Karl Goldmark

(1830-1915)

Grand Opéra aus Österreich


Goldmark-Büste Viktor Tilgners in der Wiener Staatsoper

Bis 1938 wußten Wiener Musikfreunde, wer Karl Goldmark war. Nach 1945 fand nicht einmal seine einst viel gespielte Königin von Saba, so etwas wie eine wienerische Grand Opéra, ins Repertoire zurück.

Dabei war diese austriakische »Grand Opéra« zu Zeiten eines der meistgespielten Werke in den heimischen Spielplänen.


Die Königin von Saba
einst ein Repertoirewerk.→
Bis in die Dreißigerjahre wurde das Stück - unter Dirigenten wie Gustav Mahler oder Bruno Walter - viel gespielt.

Sänger rissen sich um die Hauptpartien. Die Tenor-Arie "Magische Töne" wurde zur Wunschkonzert-Nummer. Gerade ihre Anforderungen lassen ahnen, warum die Königin von Saba es nach dem Verbot während der NS-Zeit nicht mehr auf die Bühnen geschafft haben könnte: Die Wiedergutmachung am Meisterwerk des jüdischen Komponisten aus Keszthely am Plattensee scheiterte an Stilfragen.

»Magische Töne«

Assads Arie ist das Musterbeispiel für die Notwendigkeit, eine Stimme lyrisch bis in höchste Regionen zu führen. Das gelingt nur durch eine raffinierte Mischtechnik, die Kopf- und Brustregister organisch miteinander harmonisiert.
Die Gustav-Mahler-Generation pilgerte in die Hofoper, wenn Leo Slezak sang, der freilich auch keine Mühe hatte, das Hohe C hier im Pianissimo zu hauchen, im letzten Akt aber, orchestral wagnerisch umbrandet, forte zu attackieren ("Komm, Tod, geendet sind die Qualen"). Stilisten, die beides beherrschen, sind nach der Landnahme des Verismo und der mit ihm verknüpften, brachialeren Vokalgebräuche, rar geworden.

Subtile Gesangskunst

Goldmarks Partitur ist voll von Möglichkeiten, subtile, vielfach in Pianissimo-Regionen zurückgenommene Gesangskunst zu demonstrieren. Da ist der einst viel beachtete Lockruf der Dienerin, der den armen Tenor ins Verderben der Liebe zur fremden Königin führt, die ihn dann kalt verleugnet, nachdem sie seine Eheschließung mit Sulamith beinah verhindert hat.
Auch von den beiden weiblichen Gegenspielerinnen wird differenziertes Singen verlangt, beinah wagnerisch auftrumpfend in den dramatischen Partien, zart, filigran und mit Italianità, sobald Goldmark seine eigentliche Trumpfkarte aufspielt: Er war einer der fantasievollsten Komponisten seiner Zeit in Sachen Orchestrierungskunst.

Raffinierter Bienentanz

Wie er die Farbpalette des romantischen Orchesters in immer neuen Schattierungen anzumischen weiß, das ist ein Ereignis und hat wenige Parallelen bei seinen Zeitgenossen. Mag sein, seine melodische Gabe ist weniger hoch entwickelt, mag auch sein, die Formvorlagen, eher an Meyerbeer orientiert, zwingen ihn oft zu hohlem Pathos und mühsamer Repräsentationsmusik.

Aber auch die Einzugsmärsche und vor allem die Ballett-Einlagen während des Hochzeitsfests im Dritten Akt klingen raffiniert, der sogenannte Bienentanz brachte es dank seines Kolorits zu Popularität.

Im Wesentlichen aber blieb Goldmarks Wiener Grand Opéra, 1875 im Haus am Ring uraufgeführt, ideale Grundlage fürs Star-Theater des Fin de Siecle.

Die Instrumentalmusik

Auf CD kommt zumindest der Instrumentalkomponist Goldmark zu Ehren: Das Singapore Orchestra unter Lan Shui hat (für das Label BIS) seine beiden Symphonien aufgenommen, darunter die früher höchst beliebte Ländliche Hochzeit.


Der Programmsymphonie Ländliche Hochzeit hat sich immerhin auch Leonard Bernstein angenommen. (Sony)

Der Wiener Geiger Thomas A. Irnberger hat sich für die Kammermusik und das Violinkonzert Goldmarks stark gemacht und stand Pate für eine ganze Reihe von Goldmark-Einspielungen auf dem österreichischen Label Gramola. darunter finden sich auch → Streichquartett und Streichquintett des Komponisten, gespielt vom Haydn-Quartett mit Rudolf Leopold.

Das Violinkonzert existiert in einer grandiosen Live-Aufanhme mit Nathan Milstein und Brno Walter.