Diabelli-Variationen verdanken. Rudolf Buchbinder hat das gesamte Konvolut - und damit auch Hüttenbrenners kurzen Beitrag - aufgenommen.

↑DA CAPO